Zeit der Jungenfütterung (Strategie lean and fit; Schultner et al. 2013).
Körpermasse (relativ zur Größe, s. unten) und Fettreserven sind wichtige Indizes der Kondition (Ernährungs-, Körperzustand) eines Individuums und bestimmen weitgehend seinen Überlebens- und Reproduktionserfolg, also seine Fitness. Die Beziehung zwischen Kondition und Fitness muss allerdings nicht linear verlaufen (Barnett et al. 2015). Misst man die Kondition in einer ganzen Population, so erhält man Auskunft über die Energieversorgung in einem bestimmten Habitat oder Gebiet (Delguidice et al. 2001). Messmethoden richten sich sowohl danach, wie in der betreffenden Art das Fett abgelagert wird, als auch nach der Größe des Tieres (Übersichten: Barboza et al. 2009; Wilder et al. 2016). Bei kleineren Arten lässt sich der Fettanteil im Körper mit verschiedenen chemisch oder physikalisch basierten Verfahren am lebenden Individuum recht genau bestimmen (Karasov & Martínez del Río 2007). Da Vögel ihr Fett in charakteristischen Depots um das Brustbein oder im Abdominalbereich anlagern, kann der Fettvorrat noch einfacher visuell klassiert werden. Die Bestimmung geschieht bei kleineren Vögeln in der Hand, etwa anlässlich der Beringung von Zugvögeln, kann aber bei größeren Arten auch mittels Beobachtung im Feld durchgeführt werden (Abb. 2.28). Bei genügend großen Stichproben oder bei vorgängiger Kalibrierung lassen sich diese Indizes des Fettvorrats (fat score) in eigentliche Werte konvertieren und für quantitative Voraussagen nutzen, wie die mögliche Reichweite eines ziehenden Vogels (Salewski et al. 2009).
Bei Vögeln und kleinen Säugern genügt oft auch die Messung der Körpermasse (Labocha & Hayes 2012). Wenn die Körpergröße (Konstitution; structural size) individuell variiert, muss dafür korrigiert werden. Dazu verwendet man das Verhältnis zwischen Körpermasse und einem Körpermerkmal, das mit der Körpergröße korreliert (zum Beispiel die Länge von Extremitäten). Die Konstitution kann über solche Allometrien auch bei großen Arten ermittelt werden, die nicht gewogen werden können.
Abb. 2.28 Links: Gut ausgebildetes Fettdepot eines zugbereiten Teichrohrsängers (Acrocephalus scirpaceus). Rechts: Bei Wat- und Entenvögeln sind die Fettvorräte im Abdominalbereich als Krümmung der Bauchlinie gut sichtbar. In einer Feldstudie am Zwergschwan (Cygnus columbianus; auch in Abb. 5.13) wurden sechs Klassen unterschieden, die von 1 = Linie stark konkav (wenig bis kein Fett) bis 6 = Linie stark durchhängend (große Fettanlagerung) reichten (Abbildung neu gezeichnet nach Bowler J. M. 1994).
Größere Säugetiere speichern ihre Fettvorräte subkutan, um die Eingeweide, die Nieren und das Herz, sowie im Knochenmark. In dieser Reihenfolge werden die Vorräte auch mobilisiert. Deshalb ist keiner der Indizes ein gutes Maß für das gesamte Körperfett. Die verschiedenen Depots werden zudem für unterschiedliche Zwecke gebraucht, und deren Bestimmung gibt dann vor allem über diese spezifischen Belastungen Auskunft. So gibt der Nierenfettindex (kidney fat index) Auskunft über die konditionelle Belastung im Rahmen der Reproduktion, während der Wert für das Knochenmarkfett (bone marrow fat), das zuletzt mobilisiert wird, Hinweise auf allfällige starke Mangelerscheinungen liefert (Fryxell et al. 2014). Informationen über den Ernährungszustand lassen sich auch aus Blut- oder Urinproben gewinnen - vor allem Hinweise zur Proteinversorgung von Herbivoren. Die Untersuchungen sind aber oft kompliziert (Karasov & Martínez del Río 2007). Besser eingeführt ist die Untersuchung des Stickstoffgehalts im Herbivorenkot als Ausdruck der Qualität aufgenommener Nahrung (Leslie et al. 2008), nicht jedoch der eigentlichen Kondition.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Energie auch außerhalb des Körpers gespeichert werden kann, indem Nahrungsvorräte gehortet und versteckt werden. Allerdings funktioniert dies nur bei unverderblicher Ware, und die hortenden Tiere müssen sedentär sein. Da es sich dabei um Verhaltensanpassungen handelt, kommt das externe Speichern in Kapitel 3.7. ausgiebiger zur Sprache.
