G. D. Brademann

Comanchen Mond Band 2


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sagte er sich, wenn ich mir ihn damit auch nicht zum Freund mache, meine Kameraden sind mir wichtiger! Die Zeit saß ihm im Nacken. Er hatte schon gegen Comanchen gekämpft und wusste, was sie erwartete, wenn sie zu lange zögerten. Es war so, als stocherte man mit bloßen Händen in einem Hornissennest herum.

      „Ihr müsst mir nicht sagen, was ich zu tun habe“, maßregelte ihn Smith barsch.

      Stones ließ sich nicht einschüchtern. „Wenn die Artillerie noch länger wahllos herumballert, ohne ein direktes Ziel zu haben, müssen wir mit einem Angriff rechnen. Inzwischen werden sich die Krieger formieren, ohne dass Ihr das durch das Fernrohr sehen könnt. Und das, Oberstleutnant, wird gar nicht lustig werden.“ Während er das ziemlich gefasst hervorbrachte, hätte er seinen Vorgesetzten erwürgen können. Oberstleutnant Smith dagegen musterte ihn nur hoheitsvoll. Wagte der Mann es doch tatsächlich, ihn mitten im Kampfeinsatz zu kritisieren?

      Den Blick zurück auf seine wartenden Kameraden gerichtet, hatte dieser trotzdem kein schlechtes Gewissen. Wenn Smith nicht mit Kritik umgehen konnte, dann war das sein Problem. Vielleicht würde ihn das einen Verweis kosten, vielleicht aber auch nicht. Männer wie er waren rar im Westen. Das Wohl seiner Leute ging bei ihm über die Befindlichkeit eines Vorgesetzten. Ohne sich weiter um Smiths wütendes Gesicht zu kümmern, harrte er der Dinge auf seinem Pferd. Und doch – seine wartenden Männer betrachtend, beschlich ihn das Gefühl, versagt zu haben, denn erreicht hatte er nichts. Hilflos hob er die Schultern und ließ das Kinn schwer atmend auf die Brust sinken. Seine langjährige Erfahrung als Indianerkämpfer ließ ihn frösteln.

      Smiths Gesicht war nach seiner letzten Bemerkung wieder puterrot angelaufen. Vor Wut, weil er nicht gleich eine Antwort wusste, pumpte er Luft.

      Der Adjutant, der sich seit seinem Abgang nicht weit entfernt hatte, lenkte sein Pferd neben das des First Lieutenant. Seine Miene verhieß nichts Gutes. Bevor er jedoch nur ein einziges Wort sagen konnte, bellte Smith ihn an: „Wollt Ihr Euch etwa auch noch erdreisten, mich zu belehren?“ Die Hand auf dem Säbelknauf, betrachtete er ihn herablassend.

      Der so Angeherrschte verbiss sich die Frage, die er stellen wollte. Kurz streifte sein Blick den First Lieutenant, dann schaute er wieder zu Smith. Die Männer hinter ihnen wurden langsam unruhig, zumal die Artillerie weiter schoss und sie hier untätig herumstanden. Dass die Stimmung zwischen ihren Vorgesetzten nicht gerade die beste war, konnte man sehen und sogar hören. Die ganze Situation verlangte nach einer Entscheidung. Smiths Position als Befehlshaber hatte empfindliche Risse bekommen.

      „Noch einmal zum Mitschreiben“, sagte er, sowohl an den First Lieutenant als auch an den Adjutanten gewandt. „Die Späher haben mir berichtet, dass das verdammte Comanchenlager dort ist, wo die Artillerie jetzt hinschießt. Sie belegen das Ufer, und es kann nicht mehr lange dauern, bis wir diese Kreaturen zu sehen bekommen – und zwar flüchtend!“

      Entschlossen, stur seinen Plan weiterzuverfolgen, duldete er keinen Widerspruch. Mit diesem First Lieutenant würde er nachher ein Wörtchen reden müssen – und zwar vor versammelter Mannschaft. Ein solches Verhalten konnte er nicht einfach so hinnehmen – nicht bei einem so wichtigen Einsatz. Wohl hatte er die Blicke der ihm zunächststehenden Männer bemerkt. Es würde sich herumsprechen, wenn er Schwäche zeigte. Das ganze Schlamassel, in dem er jetzt steckte, hatte er den verdammten Pawnee zu verdanken. Sie hätten das Gelände vor ihnen gründlicher auskundschaften sollen, anstatt sich vorzeitig zu entfernen. Wo in aller Welt, steckten sie? Dann ging ihm auf, dass er sie ja höchstpersönlich fortgeschickt hatte. Nach einem tiefen Seufzer wandte er sich an seinen Adjutanten: „Kein Comanche wird uns entkommen, dafür werde ich sorgen. Nicht nur, dass wir in der Überzahl sind – auch unseren Waffen können sie nicht viel entgegensetzen.“

      Immer noch schweigend nickte sein Adjutant, mit einer Hand den Knauf seines Säbels tätschelnd.

      First Lieutenant Stones bewegte kaum merklich den Kopf hin und her. Wie hatte sich Smith das denn gedacht? Da warteten sie hier wie die Katze vor dem Mauseloch, und die Mäuse entkamen durch die Speisekammer. Entschlossen schob der Oberstleutnant das Fernrohr zusammen. Er hatte endlich einen Einfall.

