ablösen. Bisher enthalten die jeweiligen Verordnungen hierzu Bestimmungen, wobei zu unterscheiden ist zwischen dem Inkrafttreten, der Geltung und der intertemporalen Anwendbarkeit. Das Inkrafttreten bezieht sich auf die Wirksamkeit als Norm; soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist (zB in Art. 29 S. 1 Rom I-VO), tritt eine Verordnung am Tag nach der Veröffentlichung im ABl. EU in Kraft. Die Geltung ist regelmäßig in einer Schlussbestimmung hinausgeschoben, insbesondere um den Mitgliedstaaten Zeit für Durchführungsbestimmungen und/oder die Schaffung notwendiger behördlicher Strukturen zu geben (Art. 29 S. 2 Rom I-VO, Art. 32 Rom II-VO, Art. 21 S. 2 Rom III-VO; Art. 76 EG-UntVO; Art. 84 Abs. 2 EU-ErbVO; Art. 70 Abs. 2 UAbs. 2 EU-EheGüterVO; Art. 70 Abs. 2 UAbs. 2 EU-ELPGüterVO). Die intertemporale Frage regeln hingegen Bestimmungen, die als „Übergangsbestimmungen“ oder „Zeitliche Anwendbarkeit“ überschrieben sind. Die Rom I-VO gilt nur für Verträge, die seit dem 17.12.2009 geschlossen wurden (Art. 28 Rom I-VO); die Rom II-VO gilt für „schadensbegrün-dende“[83] Ereignisse, die seit dem 11.1.2009 eintreten (ungenau Art. 31, 32 Rom II-VO). Die EU-ErbVO gilt für Erbfälle, die seit dem 17.8.2015 eintreten (Art. 83 EU-ErbVO). Art. 75 Abs. 1 EG-UntVO (ab 18.6.2010) und Art. 18 Abs. 1 Rom III-VO (ab 21.6.2012) stellen grundsätzlich auf die Verfahrenseinleitung ab, so dass in am Stichtag anhängigen Fällen altes IPR anwendbar bleibt. Die EU-EheGüterVO und die EU-ELPGüterVO gelten mit Ausnahme einer Rechtswahl nur für Ehen bzw ELPen, die ab[84] dem 29.1.2019 (Art. 69 Abs. 3 EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO) geschlossen wurden.
419
Deutsche Ehegatten schließen in 2011 einen Ehevertrag, in dem sie deutsches Recht als Scheidungsstatut vereinbaren. Anfang 2012 nehmen sie gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat. Wird Scheidungsantrag vor dem 21.6.2012 bei Gericht eingereicht, so ist diese Rechtswahlvereinbarung vor den zuständigen (Art. 3 Abs. 1 lit. a Str. 1 Brüssel IIa-VO) Gerichten des neuen Aufenthaltsstaates nur gültig, wenn das bisherige dortige IPR die Rechtswahl erlaubt; der ungenau formulierte Art. 18 Abs. 2 Rom III-VO gilt nicht für eine Rechtswahl in Altverfahren. Wurde der Scheidungsantrag ab dem 21.6.2012 anhängig, so erstarkt die bereits vorher geschlossene Rechtswahlvereinbarung, da sie Art. 7 Abs. 1 Rom III-VO (Schriftform) sowie zusätzlich der im deutschen Recht (Art. 7 Abs. 2 Rom III-VO) bestimmten Form des Ehevertrages (Art. 46d Abs. 1) genügt und Art. 18 Abs. 2 Rom III-VO insoweit eine Ausnahme vom Grundsatz der Geltung ab Verfahrenseinleitung macht.
1. Grundregel
420
a) Am 1.9.1986 ist neues IPR (Art. 3 ff) in Kraft getreten. Art. 220 regelt, welches internationale Privatrecht intertemporal anzuwenden ist. Art. 220 Abs. 1 enthält den im deutschen Recht üblichen intertemporalen Grundsatz, dass auf vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossene Vorgänge das bisherige Recht anzuwenden ist. Diese Regelung ist Ausdruck des Vertrauensschutzes. Die Gesetzesänderung soll nicht in Sachverhalte eingreifen, die bereits zu Rechtsfolgen geführt haben.
