bei plötzlichem Nahrungsmangel bis zu 50 % der täglichen Energieausgabe einzusparen - und dank Sonnenbaden sparen sie auch beim Aufheizen auf die Normaltemperatur (Kap. 2.7).
Auch beim FMR bestehen die größten absoluten Unterschiede zwischen Exothermen und Endothermen: Der FMR (und damit der Nahrungsbedarf) ist bei Reptilien etwa 15-mal geringer als bei Vögeln und Säugetieren gleicher Körpermasse (Abb. 2.6). Da die Energieumsätze meist in Jahreszeiten mit größter Aktivität der Tiere gemessen werden, können sich über das Jahr aufsummierte Unterschiede bis zum 30-Fachen ergeben, denn der FMR steigt bei Endothermen in der kühlen Jahreszeit, während er bei Exothermen aufgrund der dann reduzierten Aktivität sinkt (Nagy 2005).
Wie beim Tätigkeitsumsatz, so ist es auch beim Gesamtumsatz instruktiv, den Wert als Mehrfaches des BMR auszudrücken. Für Vögel und kleinere Säuger liegt er bei den meisten Arten beim 2- bis 4-fachen BMR, bei vielen Gruppen kleinerer Vögel sogar recht eng im Bereich 3,0- bis 3,4-mal BMR, und in vielen Fällen noch deutlich darunter (Bryant 1997). Da das Äquivalent eines 4-fachen BMR bereits einer energetisch aufwendigen Lebensweise entspricht, ist eine Erhöhung darüber hinaus schnell mit Fitnesskosten verbunden. Länger andauernde Gesamtumsätze (sustained metabolic scope) bis etwa zum 5,2-Fachen des BMR kommen bei größeren Vögeln noch regelmäßig vor (McNab 2002). Noch höhere Werte sind selten und am ehesten bei kleinen, sehr aktiven Carnivoren zu finden (Hume 2006; Abb. 2.7); das 7-Fache des BMR dürfte das Maximum sein (Hammond & Diamond 1997). Allerdings zeigen die jüngsten Nachweise von über 10 000 Kilometer langen Nonstopflügen ziehender Pfuhlschnepfen (Limosa lapponica; Kap. 6.6), dass Vögel imstande sind, über neun Tage lang eine Leistung im Umfang des 8- bis 10-fachen BMR zu erbringen (Gill R. E. et al. 2009). Ein Vergleich mit dem menschlichen Leistungsvermögen ist in diesem Zusammenhang instruktiv: Teilnehmer am dreiwöchigen Radrennen, Tour de France 1984, verbrauchten über die Zeit ein mittleres Energieäquivalent von 4,3 bis 5,3-mal BMR (Westerterp et al. 1986).
Natürlich kann der Gesamtumsatz bei Arten in stark saisonalen Klimazonen über das Jahr hin merklich schwanken. Beim Gemeinen Rothörnchen (Tamiasciurus hudsonicus) betrug die maximale Energieausgabe im Sommerhalbjahr das 3,7-Fache des winterlichen Minimums, wobei die größten Ausgabeposten auf die Laktation (Kap. 4.1) und den herbstlichen Aufwand für das Sammeln der zu hortenden Nahrung (Kap. 3.7) entfielen (Fletcher et al. 2012). Selbst in den Tropen kann es zu Jahresgängen im Energieverbrauch kommen, wenn auch zu wesentlich geringeren Schwankungen. Bei tropischen Standvögeln wurde eine maximale Erhöhung während der Brutzeit um etwa 50 % des außerbrutzeitlichen Minimums gemessen. Bei Standvögeln, die in gemäßigten Zonen ausharren, liegt die winterliche Energieausgabe hingegen höher als jene zur Brutzeit (Wells & Schaeffer 2012).
2.2 Nahrung als Energie- und Nährstofflieferant
Zusammensetzung der Nahrung
Aus der Nahrung muss der tierische Organismus Energie und über 50 verschiedene Inhaltsstoffe beziehen können, welche zudem in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen sollten. Abb. 2.8 gibt einen Überblick über die wichtigsten Komponenten. Alle Arten von Nahrung enthalten zumeist einen bedeutenden Anteil an Wasser. In tierischem Gewebe ist er relativ konstant bei etwa 60–70 %, bei Pflanzen hingegen variabler. Am wasserreichsten sind Algen, gewisse Wasserpflanzen und Beeren mit über 80 %. Krautige Pflanzen und Wurzelknollen kommen auf etwa 70 %, Gras und Flechten auf 40–50 %, und am trockensten sind Zweige oder Samen mit etwa 30 %. Dies sind Mittelwerte; zudem nehmen im saisonalen Klima Wasser- und Stickstoffgehalt in Blättern und Stängeln gegen das Lebensende oder zum Beginn der Dormanz der Pflanze hin ab. Deshalb werden Energie- und Nährstoffwerte in der Regel auf die Trockenmasse der Nahrung bezogen.
