Christian Feldmann

Bayerische Charakterköpfe


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Verbreitung; heute können sie in Museen bewundert werden. Die Merksprüche des Bischofs wollen deutlich machen, worauf es beim Christsein wirklich ankommt:

      Verurteile niemand, das ist Gott wohlgefälliger, denn dass du dein Blut vergießest sieben Stunden am Tag.“ „Wer ein hartes Wort geduldig erträgt in der Liebe unseres Herrn, das ist Gott wohlgefälliger, denn dass er zerschlüge auf seinem Rücken so viel Besen, als auf einem ganzen Acker gewachsen sind.“

      „Geh selber zu Gott, das ist dir nützer, denn dass du all die Heiligen und alle die Engel hinsendest, die im Himmel sind.“

      Zwei Jahre nach seiner Bischofsweihe gab Albert das Amt zurück. Das Reformprogramm war eingeleitet, ein guter Nachfolger stand bereit. Der Wandertrieb erfasste ihn wieder. Wir finden ihn in Augsburg, Würzburg, Frankfurt, Köln, im Elsass, in Brandenburg, in Basel und Antwerpen. Er weihte Kirchen ein, erstellte Gutachten, schrieb Bücher, betätigte sich als Schiedsrichter: Alberts Name steht unter rund hundert Friedensschlüssen aus jener Zeit. Damals hatte er schon die achtzig überschritten.

      Erst in Alberts allerletzten Lebensjahren setzte ein rapider Verfallsprozess ein. Die Sehkraft ließ nach, Arthrose und Gicht plagten den alten Mann. Eine Legende deutet den körperlichen Verfall auf zarte Weise als Berührung Gottes: Während einer Vorlesung verließ den greisen Lehrer plötzlich sein Gedächtnis, und er musste abbrechen. Die Zuhörer waren bestürzt. Nach einer Weile fasste sich Albertus und erzählte seinen „lieben Brüdern“, vor vielen Jahren sei ihm die Gottesmutter erschienen und habe ihm prophezeit, Gott werde durch seine Wissenschaft die ganze Kirche erleuchten. Damit er aber nicht dem Hochmut verfalle, werde Gott vor seinem Tod alle Weisheit von ihm nehmen und ihm die Einfalt eines Kindes wiedergeben.

      Am 15. November 1280, im gesegneten Alter von über achtzig Jahren, starb Albert der Große einen friedlichen Tod, im Sessel sitzend, umringt und getröstet von seinen Mitbrüdern.

       „Bernauerin auf dem Wasser schwamm, Maria Mutter Gottes hat sie gerufet an“

       „Darum hat sie ertränkt werden müssen“

      Warum die unglückliche Liebe zwischen Agnes Bernauer (um 1410–1435) und dem Herzogssohn Albrecht ein schreckliches Ende fand

      Als sie die zierliche Frau ins Wasser warfen, von der alten Donaubrücke in Straubing, gelang es ihr mit der Kraft der Verzweiflung, ihre Beinfesseln zu lösen und in die Nähe des Ufers zu schwimmen, wobei sie mit heiserer Stimme schrie: „Helft, helft!“ Unter den zahlreichen Zuschauern erhob sich ein Murren gegen die grausame Justiz. Eilig lief der Folterknecht, der die Verurteilte von der Brücke gestürzt hatte und den Zorn seines herzoglichen Auftraggebers fürchtete, herzu und drückte die sich Aufbäumende mit einer langen Stange so lange unter Wasser, bis sie tot war.

      So schildert der Chronist Andreas von Regensburg das elende Sterben der „Bernauerin“ am 12. Oktober 1435. Ansonsten sind nicht viele geschichtliche Tatsachen von Agnes Bernauer überliefert. Nur die Kunde von ihrer bezaubernden Schönheit und von ihrer unglücklichen Liebesbeziehung zu Albrecht, dem Sohn des Bayernherzogs Ernst, hat die Jahrhunderte überdauert. Das Volk – das zeigen die landauf, landab bekannten Lieder und Festspiele – hat der damals im Interesse kühler Erbfolgepolitik als Hexe und Kupplerin verurteilten „Bernauerin“ immer die Treue gehalten.