Energieeinsparung
Wenn Energie nicht in genügender Weise beschafft oder aus körpereigenen Reserven mobilisiert werden kann, sind Strategien zur Energieeinsparung vonnöten. Die Notwendigkeit zur Energieeinsparung ergibt sich vor allem in kühleren Klimazonen und während der kalten Jahreszeit, wenn einerseits die Rate der Energieaufnahme absinkt und der Wärmeverlust aufgrund der großen Differenz zwischen Körper- und Außentemperatur ansteigt. Energie kann auf verschiedene Weise gespart werden, zum Beispiel durch
• Reduktion des Wärmeverlustes des Körpers, vor allem während der Nacht,
• Reduktion der Aktivität,
• Reduktion der Körpertemperatur und damit des Energieumsatzes.
Oft werden diese Strategien untereinander und mit Fasten kombiniert.
Ein von vielen Säugern und Vögeln praktiziertes Verhalten zur Reduktion des Wärmeverlusts ist das gemeinsame Übernachten in dicht gedrängten «Kuschelgruppen» (huddling), wodurch sich je nach Art, Gruppengröße und Situation 6–53 % Energie sparen lassen (Gilbert et al. 2010). Solche soziale Ther-moregulation ist vor allem bei kleineren Arten verbreitet (Fledermäusen, Nagetieren, Singvögeln), kommt bei entsprechend niedrigen Umgebungstemperaturen aber auch bei größeren Arten vor (Robben, Affen in kalt-temperierten Gebieten, Pinguinen, Schweinen, Nashörnern). Das wohl spektakulärste Huddling zeigen die im antarktischen Winter brütenden Männchen des Kaiserpinguins (Aptenodytes forsteri): Kuschelnde Pinguine haben im Vergleich zu lose zusammenstehenden Vögeln um 16 % verringerte metabolische Aufwendungen und könnten ohne diese Einsparung die Fastenzeit von 105–115 Tagen während der Bebrütung nicht durchstehen (Ancel et al. 1997). Nicht sozial lebende Tiere in schneereichen Umgebungen können den Wärmeverlust etwa durch Ausharren in Schneehöhlen vermindern. In den Alpen praktizieren dies die beiden Raufußhuhn-Arten Birkhuhn (Tetrao tetrix) und Alpenschneehuhn (Lagopus mutus; Abb. 2.29). Anthropogene Störungen durch zunehmende Freizeitaktivitäten wie Schneeschuhwandern können sich damit negativ auf den Energiehaushalt solcher Arten auswirken; die weitergehenden Konsequenzen für die Bestandsentwicklungen sind aber noch unerforscht (Arlettaz et al. 2007).
Abb. 2.29 Alpenschneehuhn (Lagopus mutus) in seiner Übernachtungshöhle.
Die Reduktion der Aktivität ist notwendig, wenn der Aufwand für die Nahrungssuche und der daraus resultierende Energiegewinn ein ungünstiges Verhältnis erreicht. In der Regel geht verminderte Aktivität mit einer Absenkung der Körpertemperatur einher. Endotherme, die ihre Körpertemperatur nicht stets konstant halten, verhalten sich heterotherm. Heterothermie ist weit verbreitet, in ihrer Ausprägung aber art- und gruppenspezifisch verschieden. Innerhalb der Säugetiere ist sie bei kleinen Arten, solchen, die in hohen Breiten leben, und solchen, die keine Nahrung horten, stärker entwickelt (Boyles et al. 2013). Es gibt auch Unterschiede zwischen Verwandtschaftsgruppen, doch beeinflusst die Phylogenie physiologische Merkmale nur bei tropischen Arten stärker als die Umwelt (phylogenetischer Konservativismus), während außerhalb der Tropen die Umweltbedingungen für die Variation bei physiologischen Strategien entscheidend sind (Khaliq et al. 2015).
Heterothermie ist der Oberbegriff für eine Anzahl verschiedener, oft durch Übergänge verbundener Strategien. Als Hypothermie bezeichnet man die Reduktion auf Temperaturen, die unterhalb der Schwankungsbreite während des normalen aktiven Zustands der Art liegen. Torpor hingegen meint einen Zustand der Inaktivität mit stark vermindertem Energieumsatz und verringerter Reaktionsfähigkeit auf äußere Stimuli. Gemäßigte Hypothermie mit Senkung der Körpertemperatur auf bis zu 30 °C ist bei Vögeln und Säugetieren verbreitet und tritt je nach Tagoder Nachtaktivität der Art nachts oder tagsüber auf. Stärkere Hypothermie mit Absenkung der Körpertemperaturen auf unter 30 °C führt bei Endothermen in der Regel zu Torpor, doch können manche Säugetierarten auch bei massiv abgesenkter Körpertemperatur noch aktiv bleiben. Tiefe Hypothermie folgt entweder einem täglichen oder einem saisonalen Rhythmus. Beim täglichen Rhythmus erreichen die maximalen Phasenlängen zwischen 1,5 und 22 Stunden; man spricht dabei meist von Tagestorpor (daily torpor), selbst wenn das Tier trotz niedriger Körpertemperatur aktiv bleibt. Tiefe Hypothermie im saisonalen Rhythmus ist durch