Thomas Rauscher

Internationales Privatrecht


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Ist die Verweisung in Mehrrechtsstaaten durch Kollisionsnormen im EU-Recht eine Sachnormverweisung (Rn 391 ff), so interessiert gespaltenes IPR nicht. In Anwendung von Art. 34 EU-ErbVO muss dagegen bei Mehrrechtsstaaten, wie im deutschen IPR, ein maßgebliches IPR eines Teilgebiets des verwiesenen Staates ermittelt werden. Da es dem EuIPR an einer einheitlichen Kodifikation mit einem allgemeinen Teil des IPR mangelt, enthält jede einzelne Verordnung Bestimmungen zur Unteranknüpfung (Art. 22 Rom I-VO, Art. 25 Rom II-VO, Art. 14 ff Rom III-VO, Art. 15 EG-UntVO iVm Art. 15 ff HUntStProt 2007; Art. 36, 37 EU-ErbVO; Art. 33, 34 EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO).

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      2. Bei interlokaler Spaltung wird jede Teil-Jurisdiktion wie ein eigenständiger Staat behandelt (Art. 22 Abs. 1 Rom I-VO, Art. 25 Abs. 1 Rom II-VO, Art. 14 Rom III-VO). Räumliche Bezugnahmen führen ohne weiteres in eine Teilrechtsordnung. Interlokales Recht der verwiesenen Rechtsordnung spielt keine Rolle. Anders verfahren Art. 15 EG-UntVO iVm Art. 16 Abs. 2 HUntStProt 2007, Art. 36 Abs. 1 EU-ErbVO und Art. 33 Abs. 1 EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO: Dort bestimmt primär das interlokale Recht des verwiesenen Staates; nur bei Ermangelung eines einheitlichen interlokalen Rechts weist räumliche Bezugnahme der Kollisionsnorm unmittelbar in eine Teilrechtsordnung.

      Bezugnahmen einer Kollisionsnorm auf die Staatsangehörigkeit sind in Art. 14 lit. c Rom III-VO, Art. 15 EG-UntVO iVm Art. 16 Abs. 1 lit. d, e HUntStProt 2007, Art. 36 Abs. 1, Abs. 2 lit. b EU-ErbVO und Art. 33 Abs. 1 lit. b EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO behandelt: Sie werden über das interlokale Recht des verwiesenen Staates auf die Teilrechtsordnungen verteilt; fehlt eine interlokale Regelung, so ist die engste Verbindung maßgeblich. Soweit eine Rechtswahlbefugnis besteht (Rom III-VO und EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO), ist auch die unmittelbare Wahl einer Teilrechtsordnung zuzulassen.

      Haben deutsche Ehegatten, die in London leben, als Scheidungsstatut „das Recht des Vereinigten Königreichs“ vereinbart (wählbar nach Art. 5 Abs. 1 lit. a Rom III-VO) und leben sie bei Antragstellung in Deutschland, so wird mangels interlokaler Regelungen im Recht des UK auf die engste Verbindung abgestellt, die hier zum englischen Recht besteht. Besser beraten hätten sie sogleich englisches Recht wählen können.

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      3. Mit interpersonaler Spaltung befassen sich Art. 15 Rom III-VO, Art. 15 EG-UntVO iVm Art. 17 HUntStProt 2007, Art. 37 EU-ErbVO und Art. 34 EU-EheGüterVO/EU-ELPGüterVO: Nach allen Normen bestimmt vorrangig das interne Kollisionsrecht der verwiesenen Rechtsordnung; bei Fehlen entscheidet jeweils die engste Verbindung. In Art. 17 HUntStProt 2007 ist dies nicht ausdrücklich bestimmt, sollte aber im Wege einer Gesamtanalogie ebenso gehandhabt werden. Bei interpersonaler Spaltung kann die jeweils auf Rechtsordnungen bestimmter Staaten eingeschränkte Rechtswahlbefugnis nicht auf eine interpersonale Rechtsordnung bezogen werden.

      Haben ägyptische Ehegatten, der Ehemann sunnitischer Muslim, die Ehefrau koptische Christin, ägyptisches Recht als Scheidungsstatut gewählt (zulässig nach Art. 5 Abs. 1 lit. c Rom III-VO; beachte: die Rom III-VO ist loi uniforme gemäß Art. 4 Rom III-VO, ein Bezug zu einem anderen teilnehmenden Mitgliedstaat also nicht erforderlich), so ist die Ehe gemäß dem internen ägyptischen Kollisionsrecht nach sunnitisch-islamischem Recht zu scheiden. Den Ehegatten ist es nach Art. 15 Rom III-VO nicht möglich, eine andere interne Rechtsordnung Ägyptens zu wählen.

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      Teil II Allgemeine Lehren des IPR§ 3 Verweisung › D. Intertemporale Kollisionen

D. Intertemporale Kollisionen

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      1. Intertemporale Kollisionen (Rn 16 ff) können an jeder Stelle der Verweisung auftreten. Die Ablösung von altem durch neues Recht kann im deutschen und im ausländischen IPR sowie in der schließlich anwendbaren materiellen Rechtsordnung zu irgendeinem Zeitpunkt seit dem Beginn des Sachverhalts, betrachtet als natürlicher Lebensvorgang, erfolgt sein.

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      2. Für die intertemporale Frage (ist altes oder neues Recht anzuwenden?) kommt Art. 4 Abs. 3 nicht unmittelbar zur Anwendung, da mit „Teilrechtsordnung“ nicht aufeinanderfolgende, in einem einheitlichen Rechtsgebiet geltende Regelungen gemeint sind. Das Grundprinzip zur Lösung ähnelt jedoch der Idee des Art. 4 Abs. 3: Es entscheidet die Rechtsordnung, in der die Reform des Rechts stattgefunden hat, welche Sachverhalte von der Reform erfasst sind.

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      3. Theoretisch führt dieses Prinzip immer zum Ziel, denn jede Rechtsordnung muss wissen, ob sie auf einen bestimmten Sachverhalt noch das alte oder schon das neue Recht anwendet. Die Schwierigkeit intertemporaler Fälle liegt im Tatsächlichen: Viele Gesetzgeber sehen keine ausdrücklichen intertemporalen Regelungen vor oder begnügen sich mit der Kodifikation des Grundsatzes, dass Gesetze nicht zurückwirken. Nicht-Rückwirkung ist aber die Kehrseite von Abgeschlossenheit: Ist ein Fall abgeschlossen, so wäre die Anwendung neuen Rechts Rückwirkung. Das intertemporale Problem wird also durch das Rückwirkungsverbot nur umformuliert.

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      Im deutschen Recht herrscht der Grundsatz, dass ein Erbfall abgeschlossen ist mit seinem Eintritt durch den Tod des Erblassers (vgl Art. 220 Abs. 1, Art. 235 § 1). Im russischen Recht galt anlässlich einiger Reformen im 20. Jahrhundert ein Erbfall dagegen erst als abgeschlossen, wenn die gerichtliche Nachlassabwicklung stattgefunden hat.

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      Die Vielfalt möglicher intertemporaler Gestaltungen lässt sich an den Übergangsbestimmungen zu zwei umfangreichen deutschen Rechtsreformen, dem Gesetz zur Neuregelung des IPR von 1986 und der Überleitung des Bundesrechts auf das Beitrittsgebiet im Einigungsvertrag von 1990, betrachten (Rn 420 ff, 428 ff).

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