im Beitrittsgebiet in Kraft gesetzt. Eine Besonderheit dieses Vorgangs besteht darin, dass er nur aus Sicht des Beitrittsgebiets als intertemporale Frage anzusehen ist; aus Sicht des bisherigen Bundesgebiets liegt dagegen keinerlei Rechtsänderung vor. Art. 230 bis 236 bestimmen (mit zahlreichen späteren Änderungen, die vor allem die Sachen- und Schuldrechtsbereinigung betreffen) Übergangsregelungen, die den intertemporalen Vorgang aus Sicht der ehemaligen DDR/des Beitrittsgebietes behandeln, dabei aber nicht berücksichtigen, dass sich das EGBGB an alle deutschen Gerichte wendet, also auch an jene in den alten Bundesländern, für die vom 2.10. zum 3.10.1990 keine Rechtsänderung erfolgte.
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3. Die inzwischen ganz herrschende Ansicht ordnet deshalb jeden Sachverhalt, der eine Übergangsfrage im „innerdeutschen“ Verhältnis betrifft, zunächst einem der beiden ehemaligen Teile zu. Nur wenn der Sachverhalt vor dem 2.10.1990 der DDR zugeordnet war, wird er als Übergangsfall nach Art. 230 ff behandelt. Maßstab für diese Zuordnung ist das vor dem 3.10.1990 angewendete innerdeutsche Kollisionsrecht (vgl Rn 428).
Ist 1989 in Leipzig ein vietnamesischer Staatsangehöriger verstorben, der dort und in Düsseldorf je ein Bankguthaben hatte, so ist schon fraglich, welches IPR anzuwenden ist. Art. 236 § 1 behandelt den Übergang zum 3.10.1990 wortgleich mit dem für das Inkrafttreten des IPRG am 1.9.1986 geschaffenen Art. 220 Abs. 1. Das „bisherige IPR“ ist nur aus Sicht des Beitrittsgebietes ein anderes IPR als das „neue IPR“, weil dort bis 2.10.1990 das Rechtsanwendungsgesetz galt. Also muss zunächst festgestellt werden, ob es sich um einen „DDR-Altfall“ handelt. Zwar hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der DDR. Bis zum 2.10.1990 hätten bundesdeutsche Nachlassgerichte aber eine Zuständigkeit zur Erteilung eines Erbscheins nach § 2369 BGB für den Nachlass im Bundesgebiet gehabt und zur Bestimmung des Erbstatuts Art. 25 Abs. 1 (idF 1986) angewendet; daran soll sich nichts ändern, nur weil der Erbschein – zufällig – erst nach dem 3.10.1990 beantragt wird. Dasselbe gilt für den beweglichen Nachlass in der ehemaligen DDR; insoweit ist das dortige und nach Art. 236 § 1 intertemporal das bisherige IPR anzuwenden, also § 25 Abs. 1 RAG.
Literatur:
Dörner Das deutsche Interlokale Privatrecht nach dem Einigungsvertrag, FS W. Lorenz (1991) 321; Staudinger/Rauscher (2016) Art. 230 EGBGB Rn 45-89.
Teil II Allgemeine Lehren des IPR › § 3 Verweisung › E. Statutenwechsel und Anknüpfungszeitpunkt
I. Begriff Statutenwechsel
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1. Als Statutenwechsel werden unterschiedliche Phänomene bezeichnet.
Im engeren Sinn bedeutet er eine Veränderung der für das jeweilige Rechtsverhältnis maßgeblichen Rechtsordnung durch Änderung der anknüpfungsrelevanten Tatsachen bei gleichbleibenden Rechtsnormen.
Nach Art. 14 Abs. 1 Nr 2 ist in einer gemischtnationalen Ehe Ehewirkungsstatut das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts. Leben die Ehegatten zunächst in Frankreich und ziehen dann gemeinsam nach Deutschland um, so ändert sich die anknüpfungsrelevante Tatsache ihres gewöhnlichen Aufenthalts. Damit ändert sich das für ihre Ehewirkungen maßgebliche Recht, ohne dass in irgendeiner Rechtsordnung eine Rechtsvorschrift geändert würde. Zuerst war französisches Recht anwendbar, nun ist es deutsches.
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2. In einem weiteren Sinn wird aber auch der Wechsel des anwendbaren Rechts, der auf einer Rechtsänderung im eigenen oder ausländischen IPR beruht, als Statutenwechsel bezeichnet.
