G. D. Brademann

Comanchen Mond Band 2


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waren, dann sollten sie sich gefälligst zeigen.

      Er rieb sich die Hände, die in feinen Lederhandschuhen steckten, und überdachte seinen Plan noch einmal. Ja, er würde der Artillerie zuerst das Signal zum Angriff erteilen. Dabei verließ er sich ganz auf die Reichweite der Haubitzen. Diese Waffengattung war noch immer sein liebstes Kriegsspielzeug. Die Kavallerie sollte erst losschlagen, wenn er die Indianer aufgescheucht hatte.

      Frustriert erkannten die Männer weit vor sich durch die Lücken der Bäume den Colorado. Da in dieser Richtung kein Durchkommen mehr war, mussten sie sich wieder von ihm entfernen. Der Einsatz von ein paar vorausgeschickten Männern hätte das vermeiden können. Smith musste wohl oder übel halten lassen. Sie steckten fest. Das konnte auch er nicht mehr leugnen. Endlich schickte er zwei seiner Männer zu Fuß voraus. Als sie zurückkamen, meldeten sie, dass es weiter vorn ein besseres Durchkommen bis zum Fluss hin gab. Erfreut wollte er gerade die Artillerie dorthin beordern, da tauchten drei Pawnee-Späher vor ihm auf. In ihren Gesichtern erkannte er höchste Befriedigung. Die Freude, die sie nicht einmal zu unterdrücken versuchten, taten sie in äußerst fragwürdigen obszönen Gesten kund. Vielleicht täuschte er sich ja, aber man konnte darin eine gewisse Vorfreude erkennen, was das Schicksal ihrer Todfeinde betraf. Plötzlich fröstelte es ihn. Er tat dieses Gefühl mit einem unwilligen Schnaufen ab und forderte die Pawnee zum Sprechen auf. Einer von ihnen, dessen Gesicht voller Pockennarben war, trat vor. In einem besseren Englisch als die anderen machte er Meldung. Stolz warf er sich in die Brust. Ich habe mich näher herangewagt als die da, radebrechte er. „Frauen holen Wasser, Krieger bei Pferdeherde – vor Canyon.“ Dabei deutete er mit der linken Hand und meinte die linke Seite des Flusses, also die gegenüberliegende. Smith dachte, der Späher deutete zum diesseitigen Ufer.

      „Tipis“, sagte der Pawnee und fuhr in seinem gebrochenen Englisch fort: „Lager Comanchen an Fluss.“ Wieder zeigte er in die Richtung und machte eine schlängelnde Bewegung – diesmal mit der rechten Hand. Seine Meldung war folgende: Auf der linken Flussseite vor einem Canyon befindet sich die Pferdeherde. Auf der rechten Flussseite hatte er Tipis entdeckt. Die schlängelnde Bewegung zeigte den Verlauf des Flusses an.

      Aha, dachte Smith, und glaubte verstanden zu haben: Die Pferdeherde steht diesseits in einem Canyon, die Comanchen lagern hier am Fluss. Mit der schlängelnden Bewegung konnte er nichts anfangen. Egal – viel wichtiger war seine Frage nach der Anzahl der Tipis und wie weit sie noch von ihnen entfernt waren. Das interessierte ihn viel mehr.

      „Tipi, ich gesehen Tipi“, kam die Antwort von dem aufgeregten, mit drei Fingern zum Fluss weisenden Pawnee. Da ihn Smith etwas enttäuscht anblickte, fügte er mit einem bewundernden Nicken hinzu: „Mustangs viel, sehr viel. Fluss durch Canyon kommt hier entlang, dann weiter –“, er zeigte mit dem Arm geradeaus nach Westen.

      „Wie weit sind die Tipis noch von uns entfernt?“, hakte Smith noch einmal nach, ohne die drei Finger zu hinterfragen.

      Ein Schulterzucken kam als Antwort. Dann, als fielen ihm die englischen Worte gerade wieder ein, nickte er und sagte: „Wo du sehen Fluss durch Baum, ich sehen Tipi halb Meile weit“, er versuchte mit den Händen wedelnd, ihm die ungefähre Entfernung begreiflich zu machen – zeigte Richtung Fluss und zu einer Stelle, an der ein großer Baum aufragte. „Halb Meile Feuerzunge machen wumm, Tipis fliegen fort, Feuerzunge machen wieder wumm, Comanche laufen schnell.“ Befriedigt über seine Erklärung grinste ihn der Pawnee an.

      Smith wartete noch auf mehr. Aber weitere Informationen bekam er nicht. Anscheinend wusste der Scout wirklich nichts mehr oder dachte, es wäre nicht von Bedeutung. Eine hoheitsvolle Geste machend, bezeugte ihm Smith, sich zu entfernen. Seit man ihm diese Pawnee-Scouts in Fort Griffin zugeteilt hatte, war er das beklemmende Gefühl nicht losgeworden, das er in ihrer Nähe empfand. Aber anstatt sie als Führer einzusetzen, schickte er sie jetzt fort. Die Pawnee drehten sich um, spuckten in hohem Bogen aus, um ihre Abscheu gegenüber den Comanchen zu bezeugen, und verschwanden im nahen Gebüsch. Sie waren nicht böse über Smiths Entscheidung.

