a) Potentielle Untreuestrafbarkeit auf der Nehmerseite
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In aller Regel missbraucht der zur Vermögensbetreuung Verpflichtete durch die Vereinbarung einer Kick-Back-Leistung seine Vertretungsmacht im Innenverhältnis zum Treugeber. Weil zumeist ein kollusives Zusammenwirken bzw. ein evidenter Missbrauch vorliegt, bindet das Verhalten den Geschäftsherrn nicht im Außenverhältnis, sodass allein die Tatbestandsvariante der Treubruchuntreue in Betracht kommt.[48]
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Das Verhalten stellt eine Pflichtwidrigkeit dar, da es – das mangelnde Einverständnis des Vermögensinhabers vorausgesetzt – diesem die Möglichkeit nimmt, ein günstigeres Geschäft abzuschließen.[49] Das schädigende Verhalten kann entweder darin gesehen werden, dass der Treupflichtige die konkrete, sichere Möglichkeit eines günstigeren Vertrags hat verstreichen lassen (= Unterlassen), oder darin, dass er durch den Vertragsabschluss (= aktives Tun) eine Anwartschaft des Geschäftsherrn auf vorteilhaftere Konditionen oder ein mögliches, günstigeres Geschäft vereitelt.[50] Indessen handelt es sich bei der unterlassenen Abführung der Schmiergelder an den Geschäftsherrn um keine strafbewehrte Handlung i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB. Die Herausgabepflicht (§§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB) besteht allein auf schuldrechtlicher Ebene.[51]
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Der Schaden des Geschäftsherrn liegt in der Zahlung eines überhöhten Preises bzw. (bei wirksamen, noch nicht vollzogenen Verträgen) in der Verpflichtung, dies zu tun, sofern dadurch eine Diskrepanz zwischen Leistung und Gegenleistung auftritt.[52] Wenn ein entsprechender Wertunterschied nicht besteht, kommt es für die Annahme eines Schadens darauf an, ob der das Schmiergeld Zahlende zuvor bereit war, seine Leistung auch zu einem um das Schmiergeld gekürzten Preis zu erbringen. Eine solche Exspektanz begründet die Annahme, dass der Geschäftsherr ein günstigeres Geschäft hätte abschließen können.[53] In der Praxis entstehen in diesem Zusammenhang oftmals Beweisschwierigkeiten. Die Rechtsprechung wirkt diesen entgegen, indem sie prinzipiell von einer günstigeren Preiskalkulation ohne die Schmiergeldzahlung ausgeht. Diese Form der „Beweislastumkehr“[54] wird allein unter der Voraussetzung nicht angenommen, dass Umstände erkennbar sind, die nicht unbedingt darauf hindeuten, dass die Leistungen in die Kalkulation zu Lasten des Geschäftsherrn eingestellt worden seien.[55]
b) Potentielle Untreuestrafbarkeit auf der Geberseite
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Auch aus der Perspektive desjenigen, der eine Kick-Back-Zahlung leistet (Geberseite) kommt eine Untreuestrafbarkeit in Betracht. Die Rechtsprechung knüpft dabei in aller Regel an das Unterhalten von „Schmiergeldkassen“ an. Dem liegt zum einen die Erwägung zugrunde, dass die Zahlung für sich genommen nicht selten vom Einverständnis des Geschäftsherrn gedeckt ist, der auf diese Weise einen lukrativen Auftrag erlangt. Zum anderen kann es nach der Gesamtsaldierung an einem Schaden fehlen, weil die Vermögenseinbuße letztlich für einen Gewinn aufgewendet wird.[56]
I. Allgemeines
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Die Regelung der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen wurde durch Art. 1 Nr. 3 des Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 13.8.1997 in das Strafgesetzbuch aufgenommen.[57] Ein Blick auf die Statistik lässt § 298 StGB in der Praxis angesichts geringer Fallzahlen eher unbedeutend erscheinen. Doch kann von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden.[58] Vor dem Inkrafttreten des § 298 StGB wurden diese Fälle im Rahmen des § 263 StGB erfasst. Der Gesetzgeber begründete die Gesetzesänderung mit den nicht selten auftretenden Beweisschwierigkeiten bei der Schadensermittlung in Bezug auf § 263 StGB. Auch wurde mit der Notwendigkeit argumentiert, das Unrechtsbewusstsein in der Bevölkerung in Bezug auf solche Verhaltensweisen zu erhöhen, um generalpräventive Effekte in Bezug auf Korruptionstaten zu erzielen.[59] § 298 StGB schützt den freien Wettbewerb.[60] Dieser steht sowohl in Abhängigkeit von gesetzlichen Vorgaben insbesondere des GWB als auch von seiner gesellschaftlichen Bedeutung.[61] Vor allem Letztere trägt eine gewisse Dynamik in die Reichweite des Schutzinteresses von § 298 StGB hinein. Neben dem Wettbewerb (oder vermittelt durch ihn) schützt § 298 StGB Individualinteressen.[62] Weil es für die Strafbarkeit nicht auf den Eintritt eines Vermögensschadens ankommt,[63] handelt es sich bei der Vorschrift um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.[64]