421
b) Da es sich um die Inkraftsetzung von neuem IPR handelte, ist umstritten, wann ein Vorgang im Rechtssinne abgeschlossen ist. Der BGH hält einen Vorgang schon für abgeschlossen, wenn er unwandelbar angeknüpft ist; die im Schrifttum herrschende Meinung[85] verlangt dagegen, dass bereits materielle Rechtsfolgen im konkreten Fall eingetreten sind, weil die bloß theoretische Anknüpfung an ein bestimmtes Recht noch keine rechtliche Auswirkung hat, in die Vertrauen bestehen könnte. Besonders deutlich wird dies bei Verfahren, die den familienrechtlichen Status umgestalten, insbesondere bei Scheidungsverfahren, für die der BGH auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, die Gegenansicht auf den Zeitpunkt der – materiellen – Auflösung der Ehe abstellt.[86] Die Ansicht des BGH hat freilich den Vorteil, dass im Scheidungsverfahren das Scheidungsstatut nicht mehr wechseln konnte.
422
c) In vielen Fällen ist die Abgeschlossenheit unproblematisch: Erbfälle sind mit dem Tod des Erblassers abgeschlossen – nach § 1922 BGB treten ohne Gestaltung Rechtsfolgen ein; entsprechend entscheidet nun auch Art. 83 EU-ErbVO. Abstammungsfragen mit der Geburt – es wird nur festgestellt, aber nicht umgestaltet, wer Vater und Mutter sind; Schuldverträge (außer Dauerschuldverhältnisse) mit ihrem Abschluss – weil dieser Rechtsfolgen hervorbringt.
Literatur:
Dörner Brautkindlegitimation – Anknüpfung und intertemporales Kollisionsrecht, IPRax 1988, 222, 224; Rauscher Neues Scheidungsstatut in schwebenden Scheidungsverfahren, IPRax 1987, 137; ders. Regelwidriger Versorgungsausgleich (Art. 17 III 2 EGBGB) und Abgeschlossenheit (Art. 220 I EGBGB), IPRax 1989, 224; Hepting Was sind abgeschlossene Vorgänge im Sinne des Art. 220 Abs. 1 EGBGB?, StAZ 1987, 188 ff.
2. Dauerschuldverhältnisse
423
a) Auf vertragliche Dauerschuldverhältnisse wendet die hM Art. 220 Abs. 1 an, stellt also auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab. Dabei bleibt es den Vertragsparteien immer unbenommen, nach neuem IPR eine Rechtswahl zu treffen (Art. 27 Abs. 2 aF). Ebenso entscheidet Art. 29 Rom I-VO.
424
b) Das Bundesarbeitsgericht[87] wendet dagegen den Rechtsgedanken des Art. 220 Abs. 2 entsprechend an und unterstellt vertragliche Dauerschuldverhältnisse ab dem Inkrafttreten des IPRG neuem Kollisionsrecht, knüpft also die Wirkungen des Vertrages nach dem 1.9.1986 neu an. Dem ist entgegenzuhalten, dass auch bei Dauerschuldverhältnissen die Vertragsparteien auf das bei Vertragsschluss bestimmte Vertragsstatut vertrauen und deshalb nur im Einverständnis ein neues Vertragsstatut eintreten sollte.
3. Familienrechtliche Rechtsverhältnisse
425
Für familienrechtliche Rechtsverhältnisse bestimmt Art. 220 Abs. 2 eine Ausnahme: Ihre Wirkungen unterliegen vom Stichtag 1.9.1986 an dem neuen IPR.
426
Dagegen wird der nach früherem Recht erlangte familienrechtliche Status nicht von dem dadurch möglicherweise eintretenden Statutenwechsel berührt; Ehen und Kindschaftsverhältnisse bleiben – selbstverständlich – bestehen.
4. Ehegüterrecht
427
Für das Ehegüterrecht hat der Gesetzgeber in Art. 220 Abs. 3 eine sehr komplizierte Übergangsregelung geschaffen, die Vertrauensschutz gewähren soll, aber verfassungsrechtlich bedenklich ist (dazu unten Rn 802 ff).
III. Innerdeutsches Kollisionsrecht, Einigungsvertrag
428
1. Bis zum 2.10.1990 wendeten Gerichte der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zur DDR nicht die Bestimmungen des IPR an, da die DDR staatsrechtlich nicht Ausland war. Es wurden vielmehr aus den Grundsätzen des IPR entsprechende innerdeutsche Kollisionsregeln entwickelt, wobei an die Stelle der Staatsangehörigkeit der gewöhnliche Aufenthalt in einem der beiden deutschen Staaten trat.
429
Die DDR wendete hingegen das Rechtsanwendungsgesetz v. 5.12.1975[88] auch im Verhältnis zur Bundesrepublik, die sie als Ausland betrachtete, an.
430
2. Durch den Einigungsvertrag ist eine