G. D. Brademann

Comanchen Mond Band 2


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ritten, duckten sich, von Pfeilen getroffen in ihren Sätteln zusammen. Verwirrt stoppte die erste Reihe. Pferde stiegen, gingen zu Boden, rafften sich wieder ausschlagend auf, manchen Reiter unter sich begrabend. Die Männer – harte, erprobte Indianerkämpfer, die Stones ganz vorn bei sich hatte – preschten mit ihm weiter. Rechts von ihnen, vom Fluss her, kam das laute Donnern der Kanonen immer näher. Dann wurde dieser ihnen vertraute Ton von einem anderen überlagert. Einigen stellten sich die Nackenhaare auf, anderen lief es eiskalt den Rücken hinunter. Ein grässliches Gefühl, dem sich niemand entziehen konnte, ließ sie auf dem Rücken ihrer Pferde erstarren. Furchterregendes Geschrei – mehr ein Kreischen – ließ die Luft vibrieren. Dagegen war das, was die Rebellen im Bürgerkrieg nachzuahmen versucht hatten, geradezu ein Wiegenlied.

      Während die Kavallerie nach dem ersten Erschrecken versuchte, die Reihen wieder zu schließen, rasten halbnackte Krieger in gewagten Manövern an ihnen vorbei und verschwanden hinter den Hügeln wie ein Spuk. Ungläubig starrten die Männer, die zum ersten Mal mit Indianern in Berührung kamen, ihnen nach. Die erfahrenen Kämpfer unter ihnen wussten, dass dieser Spuk gerade erst begonnen hatte. Einige Verwundete hingen stöhnend in ihren Sätteln. Nein – so hatten sie sich das nicht vorgestellt. Irgendjemand brüllte laut Befehle. Das Signalhorn schmetterte die Tonleiter rauf und runter: Angriff!

      Dann kamen die Comanchen über die Hügel zurück.

      Oberstleutnant Smith, neben dem Trompeter auf seinem Pferd sitzend, trieb es aufgeregt nach vorn, um besser sehen zu können. Auch von dieser Position aus konnte er das Geschehen vor sich nur erahnen. In dem Geräusch der Geschütze vom Fluss her und den Einschlägen ging alles andere unter.

      Im nächsten Moment übertönte der Kriegsruf der Comanchen alles.

      Für Smith war es das erste Mal, dass er diese Art, über den Gegner Angst und Schrecken zu verbreiten, erlebte. Denn das war es, was ihm die Härchen auf den Armen sich aufstellen ließ. Nackte Angst. Unwillkürlich bekreuzigte er sich und blickte zu dem jungen Trompeter, dem das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. Seine Uniformjacke hatte vorn und auf dem Rücken vom Schweiß dunkle Flecken bekommen. Im Schritt war seine ausgebleichte Hose verdächtig feucht. Smith sah es mit gemischten Gefühlen. Beklommen öffnete er die obersten Knöpfe seiner Uniformjacke. Wieder zum Fluss hin blickend, konnte er jetzt ein Stück offenes Wasser erkennen. Die Geschütze hatten ganze Arbeit geleistet. Ein Gefühl der Überlegenheit ergriff von ihm Besitz, machte ihn sicher. Wir kämpfen hier gegen primitive Wilde, sagte er sich. Mit Pfeil und Bogen haben sie gegen unsere Kanonen und Gewehre keine Chance. So sah er das noch immer. ‚Es müsste ja mit dem Teufel zugehen, wenn wir diese Rothäute, die ihre Frauen und Kinder an der Backe haben, nicht besiegen könnten!‘ Schwer atmend stützte er sich mit einer Hand auf den Sattelknauf, mit der anderen führte er das Fernrohr wieder an sein Auge.

      Durch den Rauch, der sich nur langsam lichtete, hatte der Captain einen besseren Blick auf das vor ihnen liegende Ufergelände. Da waren sie endlich, die Tipis. Manche bereits halb abgebrochen, so dass nur noch die Gerüste standen, andere schon auf Travois geladen. Frauen liefen eilig neben vollbepackten Pferden her; Kinder halfen, wo sie konnten. Kurzum, er sah – seinem Empfinden nach – ein heilloses Durcheinander. Eine Schar halbwüchsiger Kinder lief gerade in Richtung Fluss und verschwand hinter Bäumen. Als sie wieder auftauchten, saßen diese kleinen Mistkerle, von denen zwei noch kaum laufen konnten, mit ihren nackten Hintern auf Pferden, weitere Tiere geschickt im Schlepp an langen Leinen führend. Wie machten sie das nur?

      Widerwillig musste er zugeben, dass ihm das imponierte. Sein Herz krampfte sich zusammenn und er bekam weiche Knie. Kurz zuvor hatte er noch überlegt, die Gatling einzusetzen; jetzt aber verwarf er diesen Gedanken ganz schnell wieder. Nicht, dass die Entfernung zu ihnen ein Hindernis gewesen wäre. Nein, die Reichweite stimmte. Plötzlich hatte er Hemmungen, auf wehrlose Kinder und Frauen zu schießen. Das würde ein Blutbad geben, sagte er sich schaudernd. Wieder blickte er in die Richtung, wo er eben noch die Kinder gesehen hatte; da waren sie verschwunden. Gottlob. Verdammt, was war nur mit ihm los?