II. Tatbestand des § 298 StGB
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Gem. § 298 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer bei einer Ausschreibung über Waren oder Dienstleistungen ein Angebot abgibt, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen. Bei einer Ausschreibung nach § 298 Abs. 1 StGB handelt es sich um ein Verfahren, bei dem der Veranstalter Angebote für die Erbringung von bestimmten Leistungen oder für die Lieferung bestimmter Waren bei einer Mehrzahl von Anbietern einholt.[65] Eine Ausschreibung kann sowohl als öffentliches Verfahren (unbeschränkte Zahl von Anbietern) als auch als beschränktes Verfahren (beschränkte Zahl von Anbietern) stattfinden.[66] Als von § 298 StGB erfasste Vergabeverfahren sind die öffentliche Ausschreibung bzw. das offene Verfahren, die beschränkte Ausschreibung bzw. das nichtoffene Verfahren ebenso wie das Verhandlungsverfahren bzw. die freihändige Vergabe zu nennen. Nach § 298 Abs. 2 StGB steht der Ausschreibung die freihändige Vergabe eines Auftrages nach vorausgegangenem Teilnahmewettbewerb gleich.
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Hauptanwendungsbereich des § 298 StGB sind Vergabeverfahren aus öffentlicher Hand, die den Vorschriften der VOB/A, VOL/A und der Vergabeordnung unterliegen.[67] Doch auch Private können sich nach § 298 StGB strafbar machen. Zwar sind diese Personen nicht an die VOB/A, VOL/A oder die Vergabeordnung gebunden. Sofern das private Vergabeverfahren aber ähnlich ausgestaltet ist, unterfällt es ebenfalls der Vorschrift des § 298 StGB.[68] Öffentliche Auftraggeber müssen prinzipiell ein öffentliches Verfahren wählen, sofern nicht der durch § 113 GWB bestimmte Schwellenwert unterschritten wird.[69]
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Die Ausschreibung muss sich auf Waren oder Leistungen beziehen. Waren sind sämtliche Objekte, die als Gegenstand des Geschäftsverkehrs veräußert oder übertragen werden können.[70] Dies schließt nicht nur bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Rechte ein, sondern auch nicht körperliche Gegenstände wie das „know how“ und den „good will“ des Anbieters.[71] „Leistungen“ können im Rahmen des Geschäftsverkehrs im unternehmerischen, freiberuflichen sowie dem Bereich des privatwirtschaftlich tätigen Staates erbracht werden.[72]
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Das der Ausschreibung folgende Angebot muss die Verfahrensregeln einhalten. Informelle Bemühungen zur Auftragserlangung sind mithin zumindest von § 298 StGB nicht erfasst, können aber eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 263, 331 ff. StGB begründen.[73] Bei einem Angebot i.S.d. § 298 StGB handelt es sich um eine eindeutige Erklärung in Bezug auf die gebotene Leistung und den dafür veranschlagten Preis.[74] Auch formelle Anforderungen wie etwa das Vorliegen einer Unterschrift müssen gewahrt sein.[75] Abgegeben ist ein Angebot, sofern es dem Veranstalter zugegangen ist und zeitgemäß innerhalb der Ausschreibung berücksichtigt werden kann. Es genügt daher nicht entsprechend zivilrechtlichen Vorschriften, dass das Angebot mit Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht wird. Auf eine Kenntnisnahme oder Annahme durch den Veranstalter kommt es jedoch nicht an.[76] Der BGH hält selbst eine verspätete Abgabe für grundsätzlich ausreichend.[77]
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Das abgegebene Angebot muss auf einer Absprache beruhen. Ein Beruhen kann bei bloßer Mitursächlichkeit i.S.d. allgemeinen Kausalitätsregeln angenommen werden.[78] Die Absprache setzt keine vertragliche Abrede voraus, zumindest aber ein abgestimmtes