von Geschäftsplanungssystematiken (Business Planning) oder auch Management-Modelle wie das SGMM, die Integration der Sichtweisen erleichtert.
Weitere Ansätze für die Förderung einer integrativeren Sichtweise (z. B. im Bereich der Strategietheorie) betonen, dass es wichtig ist, die richtigen Fragen zu stellen. So erklären Nickerson und Argyres (2018), dass es für die Vermeidung von sog. Typ III Problemen notwendig ist, eine sorgfältige Problemformulierung vorzunehmen. Als Typ III Probleme wird in dieser Kategorisierung die Situation bezeichnet, wenn Lösungen für das falsche Problem entwickelt werden, d. h. wenn das eigentliche Problem gar nicht identifiziert werden konnte. Integratives Management wird durch das breite, unkonventionelle Fragen erleichtert und stimuliert.
Wichtig ist dabei auch die Arbeit in Gruppen, die möglichst divers (in innerbetrieblichem Kontext z. B. aus verschiedenen Funktionsbereichen und aus unterschiedlichen Kulturen, Geschlechtern, usw.) zusammengesetzt sind und bei denen «Groupthink» (d. h. eine zu starke Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Gruppe und insbesondere auf die Harmonie der Gruppe) vermieden wird. Es braucht den Austausch über die verschiedenen Perspektiven der einzelnen Gruppenmitglieder auf das Problem.
1.4.4 St. Galler Ansatz
Der systemische Ansatz ist für die St. Galler Managementforschung von zentraler Bedeutung (vgl. Bieger et al., 2021). Der Systemansatz und die Kybernetik (Steuerung komplexer Systeme) sind in den 1960er-Jahren, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der verstärkt aufgekommenen Suche nach integrativen Ansätzen im Rahmen der Diskussion um die Begrenzung von Ressourcen (vgl. Meadows, Meadows, Randers & Behrens, 1972) entwickelt worden. Wichtige Grundlagen stammen dabei von Beer (1959) sowie Vester (1968). In St. Gallen wurden die Ansätze von Ulrich (1968) verfolgt und von verschiedenen Forschern in unterschiedlichen Teilgebieten weiterentwickelt (z. B. Kaspar, 1996 [34] im Tourismus). Systemdenken (s. auch Luhmann, 2002) wurde auch als eigentliche neue Methode, fast als neues Paradigma (vgl. Kuhn, 1969), behandelt.
Aufbauend auf Arbeiten wie z. B. von Beer (1959) wurden Regeln für lebensfähige (und damit entwicklungsfähige) Systeme auf der Basis von kybernetischen Grundlagen entwickelt. Noch heute prägen Überlegungen und Gesetze aus dieser Forschung die Managementpraxis; so z. B. die Notwendigkeit, für das Überleben von Organisationen auf verschiedenen Systemebenen zu denken (vgl. z. B. Schwaninger, 1988). Die drei wesentlichen Management-Ebenen (Abbildung 1-7) mit ihren jeweiligen Orientierungsgrundlagen, Zielkategorien, Bezugsgrössen und Zeithorizonten sind im SGMM seit der zweiten Generation enthalten. So prägt das Systemdenken betriebswirtschaftliche Forschung und Lehre an der Universität St. Gallen. Zu erwähnen sind beispielhaft die Arbeiten von Bleicher, der das Unternehmen als soziotechnisches System beschreibt (vgl. Bleicher, 1991) oder Gomez, der einen praktischen Ansatz zur Lösung von Managementproblemen mit einem vernetzten Denken präsentierten (vgl. Probst & Gomez, 1991).
Abbildung 1-7: Integrale Planung mit Orientierungsgrundlagen, Zielkategorien, Bezugsgrössen und Zeithorizonten
Quelle: Schwaninger (1988, S. 126)
[35] Ein Resultat systemischer Ansätze ist auch Ashbys Law (Ashby, 1985). Dieses Gesetz besagt, dass ein varietätsreiches komplexes System für seine Steuerung ein Steuerungssystem benötigt, das eine ebenso grosse Varietät und Komplexität aufweist. An einem Beispiel ausgedrückt heisst das: Wenn es in einem Team in einer Entwicklungsabteilung zu Konflikten kommt, dann genügt es nicht, einfach den grössten «Rebellen» aus dem Team zu entfernen. Ein Entwicklungsteam ist ein komplexes System, in dem soziale Beziehungen mit Wissensbeziehungen, mit hierarchischen Abhängigkeiten und Projektabläufen zusammentreffen. Das System zeichnet sich durch verschiedene miteinander verbundene Ebenen aus. So ist das soziale System stark beeinflusst durch die für Projektabläufe notwendigen Interaktionen und diese wiederum durch das hierarchische System. Eine geeignete Intervention im Konfliktfall bedingt eine Analyse auf allen drei Systemebenen. Zudem braucht es Eingriffe auf den verschiedenen Ebenen wie z. B. Personalmassnahmen auf der sozialen Ebene kombiniert mit einer Veränderung der Projektstrukturen bei gleichzeitiger Veränderung der Führungskultur.