Abb. 2.8 Die Trockensubstanz besteht aus einem anorganischen Anteil (welcher bei Nährstoffanalysen nach der Verbrennung als Asche anfällt) und organischen Komponenten. Diese umfassen neben den eigentlichen Nährstoffen (leichtverdaulichen Kohlenhydraten, Proteinen und Lipiden) sowie den Mikronährstoffen wie Vitaminen auch teilweise unverdauliche (Faser = schwer- und unverdauliche Kohlenhydrate) bis mild toxische Komponenten (Sekundärstoffe) (nach Karasov & Martínez del Río 2007).
Energie
Energie wird aus der Oxidation der Nährstoffe (Proteine, Kohlenhydrate und Lipide) bezogen; die Nährstoffe sind zugleich Bausteinlieferanten des Körpers oder lassen sich in solche umwandeln. Lipide (Fette und Öle) haben den höchsten Energiegehalt; Proteine (Eiweiße) und Kohlenhydrate liegen deutlich darunter (Tab. 2.1). Der Energiegehalt der Nahrung ergibt sich also vor allem aus ihrer Zusammensetzung. Fleisch ist wesentlicher energiereicher als pflanzliche Nahrung, je nach Fettgehalt aber auch variabler. Gerade bei Fischen kann der Fettgehalt den Nährwert stark beeinflussen: Ölhaltige Arten (etwa Aal, Anguilla anguilla) liefern bis zu 4-mal mehr Energie als ölfreie Fische (wie etwa Flussbarsch, Perca fluviatilis). Pflanzengewebe, besonders Blätter und Stängel, sind weniger variabel als tierisches Gewebe, doch können die bereits erwähnten saisonalen Abnahmen für Herbivoren von Bedeutung sein, wenn der Nährwert der Nahrung bereits an der unteren Grenze liegt. Oft betreffen solche Veränderungen nicht den Bruttoenergiegehalt (GE), sondern den nutzbaren Anteil, der durch die Verdaulichkeit der Nahrung gegeben ist (DE). Bei Pflanzen hängt die Verdaulichkeit stark von den Anteilen verschiedener Fasern ab; Lignin ist auch für Herbivoren weitgehend unverdaulich (Kap. 2.6). Bei tierischer Nahrung ist der Anteil unverdaulicher Materie oftmals dort hoch, wo kleinere Beutetiere samt Exo- oder Endoskelett ganz verschlungen werden (bis 80 % bei Mollusken mit Schalen, bis 50 % bei Arthropoden mit Cuticula, bis 17 % bei kleineren Vertebraten samt Federn, Haaren oder Knochen) oder wo kleine Beutetiere, zum Beispiel Arthropoden, mit anhaftender Erde oder Sand aufgenommen werden – ein häufiger Fall bei Ameisen- und Termitenfressern (McNab 1984; s. Abb. 2.14).
Box 2.2 Zusammenbruch der Geierpopulationen in Südasien
Ab etwa 1993 brachen die Bestände der Geier der Gattung Gyps (G. bengalensis, G. indicus, G. tenuirostris) auf dem Indischen Subkontinent innerhalb weniger Jahre um 99,9 % ein. Die zuvor häufigen Aasvertilger, welche die Kadaver von Kühen auch in den Städten beseitigten, waren nun am Rande des Aussterbens. Eine solche Rate der Populationsabnahme konnte nur durch eine massiv erhöhte Adultmortalität zustande kommen. Nach einiger Zeit war die Ursache identifiziert. Das entzündungshemmende Mittel Diclofenac wurde mehr und mehr auch zur Behandlung von Kühen eingesetzt und war überall leicht und günstig erhältlich. Wurde Diclofenac in den letzten Tagen vor dem Tod einer Kuh verabreicht, war das Mittel anschließend im Kadaver noch nicht abgebaut und wurde von den Geiern in letaler Dosis aufgenommen. Diclofenac f𠃼hrt bei den Geiern zu Niereninsuffizienz und damit zu gestörter Wasserregulation; die Anreicherung von Harnsäure in Blut und Gewebe (Viszeralgicht) wirkte dann schnell tödlich. Weiträumige Erhebungen der Kontamination toter Kühe mit Diclofenac, verbunden mit Populationsmodellen der Geier, wiesen nach, dass die Kontamination den Rückgang der Geier allein bewirken konnte. Da unschädliche Alternativen zu Diclofenac existierten, wurde die Anwendung des Mittels auf dem Indischen Subkontinent 2006 verboten (Green et al. 2007; Pain et al. 2008). Darauf stabilisierten sich die Restbestände, und neuerdings scheint sich eine Umkehr der Bestandsentwicklung abzuzeichnen (Chaudhry et al. 2012; Prakash et al. 2012; Cuthbert et al. 2014). Das praktische Verschwinden der Geier hatte weitreichende negative Auswirkungen, bis hin zum Anstieg der Todesfälle in der Bevölkerung durch Tollwut. Dies war darauf zurückzuführen, dass die Zahl verwilderter Hunde in Indien stark anwuchs, nachdem sie an den Kadavern toter Kühe keiner Konkurrenz durch Geier mehr ausgesetzt waren (Markandya et al. 2008).