Verschiedennationale Ehegatten leben seit ihrer Eheschließung (1960) in Deutschland. Bis 8.4.1983 haben sie ein englisches Ehegüterstatut, weil der Ehemann Brite mit letztem britischen gewöhnlichem Aufenthalt in London (Unteranknüpfung an die Teilrechtsordnung von England) ist (Art. 220 Abs. 3 S. 1 Nr 3), ab 9.4.1983 haben sie ein deutsches Ehegüterstatut nach Art. 220 Abs. 3 S. 2, 3 (vgl Rn 427). Grund des Statutenwechsels ist, dass das deutsche IPR bei unveränderten tatsächlichen Verhältnissen auf ein anderes Anknüpfungskriterium abstellt.
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3. Gegen den Statutenwechsel abzugrenzen ist die materielle Rechtsänderung im maßgeblichen Recht.
Ein deutsches Ehepaar lebt seit Eheschließung (1955) in Deutschland. Im Jahr 1957 tritt der Güterstand der Zugewinngemeinschaft in Kraft. Hier hat nicht die anzuwendende Rechtsordnung (das „Statut“) gewechselt, sondern der Inhalt dieser Rechtsordnung. Ob das neue Recht anwendbar ist, ist eine intertemporale Frage im materiellen Recht.
II. Einfluss des Anknüpfungszeitpunktes, Wandelbarkeit, Unwandelbarkeit
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1. Jede Verweisungsnorm enthält außer dem Anknüpfungskriterium auch eine Bestimmung über den Zeitpunkt, in dem dieses Anknüpfungskriterium mit den tatsächlichen Verhältnissen („anknüpfungsrelevante Tatsachen“) ausgefüllt wird.
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2. Ist der Zeitpunkt auf ein bestimmtes Ereignis festgelegt, so heißt die Anknüpfung unwandelbar. Vorherige und spätere Änderungen der anknüpfungsrelevanten Tatsachen haben keinen Einfluss auf das Statut.
Nach Art. 15 Abs. 1 unterliegen die güterrechtlichen Verhältnisse dem Recht, das im Zeitpunkt der Eheschließung für die allgemeinen Ehewirkungen (Verweisung auf Art. 14) maßgebend ist. Anknüpfungszeitpunkt ist der Moment der Eheschließung. Die relevanten Tatsachen sind die in Art. 14 genannten: Haben die Ehegatten bei Eheschließung keine gemeinsame Staatsangehörigkeit und leben sie beide in Deutschland, so ist deutsches Recht Ehegüterstatut; dabei bleibt es – unwandelbar – auch wenn die Ehegatten beide Österreicher werden oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Polen verlegen.
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Unwandelbar sind auch Anknüpfungen, die zunächst nur latent vorhanden sind, sich aber in einem bestimmten Zeitpunkt konkretisieren und dann nicht mehr von einer Änderung der Verhältnisse betroffen sind.
Jeder Mensch hat theoretisch zu jedem Zeitpunkt seines Lebens ein Erbstatut, das aber nur materielle Wirkungen hervorbringt, wenn es in einem Zeitpunkt aktualisiert wird. Das kann auch vor dem Tod sein (Art. 26 Abs. 5 S. 1 aF bzw. Art. 24 Abs. 1 EU-ErbVO), wenn er zu dieser Zeit letztwillig verfügt. Beerbt wird er jedoch nach dem Recht, das im Zeitpunkt seines Todes berufen ist (Art. 25 Abs. 1 aF bzw. Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO).
Jede Ehe hat theoretisch seit der Eheschließung ein Scheidungsstatut (würde Scheidungsantrag gestellt, müsste das Gericht eine maßgebliche Rechtsordnung bestimmen). Aktualisiert und nach Art. 17 Abs. 1 S. 1 aF im selben Moment unwandelbar festgelegt wird das Scheidungsstatut jedoch im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags (§ 124 S. 1 FamFG: Einreichung der Antragsschrift). Gleiches gilt für Art. 8 Rom III-VO (Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts).
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3. Ist der Zeitpunkt dagegen nicht auf ein Ereignis festgelegt, so führt jede Änderung der anknüpfungsrelevanten Tatsachen zu einer Neubestimmung des Statuts. Diese Situation kann sich nur bei Dauerrechtsverhältnissen ergeben.
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