      „Nun gut, wir können nicht näher an den Fluss heran, ohne von unserer eigenen Artillerie getroffen zu werden. Da die Comanchen ja sowieso schon wissen, dass wir hier sind: Trompeter, gebt das Zeichen zum Angriff. Unsere Leute werden aus diesem Wald hier herausreiten, weg vom Fluss. Es sieht ganz danach aus, als befände sich hinter diesem vermaledeiten Wald eine große, freie Fläche, dort vor den Hügeln. Während die Artillerie weiter den Fluss hinauf marschiert, wird sie uns den Gegner zutreiben.“ Inständig hoffte er, dass das so einfach wäre.

      Ein erleichtertes Raunen ging durch die Reihen der Männer. Endlich hatte das Warten ein Ende. Der First Lieutenant biss sich auf die Unterlippe. Dieser Befehl war schon lange überfällig. Er jedoch hätte die Artillerie schweigen lassen und wäre mit der Kavallerie zum Fluss gestürmt. Seinem Pferd in die Seiten tretend, machte er sich zu seinen Leuten auf.

      Oberstleutnant Smith hob die Hand, und einer der beiden Trompeter schmetterte los. Das Signal war noch nicht halb verklungen, als sich die Kavallerie bereits in Bewegung setzte. Ohne den Tross, der zurückblieb, verließen sie zügig den sich lichtenden Wald. Vierzehn Minuten waren seit den ersten Salven vergangen. Smith zögerte, dann winkte er den jüngeren der beiden Trompeter zu sich. „Wir bleiben hier“, befahl er mit einem Blick auf die abziehenden Männer. „Wenigstens bis ich weiß, was der Captain vorhat. Ich habe die Gatling noch nicht gehört, eigentlich hätte sie längst zum Einsatz kommen müssen. Da drüben am Fluss sind Comanchen – ich weiß es. Der Captain soll sie gefälligst vom Fluss wegscheuchen und unseren Männern den Rest der Arbeit überlassen.“ Smith kniff die Augen zusammen, erneut sein Fernrohr ansetzend. Dichter Rauch zog den Fluss entlang und hing schwer über den Bäumen.

       6. Kapitel

      Die sechsläufige Gatling, ein Überbleibsel aus dem Bürgerkrieg, in dem die US-Armee zwölf Stück im Einsatz an der Front bei Petersburg hatte, stand noch immer unbenutzt und abgedeckt hinter dem Versorgungswagen. Man brauchte vier Männer, um sie zu bedienen.

      Nach jeder Salve aus den beiden Haubitzen brachten die Männer die Geschütze ein wenig weiter nach vorn. Dort, wo die Treffer einschlugen, prasselte ein Regen aus Erde, Steinen, Ästen herunter und begrub alles unter sich. Bald konnten die Schützen das Gelände vor ihnen kaum noch erkennen. Nicht mehr lange, und sie würden auf ihre eigene Verwüstung stoßen. Ohne Informationen von Seiten der Kavallerie, die unterdessen zu den Hügeln im Osten ritt, fragte sich der Captain, ob er weiterschießen oder die nächsten Befehle abwarten sollte. Zumal ihm klar war, dass sie jetzt, wo sie den Flussbiegungen folgten, näher als ursprünglich gedacht an die Kavallerie herankamen. Ein einziger Fehlschuss würde die eigenen Leute treffen. ‚Hoffentlich haben sie das schon selber gemerkt und machen sich aus dem Staub‘, dachte er. Doch konnte er sich auf diesen Mann, diesen unfähigen Oberstleutnant überhaupt verlassen? Sollte er den Befehl, mit dem Beschuss innezuhalten erteilen, bis er Genaueres wusste? Was für ihn noch viel schwerer wog, war die Tatsache, dass sie bis jetzt keine Indianer gesichtet hatten. Wir ballern hier in der Gegend rum, sagte er sich wütend, ohne rechtes Ziel. Was ist, wenn die Comanchen irgendwo dort vorn sind, statt hier am Fluss, und die Kavallerie mit ihren Kriegern empfangen?

      Entgegen seiner Überzeugung gab er den erneuten Befehl zum Schießen.

      Dichte Rauchschwaden hingen über den Bäumen am Fluss. First Lieutenant Stones sah diese Zerstörung mit gemischten Gefühlen. Bis jetzt hatte die Artillerie nichts erreicht. Sie waren auf ihrem Ritt durch den sich lichtenden Wald und dann hier in der Ebene auf keinen einzigen flüchtenden Indianer gestoßen. Er schwenkte mit seinen Männern von den Hügeln weg – jeden Moment darauf gefasst, flüchtende Comanchen aus Richtung Fluss auftauchen zu sehen.

      Plötzlich waren sie da. Frauen, Kinder, Travois, beladene Pferde. Sie kamen in Scharen vom Fluss herüber, einen ausgetretenen Weg entlang, der sich bis jetzt ihren Blicken entzogen hatte. Na also. First Lieutenant Stones, dem bei diesem Anblick kurz der Atem stockte, zog den Revolver und spornte sein Pferd zu einer schnelleren Gangart an. Da rissen die Männer vor ihm ihre Pferde