Werner Suter

Ökologie der Wirbeltiere


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Dünnschnabelgeier (G. tenuirostris, unten).

      Wasser ist der Reaktionsträger für Stoffwechselvorgänge in Pflanzen und Tieren, denn eine riesige Vielfalt von Stoffen ist in Wasser löslich, von einfachen Mineralionen bis zu Zuckern, kurzkettigen Fettsäuren, Aminosäuren oder komplexen Proteinen und Vitaminen. Tiere brauchen damit Wasser, um Volumen und Zusammensetzung ihrer Körperflüssigkeiten aufrechtzuerhalten. Beeinträchtigungen dieser Fähigkeit durch Wassermangel führen schnell zum Tod. Auch toxische Effekte können die Regulationsfähigkeit einschränken (Box 2.2).

      Tiere nehmen Wasser auf und geben Wasser an die Umgebung ab; diese Balance funktioniert je nach Lebensraum in unterschiedlicher Weise. Bei wasserlebenden Arten, die über Kiemen oder die Haut leicht Wasser mit ihrem Medium austauschen, spielt die Osmolarität eine entscheidende Rolle. Im Meerwasser mit hoher Osmolarität lebende Knochenfische sind hypoosmotisch. Sie verlieren Wasser und müssen trinken; dabei wird Salz wieder über Nieren und Kiemen ausgeschieden. Süßwasser besitzt niedrigere Osmolarität als die Körperflüssigkeit von Fischen oder Amphibien; diese Arten sind gegenüber ihrer Umgebung hyperosmotisch. Sie müssen nicht trinken und schaffen das eindringende Wasser als Urin aus dem Körper. Terrestrische Wirbeltiere verlieren Wasser über Haut, Lungen, Niere und den Verdauungstrakt und müssen dieses ersetzen. Sie können es generell auf drei Arten aufnehmen: 1. frei, also durch Trinken, 2. als Bestandteil der Nahrung und 3. als metabolisches Wasser, das heißt durch die Oxidation organischer Verbindungen wie Proteine und Fett.

      Verschiedene Wasser- und Meeresvögel, Wale, Robben und andere Säuger nehmen über die Nahrung hohe Salzkonzentrationen auf und können auch Salzwasser trinken; das Salz wird über die Nieren mit speziell hoher Resorptionsfähigkeit für Wasser (Säugetiere) und spezielle Salzdrüsen (Vögel, auch bei Reptilien) wieder ausgeschieden (Abb. 2.10). Dies gilt vor allem bei Arten, die sich von Invertebraten (zum Beispiel Krill) ernähren, da Invertebraten im Unterschied zu Fischen hyperoder isoosmotisch sind. Fisch- und fleischfressende Arten, aber auch viele Herbivoren müssen kaum trinken, da die Nahrung selbst genügend Wasser enthält und zudem über den Fettabbau oxidatives Wasser liefert. Selbst herbivore Wüstenbewohner können viel Wasser über sukkulente Pflanzen, Knollen und Wurzeln beziehen; zudem ist Tau für sie eine Wasserquelle. Australische Hüpfmäuse (Notomys alexis) ändern bei Wassermangel ihre metabolische Strategie: Durch erhöhte Nahrungsaufnahme lagern sie in der Leber Glykogen an, aus dem sie – anstatt aus dem Fett – metabolisches Wasser beziehen (Takei et al. 2012). Daneben besitzen Wüstentiere Adaptationen, um den Wasserverlust zu reduzieren. Beispielsweise vermindern sie die Verdunstungsrate über den Anstieg der Körpertemperatur (Heterothermie, Kap. 2.7), oder sie produzieren sehr trockenen Kot und stark konzentrierten Urin (Fuller A. et al. 2014). Der Wasserverlust steigt generell mit zunehmender Umgebungstemperatur und körperlicher Leistung; so kann etwa die Reichweite ziehender Watvögel im Nonstopflug (Kap. 6.6) durch den Wasserverlust begrenzt werden. Auch über die Milchproduktion entsteht größerer Wasserbedarf. Umgekehrt können viele Tiere zur Kühlung mittels Hecheln den Wasserverlust erhöhen; bei größeren laufenden Arten wie Pferden oder auch dem Menschen erfolgt die kühlende Wasserabgabe über Drüsen nahe der Körperoberfläche in der Nähe der wärmeproduzierenden Muskeln (Schwitzen).

      Kohlenhydrate, Proteine und Lipide machen den Löwenanteil der organischen Substanz in der Nahrung aus. In Pflanzen besteht diese hauptsächlich aus Kohlenhydraten, in tierischem Gewebe aus Rohprotein. Bei Nahrungsuntersuchungen spricht man oft von Rohfaser, Rohprotein und Rohfett, wenn nicht genau zwischen den einzelnen chemischen Formen unterschieden wird. Rohprotein bezeichnet damit die Summe der meisten N-haltigen Verbindungen, also Proteine und Nukleinsäuren. Der Sammelbegriff «Rohfaser» gilt nur als sehr grobes Maß für die Nahrungsqualität, da er Faserarten sehr unterschiedlicher Verdaulichkeit und weitere wenig definierte Substanzen umfasst.

