soll das Glück oder die Not eines deutschen Bundesbürgers unter Menschenrechtsaspekten höher gewichtet werden als das einer Chinesin oder eines Polynesiers?
●Wie wird im gesellschaftlichen System eine Resonanz auf die Veränderungen der natürlichen Umwelt erzeugt, und wie erreicht diese Stimulanz das Teilsystem Soziale Arbeit und seine Adressaten? Die Resonanzfähigkeit der Gesellschaft ist mit der Art und Weise verbunden, wie sie Informationen filtert, verarbeitet und als Basis zur Entscheidungsfindung nutzt. Zu diesen Themen quer liegt die Differenzierung der gesellschaftlichen Systeme wie Wirtschaft, Recht, Bildung, Soziale Arbeit, Medizin. Die zentrale Frage bezieht sich auf die Repräsentation des Gesamtsystems, da Klimakatastrophen und ökologische Veränderungen das Gesamtsystem infrage stellen und eben nicht nur Teilsysteme betreffen. Diese wiederum sind aber in der differenzierten Gesellschaft Ansprechpartner und (Mit-)Gestalter von Lösungspfaden. | |
Die ökologischen Herausforderungen radikalisieren weitere Fragen: | |
1.Wie kann in einer differenzierten Gesellschaft, die von der Rationalität von Teilsystemen abhängig ist, schnell eine koordinierte Strategie gefunden werden, die sowohl die Folgen der Klimakatastrophe in den Blick nimmt als auch die Handlungen anderer Gesellschaften weltweit? Die Vorstellung, die Aufgaben der Gesamtrepräsentation an das politische System delegieren zu wollen, ist nachvollziehbar, aber in sich widersprüchlich, da die Selbständigkeit von Wissenschaft, Wirtschaft oder Sozialer Arbeit geradezu verlangt, benötigt und von den Systemen verteidigt wird. | |
2.Wie ist auf die zu reagieren, die sich nicht einer Gesamtperspektive verpflichtet fühlen? Systemtheoretisch gesprochen: Wie sind die Beziehungen zu sozial differenten Akteuren und Systemen zu gestalten? Welche Inhalte und Formen hat die Kommunikation mit denen, die sich den demokratischen Verfahren und den daraus resultierenden Vorschlägen für einen Konsens nicht anschließen wollen?3.Wie erlangen Werte eine relevante Bedeutung, wenn sie systemspezifisch in Organisationen interpretiert und umgesetzt werden? Dabei kann beobachtet werden, dass sie zum einen als „Sonntagsreden“ genutzt werden und zum anderen unausgesprochen im alltäglichen Vollzug der Entscheidungsfindung und Entscheidungsbegründung von Arbeitsabläufen stecken. Die typischen Kosten für die ethische Problemstellung liegen dort, wo berechtigte Interessen von Betroffenen in Organisationen nicht wahrgenommen oder bewusst ausgeblendet werden (Baecker 2018). | |
Wenn Umweltethik synonym mit Moral gesetzt wird, besteht die Gefahr, dass sowohl das Reflexionspotenzial der Ethik nicht genutzt wird als auch Ethik zu einer Ansammlung von Forderungen wird („Moralpredigt“). Erfahrungsgemäß treffen Forderungen dann auf andere Forderungen – Konflikte entstehen und Zeit vergeht. Der Schutz der Lebensgrundlagen gerät auf praktischer (finanzieller usw.) Ebene in eine konkurrierende Situation zu sozialen Ansprüchen, auch wenn lautstark das Gegenteil behauptet wird. Wenn Regionen die exzessive Ausbeutung der Natur aufgeben, wird der öko-soziale Wandel Gewinner, Unbeteiligte und Verlierer hervorbringen. Es gibt keine Garantie für eine Gleichverteilung von Belastungen und zu erwartenden Nutzen. | Erfordernisse ethischer Verständigung |
Mit welchen Qualitäten und Inhalten kann die Soziale Arbeit ihren Forderungen und Ansprüchen Legitimität verleihen? Die Soziale Arbeit arbeitet mit Beschreibungen von Not, Belastungen und Exklusionsrisiken und setzt so an der Seite der als „betroffen“ Bezeichneten an. Zu fragen ist, ob die Soziale Arbeit ihre Leistungen nicht für diejenigen zu begründen hat, die Nutzen vom angestrebten ökologischen Wandel haben. Eine Ethik, die ökologische Themen bearbeitet, wird sich aus ihrem Reflexionspotenzial heraus legitimieren und sich nicht mit der Voreinstellung auf eine Art Klagemauer abfinden. Die Frage nach der Einheit, die ermöglicht, Unterschiede und Differenzen auszuhalten und einen sozialen und konsensfähigen Weg zu finden, gerät in den Mittelpunkt der Herausforderungen. Eine ökologische Ethik setzt verschiedene berechtigte Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Überlebens in der natürlichen Umwelt miteinander in Beziehung. Der Weg über die Grenzen moralischer Empörung bzw. moralisch begründetem Anspruch hinaus bedarf einer Reflexionsebene, die sich auf die Einheit trotz Differenz bezieht. Die damit angesprochene Einheit ist auf die Zustimmung und Mitwirkung gesellschaftlicher Systeme und Personen angewiesen. Wie kann Soziale Arbeit erreichen, dass trotz der Differenzierung der