1.5 Denken in Systemen und Prozessen
Wie erwähnt ist das Denken in Systemen und Prozessen eine wesentliche Grundlage des SGMM. Systemdenken hat den Anspruch, interdisziplinäre Perspektiven zu ermöglichen. Prozessdenken soll einzelne Funktionen in einen (Wirkungs-)Zusammenhang bringen (z. B. in einem Wertschöpfungsprozess Einkauf, Produktion und Marketing). Entsprechend werden heute viele Unternehmen auch nicht mehr nach Funktionen, sondern nach Leistungsprozessen organisiert, was das Überwinden von funktionalen Denksilos ermöglicht. Instrumente wie die Arbeit mit Netzwerken bei der integrierten Problemlösung (Probst & Gomez, 1991) oder der Einsatz von Prozesslandkarten für die Weiterbearbeitung von komplexen Fragestellungen haben den Charakter von «grenzüberspannenden Objekten» (Boundary Spanning Objects, vgl. Spee & Jarzabkowski, 2009). Nachfolgend werden die wesentlichen Merkmale von Systemen und Prozessen dargestellt.
1.5.1 Systemsicht auf Organisationen
[36] Systeme können definiert werden als «geordnete Gesamtheit von Elementen zwischen denen irgendwelche Beziehungen bestehen oder hergestellt werden können» (Ulrich, 1968, S. 105). Vereinfacht können diese Elemente durch Grafiken dargestellt werden, in denen die Beziehungen zwischen den Elementen mit Pfeilen dargestellt werden (Abbildung 1-8).
Abbildung 1-8: Tourismus als illustratives Beispiel eines Systems
Quelle: Bieger (2010, S. 64); nach Kaspar (1996, S. 12)
Es können verschiedene Typen unterschieden werden, welche die Struktur von Systemen beschreiben und häufig in Form von Netzwerken dargestellt werden (vgl. auch Bieger, Pechlaner, Liebrich & Beritelli, 2004). So lassen sich exemplarisch Stern-Netze und vermaschte Netze unterscheiden (Abbildung 1-9). Bei reinen Stern-Netzen steht ein Element im Zentrum, über das alle Verbindungen laufen; dieses «kontrolliert» quasi das System. Die Entwicklung des Netzes hängt damit aber auch von den Kapazitäten dieses zentralen Elementes ab. Ein Beispiel sind Hub- und Spoke-Netzwerke von Airlines, bei denen der Verkehr über einen zentralen Hub, einen Flughafen mit Umsteigverbindungen, abgewickelt wird. Andere Beispiele sind Beratungsteams oder klassische Lehrstuhlstrukturen, wo sämtliche Kommunikations- und Arbeitsbeziehungen durch den Partner oder die Ordinaria gesteuert und damit auch überwacht werden.
[37] Bei vermaschten Netzen oder Maschennetzen bestehen Beziehungen zwischen verschiedenen Elementen, wobei im Extremfall jedes Element mit jedem verbunden ist. Der Vorteil dieses Systems ist die Redundanz. Wenn ein Element ausfällt, so können dessen Funktionen auch durch andere Elemente übernommen werden. Dies war auch die Grundidee bei der Entwicklung des World Wide Webs. Zuvor bestanden IT-Strukturen aus einem zentralen Rechner, an den alle Aussenstellen-Terminals angeschlossen waren. Wenn der zentrale Knoten durch einen Terroranschlag oder durch ein technisches Problem ausgefallen wäre, hätte dies das ganze IT-System lahmgelegt. Mit der militärisch induzierten Entwicklung des World Wide Web sollte ein IT-System geschaffen werden, das in einem solchen Fall weiter funktioniert, weil jeder Rechner mit jedem verbunden ist (vgl. Deitel, 2012). Der Nachteil dieser Systeme ist ihre schwierige Steuerbarkeit, da der zentrale Knoten, über den alles gesteuert werden könnte, fehlt.
Ein Spezialfall des vermaschten Netzes ist das Rasternetz. Dieses besteht aus einem rechtwinklig strukturierten Netz, bei dem die Elemente jeweils mit den auf allen vier Seiten angrenzenden Nachbar-Elementen verbunden sind. Wenn einer der Knoten in einem Rasternetz ausfällt, kann auf Parallelverbindungen ausgewichen werden. Dies erklärt auch, warum Rasternetze häufig in der Strassen- und Verkehrsplanung angewendet werden.