      Nach einer kurzen Unterredung mit seinen Offizieren – einem ihm unterstellten Adjutanten, einem First Lieutenant sowie dem Captain der Artillerie – in der er ihnen seine Version der Aussage des Pawnee mitteilte, ebenso wie seine letzte Information über den vermeintlichen Standort des Comanchenlagers – fügten sich diese Männer schließlich dem, was ihr Oberstleutnant vorhatte.

      Etwas irritiert hatten sie die Mitteilung vernommen, dass das Indianerlager nur noch eine halbe Meile von dem Platz, den sie jetzt von hier aus durch das Fernrohr sehen konnten, entfernt sein sollte. Im Gegensatz zu ihm wussten sie sehr wohl, dass ein Comanchenlager hier nicht als zusammenhängendes Ganzes existierte. Nur in der weiten Ebene befanden sich die Tipis im Kreis. Doch wenn ihr Kommandant meinte, dass da ein Comanchenlager sei, dann stand es ihnen als Untergebene nicht zu, ihn zu belehren. So ordneten sie sich widerspruchslos seinem Befehl unter. Am Ende der nicht gerade befriedigend verlaufenen Beratung stellte ihm einer seiner Offiziere dann doch noch die Frage, ob er überhaupt schon jemals gegen Comanchen gekämpft hätte. Ein bisschen spät, dachten die anderen, die sich ein Grinsen kaum verkneifen konnten, als sie sahen, dass Smith rot wurde. Der Offizier bekam keine Antwort auf seine Frage und schwieg betreten. Niemand wagte einen weiteren Einwand. Oberstleutnant Smith aber bildete sich ein, sie von seinem Plan überzeugt zu haben, und schwelgte bereits in Kampfeslaune. Endlich gab es etwas zu tun. „Packen wir es an!“, rief er seinen Männern mit gewichtiger Miene zu und rieb sich die behandschuhten Hände. Er wollte endlich Erfolge verbuchen und setzte seinen Plan auch sofort in die Tat um. Dafür musste die Artillerie als Erstes den Flussabschnitt mit dem großen Baum, den sie von hier aus einsehen konnten, erreichen. Nach Angabe des Pawnee sollten die Tipis der Comanchen ja von dort aus eine halbe Meile weiter flussaufwärts stehen. Er überließ es dem Captain, wie nahe er an das Lager herankommen wollte. Wenn die Geschütze bereit waren, sollte man es ihm melden. Dafür stellte er einen seiner Männer ab. Bis dahin sollte die Kavallerie bis zum Ende dieses vermaledeiten Dickichts vorgedrungen sein, um in gebührendem Abstand zum Fluss Aufstellung zu nehmen. Dabei setzte er voraus, dass der Fluss in gerader Linie verlief, und legte den Abstand bis dorthin fest – also ihre Marschroute. Der Artillerie musste unbedingt Vorrang eingeräumt werden, betonte er noch einmal. Die Kavallerie sollte sich noch zurückhalten und auf sein Angriffssignal warten; so war der Plan.

      Smith, der seine ganze Taktik auf die Feuerkraft der Geschütze setzte – schließlich hatte er ja selbst in dieser Waffengattung gedient, hatte vor, die Tipis zu beschießen, um dann die flüchtenden Comanchen mit der Kavallerie abzufangen. Ein paar Treffer sollten reichen, um die ganze Bande aufzuscheuchen. Durch sein Fernrohr hatte er inzwischen die hoch aufragenden Felsen auf einem Berg voller Geröll und Steine entdeckt. Eine Flucht nach dort würde schwierig werden, wenn nicht gar unmöglich. Sollten sie versuchen, auf die andere Seite des Flusses zu entkommen, war das wahrscheinlich auch ihr Todesurteil, denn das Ufer des Flusses ließ er ja beschießen. Und über die Hügel im Osten? Das fand er absurd. Bis dahin – durch die Reihen der Kavallerie – würden sie es niemals schaffen. Seiner Meinung nach befand sich die Pferdeherde ja diesseits des Flusses, sicher in der Nähe der Tipis, und würde nach dem ersten Beschuss die Flucht ergreifen – davon war er überzeugt. Seine Reiterei und die Artillerie würden die Comanchen in die Zange nehmen. Sie hatten keine Chance.

      Sein Adjutant, der während der kurzen einseitigen Beratung etwas betreten geschwiegen hatte, trat jetzt zu ihm. Zaghaft schlug er vor, man könnte doch einen kleinen Trupp Männer erst einmal näher an die Tipis heranschicken, bevor man weitere Entscheidungen traf. Ihm war nicht entgangen, wie sich die Pawnee mit Blicken verständigt hatten, um dann im Dickicht abzutauchen. Außerdem schlug er vor, dass ein Teil der Kavallerie die Hügel im Osten besetzen sollte. Smith lehnte das mit einer unwirschen Handbewegung rundweg ab. Er allein hatte hier die Befehlsgewalt, und das sollte auch so bleiben. Sein Kommando, seine Entscheidung, sein Sieg. Der Adjutant konnte nur den Kopf schütteln. Hier, in diesem unzugänglichen Gelände – sogar die Sicht auf den Verlauf des Flusses war ihnen verwehrt – war seiner Meinung nach die Artillerie völlig fehl am Platz. Er fragte sich, wohin sie wohl zielen sollte, wenn sie nicht einmal wussten, wo der Feind genau steckte. Irgendwo auf das Ufer des Flusses vor ihnen? Die Angaben des Pawnee befand er als viel zu vage. Vielleicht war der Captain ja so weitsichtig und schickte einen seiner Männer den Fluss hinauf, bevor er seine