sozialen Systeme und der Struktur der verschiedenen Systemebenen (z. B. in der Politik über Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europapolitik) die berechtigten Ansprüche ihrer Adressaten gehört werden? Ohne Zustimmung sind die Zentralperspektiven wie Mensch, Zukunft, Rechte ziemlich wirkungslos. Eine ökologische Ethik ist im Sinne Batesons u. a. eine, die sich selbst als Teil des sozialen und kommunikativen Zusammenhangs versteht. Die ökologischen Probleme sind internationale – der Handlungsrahmen ist national; erforderlich sind weitreichende Maßnahmen. Die konkreten Einflussmöglichkeiten sind beschränkt; die Forderungen nach einheitlichem Handeln sind plausibel – die beteiligten Akteure handeln nach ihren Interessen: In all diesen Spannungsfeldern sind Organisationen wesentliche Mittler. Die Qualität und die Ausrichtung der Binnenbeziehungen der Organisationen tragen wesentlich zum Gelingen der notwendigen Veränderungsprozesse bei. Welche Merkmale für die Binnenbeziehungen in den Organisationen der Sozialen Arbeit kennzeichnen den systemischen Ansatz? | |
Aufgrund des Zusammenhangs von Beobachter und Beobachtungsgegenstand (siehe Kap. 1.1) kommt die erste Priorität der Reflexion der eigenen Beobachtungen und Beschreibungen zu. In der systemischen Praxis werden ständig Entscheidungen vorgenommen, die einer kontinuierlichen und systematischen Reflexion bedürfen – aus dem Ansatz lässt sich für die Soziale Arbeit weder eine Opferrolle noch eine Begrenzung auf die Helferrolle ableiten. | Systemische Reflexionsangebote |
Systemisch orientierte Soziale Arbeit orientiert sich an wertebezogenen Themen. Sprachlich wird oft zwischen Moral und Ethik nicht unterschieden. In systemischer Perspektive kann Moral als eine Form der Kommunikation verstanden werden, die auf die Unterscheidung von Werten abzielt, Ethik wiederum als die Reflexion von Moral (Luhmann 1989; Foerster 1993a; Kron-Klees 1998; Krüll 1987; Rotthaus 1996, Fuchs 2004b). | Definition von Moral und Ethik |
Menschenbild | |
Eine systemtheoretische Perspektive öffnet einen differenzierten und neuen Zugang zu Vorstellungen vom Menschen. Der ‚ganze Mensch‘ besteht aus einem gleichzeitig ablaufenden Zusammenspiel mehrerer eigenständiger Systeme (organisches, psychisches, soziales System). Diese operieren verschiedenartig und miteinander verbunden. Indem die einzelnen Systeme in der Theorie zunächst als konsequent getrennt voneinander behandelt werden, werden neue Möglichkeiten der Zusammenschau eröffnet. Der einzelne Mensch kommt erst vor diesem Hintergrund zu seinem Recht, als einmaliges Beziehungsgefüge mit einer Geschichte verstanden zu werden. Gesellschaftliche Zusammenhänge wie Sprache, kulturelle Erscheinungen und gesellschaftliche Machtverhältnisse werden so nicht dem Einzelnen oder der Gesellschaft alleine aufgebürdet. Die Systemtheorie stellt auf die Relation und die Analyse dieser Beschreibung ab (siehe Kap. 2.7). Die systemische Perspektive auf den Menschen ist zusammengesetzt aus: | Zusammenwirken mehrerer Systeme |
●dem Zusammenwirken von biologischem, psychischem und sozialem System, | |
●der individuellen Geschichte aus Zugehörigkeiten und Ausgeschlossensein von sozialen Systemen und | |
●den aktuellen Verbindungen (System-Umwelt-Relationen) des Menschen in seinem sozialen Raum. | |
Systemische Vorgehensweisen basieren auf einer wertschätzenden Perspektive gegenüber allen Beteiligten. Wertschätzende Handlungen (z. B. Komplimente oder positive sprachliche Beschreibungen) sind auf eine dazu passende Haltung angewiesen. Wertschätzung meint nicht, dass Problematisches oder Kritisches schöngeredet wird. Vielmehr geht es darum, den eigensinnigen Stilen von Menschen, ihr Leben zu bewältigen, prinzipiell mit Respekt zu begegnen und zu würdigen, dass damit auch Anstrengungen und Risiken des Scheiterns verbunden sind. Wertschätzung als grundlegende Haltung von Helfern ist unabhängig vom gezeigten Verhalten der Klienten und Adressaten. Helfer können z. B. nachvollziehen, erklären und verstehen, warum biografisch belastete Eltern ihre Kinder schlagen, ohne den Eltern gegenüber für dieses Verhalten Verständnis entgegen zu bringen. Wertschätzung ist also keine Akzeptanz oder Honorierung von bisher gezeigtem Verhalten, sondern stellt die Brücke für neues Verhalten dar, wenn Klienten dadurch die Möglichkeit geboten wird, über bisherige Formen der Problemlösung hinaus zu gehen. Wertschätzung als Haltung bezieht sich auch auf die eigenen Potenziale und Kompetenzen und auf kollegiale Formen der Unterstützung. | Wertschätzung |
Als ethischer Imperativ findet die Ausrichtung an der Erweiterung
|