      Proteine sind Aminosäureverbindungen, die im Körper der meisten Tiere in relativ ähnlicher Zusammensetzung vorhanden sind und zahlreiche verschiedene Funktionen ausüben. Damit ist die Nahrung der Carnivoren ähnlich zusammengesetzt wie ihr eigener Körper und bezüglich der benötigten Nährstoffe in der Regel ausgeglichen, während bei Herbivoren in der Nahrung wichtige Komponenten fehlen können. Zehn der 23 proteinogenen Aminosäuren können von Tieren mit einfach gebautem Verdauungssystem (vor allem Carnivoren und Omnivoren) nicht selbst synthetisiert und müssen über die Nahrung beschafft werden; man bezeichnet sie als essenzielle Aminosäuren. Ein Mangel an essenziellen Aminosäuren führt meist zu Einbußen bei Wachstums- und Reproduktionsleistungen, besonders schnell im Fall der Aminosäure Arginin; bei Katzen ist Argininmangel sogar tödlich. Katzen als strikte Fleischfresser können auch Taurin nicht selbst herstellen. Taurin ist in Fleisch häufig, fehlt jedoch in Pflanzen. Pflanzenfresser sind deshalb in der Lage, Taurin zu synthetisieren (Robbins 1993). Selbst synthetisierbare Aminosäuren heißen nicht essenziell. Herbivoren mit komplizierter gebautem Verdauungssystem fermentieren mithilfe von Mikroorganismen im Vormagen oder Blinddarm (Kap. 2.4) und vermögen im Rahmen der mikrobiellen Synthese mehr Aminosäuren aufzubauen.

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      Abb. 2.10 Die Salzdrüsen der Vögel sind paarige Nasendrüsen oberhalb der Augen und bei den meisten Arten funktionslos, bei marinen und anderen Vögeln, die ihre Nahrung aus dem Salzwasser aufnehmen, jedoch gut ausgebildet. Das Sekret mit hoher Natriumchloridkonzentration (bis zum Doppelten des Gehalts im Meerwasser) wird über die Ausfuhrgänge zu den Nasenlöchern und von dort in Furchen zur Schnabelspitze abgeleitet. Bei den Röhrennasen (Procellariiformes) sind die Ausfuhrgänge von einem röhrenförmigen Teil des Schnabels umschlossen. Diese Röhren sind beim Riesensturmvogel (Macronectes giganteus; im Bild) auffällig, bei manchen Arten aber kürzer (weitere Arten in Abb. 2.5, 5.17 und 6.7).

      Pflanzliche Kohlenhydrate (KH) können gemäß ihrer Funktion in der Pflanze in nicht strukturelle und strukturelle Kohlenhydrate unterschieden werden; die Unterscheidung ist auch in nahrungsphysiologischer Hinsicht sinnvoll. Nicht strukturelle KH reichen von löslichen Mono- und Disacchariden («Zucker») zu Polysacchariden, zum Beispiel als Stärke in Samen und Wurzeln. Nicht strukturelle KH kommen in allen Pflanzenteilen vor, gehäuft aber in Früchten, Samen, in der Stängelbasis und in Wurzeln von Gräsern und Kräutern, in Wurzelknollen und in den Wurzeln der meisten Bäume und Sträucher. Sie dienen der Pflanze als Reserve und zeigen im Wechselspiel von Fotosynthese und Atmung deutliche Tagesgänge und saisonale Schwankungen ihrer Konzentration. Nicht strukturelle KH sind allgemein sehr gut verdaulich (Kap. 2.6).

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      Die beiden wichtigsten strukturellen KH in den Zellwänden der Pflanzen sind Zellulose und Hemizellulose, die für statische Festigkeit vor allem gegen Zugkräfte sorgen. Zellulose und Hemizellulose können von Wirbeltieren nur mittels von Mikroben produzierter Enzyme abgebaut werden. Herbivoren gewinnen einen bedeutenden Anteil ihrer Energie aus Zellulose und Hemizellulose. Zusammen mit Lignin bilden die strukturellen KH den Faseranteil. Lignin ist kein KH, sondern ein aromatisches, nicht saccharides Polymer, das in der Zellwand für Druckfestigkeit sorgt und die Verholzung bewirkt. Lignin kann auch von der Darmflora nicht fermentiert werden und ist damit weitgehend unverdaulich. Lignin trägt stark dazu bei, dass Verdaulichkeit (Kap. 2.6) und Nährwert der Pflanze oft umgekehrt proportional zum Faseranteil sind.

      Lipide