       Heuchlerische Doppelmoral

      Die Geschichte der um 1410 geborenen Agnes Bernauer beginnt in einer Augsburger Badstube, und die meisten Historiker halten sie für eine Baderstochter – manche aber auch für die aus Biberach stammende Magd des Baders. Sie muss eine strahlende Schönheit gewesen sein, mit einer makellosen Figur, feinen Gesichtszügen und prächtigen blonden Haaren. Der Chronist Veit Arnpeck macht ihr das fantasievolle Kompliment: „Man sagt, dass sie so hübsch gewesen sei, wann sie roten Wein getrunken habe, so habe man den Wein in ihrer Kehle hinab fließen gesehen.“

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      Justizopfer: Agnes Bernauer

      Dort in der Badstube haben sie sich vermutlich kennen gelernt, Agnes und der bayerische Thronfolger Albrecht III., der einzige Sohn des Herzogs Ernst von Bayern-München, und das wäre noch kein Problem gewesen, denn die hohen Herren hielten sich gern Geliebte aus niederem Stand. Aber das ungleiche Paar wollte seine Verbindung legalisieren, und das war für die höfische Gesellschaft mit ihrer heuchlerischen Doppelmoral eine Todsünde.

      Die Badstuben – Vorstufen unserer Saunen – waren damals im 15. Jahrhundert äußerst beliebt als Stätten der Erholung und Lust. Stundenlang plätscherten, spielten, musizierten, aßen und tranken die Gäste beiderlei Geschlechts im warmen Wasser, bedient von liebreizenden „Bademädchen“. „Willst du einen Tag fröhlich sein? Geh ins Bad!“, hieß es in einer frühen Reklame. Die Kirche lief Sturm gegen das Badewesen, das freilich sehr gut in eine Zeit der Extreme passte, in der sich härteste Askese mit ausschweifender Maßlosigkeit paarte, streng bemessene höfische Minne mit dumpfer Erotik.

      Irgendwie passt Agnes, die von den Chronisten immer wieder als zurückhaltender, auf die eigene Ehre bedachter „Engel“ geschildert wird, nicht recht in dieses Ambiente – ebenso wenig wie der Herzogssohn Albrecht, der als mutig, gerecht, sensibel, fromm beschrieben wird, als Gegner brutaler Strafen und als Freund der kleinen Leute. Das alles zählte nicht; wer in einer Badstube arbeitete, gehörte automatisch zur niedrigsten Schicht und zu einem verfemten Beruf.

      Und ob Agnes und Albrecht 1432 tatsächlich heimlich heirateten, wie viele Forscher annehmen, oder ob Agnes immer nur die Geliebte des Thronfolgers blieb, in den Augen der feinen Gesellschaft war diese Beziehung indiskutabel, und vor allem stellte sie eine politische Gefahr dar. Eine derartige „morganatische“ Ehe zwischen völlig unebenbürtigen Partnern schloss die übliche Erbberechtigung für Gemahlin und Kinder aus (deshalb übereignete Albrecht seiner Agnes einen Bauernhof in Niedermenzing als Absicherung); mögliche Nachkommen hätten den Herzogsstuhl Bayern-München also keinesfalls übernehmen dürfen.

       Blamage beim Turnier

      Die eigentliche Gefahr lag woanders: Die Bindung an eine derart unmögliche Partnerin – sei es nun eine Gattin oder eine Geliebte – führte ja dazu, dass sich der bereits dreiunddreißigjährige Herzogssohn mit keiner Fürstentochter verehelichen konnte. Was sämtliche politischen Strategien durcheinander brachte und die bayerische Führungsschicht – Ratsherren, Beamte, Patrizier – derart verärgerte, dass Albrecht 1434 auf einem Turnier in Regensburg „angegriffen und geschlagen“ wurde. So formuliert es der Geschichtsschreiber Andreas; es bleibt offen, ob es sich um einen tätlichen Angriff von Standesgenossen handelte oder um den Ausschluss vom Turnier, wie ihn die „Stechordnungen“ für Ritter mit einem offen unmoralischen Lebenswandel vorsahen.

      Beides war jedenfalls eine fürchterliche Blamage für das Herrscherhaus. Herzog Ernst hielt seinem Sohn eine gewaltige Standpauke und entzog ihm die Verwaltungsaufgaben in der Straubinger Nebenresidenz, wo er bisher tätig gewesen war. Urkunden und Briefe mit Albrechts Siegel stammen in der nächsten Zeit nur mehr aus dem Grafenschloss in Vohburg, wo er jetzt mit der schönen Agnes lebte. Doch Albrecht dachte nicht daran, sich von der „Badhur“, wie man sie boshaft nannte, zu trennen. Er hatte immer schon seinen eigenen Kopf gehabt und war bemüht gewesen, ein eigenes politisches Profil gegenüber dem sehr konservativen Vater zu gewinnen.

      Um das Problem endgültig zu lösen, ließen sich Herzog Ernst und die höfische Elite eine teuflische List einfallen: Als Albrecht gerade in Landshut weilte und Agnes in Straubing, wurde sie verhaftet und vor dem herzoglichen Gericht in einem Eilverfahren der Zauberei und des versuchten Giftmords an Herzog Ernst angeklagt. Das Urteil stand von vornherein fest, die Zeugen sagten aus, was die Richter hören wollten. Entscheidend war aber