      Smith hatte bei ihrer letzten Besprechung noch gesagt: Wenn sie sich nicht freiwillig ergeben, dann machen wir sie alle nieder – alle, keine Gefangenen; wir vertilgen sie von der Erde. Jetzt musste er sich die Frage stellen, ob er ihnen diese Möglichkeit des Kapitulierens denn überhaupt gelassen hätte. Er selber war dieses Tötens müde. All die Jahre unter Mackenzie hatte er nur gegen Krieger gekämpft.

      Frauen und Kinder wurden weitestgehend verschont, wenn es nur irgendwie ging. Aber das hier?

      Erwartete Smith etwa von ihm, mit den Geschützen direkt auf Frauen und Kinder zu schießen? Bisher hatten sie nur auf Tipis mit der Absicht, sie von dort aufzuscheuchen, gezielt. Ihm machte es nichts aus, Krieger zu verfolgen, um sie zu töten. Sie oder ich – leben oder sterben. Während ihm das jetzt durch den Kopf ging, warteten seine Männer auf den nächsten Befehl. Die Frauen und Kinder vor ihnen waren nicht zu übersehen. Kinder, deren kleine Hände sich in die Mähne ihrer Pferde krallten.

      „Wartet, bis sich die Rohre abgekühlt haben“, sagte der Captain und bedeckte mit einer Hand die drei goldenen Balken auf seiner Schulter. Auf einmal schien alle Kraft aus ihm gewichen zu sein. War das hier noch sein Kampf? Sein Leben? Müde blickte er sich um. Die Männer sahen aus wie die Schweine: schwarz verschmiert, verschwitzt, einige bluteten, ihre Gesichter und die Hände zum Teil mit Brandwunden bedeckt. Nein, sie hatten sich nicht geschont. Auch die Pferde standen erschöpft an der Seite. Sie alle hatten getan, was sie konnten, um – ja, was?

      Er holte tief Luft. Um Menschen umzubringen. Das hier sollte sein letzter Einsatz sein, schwor er sich.

      Oberstleutnant Smith fragte sich indessen ziemlich erbost, warum die Gatling noch immer nicht zum Einsatz kam. Durch sein Fernrohr hatte er eine flüchtende Schar Frauen mit Kindern gesehen und fluchte erneut. Irgendwie kam er sich wie ein Befehlshaber auf verlorenem Posten vor und wollte doch jemand sein, der seine Truppen zum Sieg führte. Entschlossen wandte er sich an seinen Trompeter, um ihn zur Artillerie hinüberzuschicken. Der Junge, nicht älter als vielleicht sechzehn Jahre, sollte dem Captain den Einsatz der Gatling eindringlich befehlen. Ungeduldig blickte er ihm nach. Dann bugsierte er sein Pferd mit einem leichten Schenkeldruck hinter eine Baumgruppe aus schlanken Erlen. Die Gatling blieb noch immer stumm, jetzt ebenfalls die beiden Haubitzen. Nun ja, sie mussten neu bestückt werden. Vielleicht waren auch die Rohre inzwischen zu heiß geworden.

      Der Trompeter kam zurück. Smith nahm seine Antwort, die Gatling hätte Ladehemmung, als das hin, was sie war: eine Lüge. Ladehemmung? Dafür hätte sie erst einmal schießen müssen. Doch was sollte er machen? Die 80 Männer, die der Captain um sich hatte, waren eine eingeschworene Truppe. Sie würden ausnahmslos zu ihm halten. Erneut hob er sein Fernrohr ans Auge. Ich sollte diesen Wald verlassen und nachschauen, was meine Männer inzwischen erreicht haben, dachte er, da lief ihm ein Schauer über den Rücken. Das Geschrei der Comanchen übertönte erneut sämtliche andere Geräusche. Nervös suchte er die Gegend vor sich noch einmal ab. Rauchschwaden lösten sich in Richtung Fluss nur langsam auf. Die Bäume, die noch standen, hatten ein weiß-grau-schwarzes Aussehen angenommen, als läge alles unter einer riesigen wabernden, nebelhaften Glocke.

      Um sich einen besseren Überblick zu verschaffen, musste er näher heran. Ein seltsames Gefühl stieg in ihm hoch – Vorahnung? Da winkte er dem Trompeter, ihm zu folgen. Sie beide waren die Einzigen, die noch hier waren. Langsam ritten sie durch den sich vor ihnen lichtenden Wald. Die kurz zuvor dort entlanggekommene Kavallerie machte es ihnen leicht. Dann standen sie vor einer weiten Ebene, die sich vom Fluss bis in die Hügel hinzog. Durch sein Fernrohr betrachtete er mit klopfendem Herzen das Kampfgeschehen vor ihm. Da begannen seine Hände zu zittern.

      Eine lebendige wogende Masse, bestehend aus Mustangs und Kriegern, ließ den Boden erbeben.

      Er sah Arme, die Bogen spannten, eingelegte Pfeile, wieder andere Arme, sehnig, kraftvoll – in der Beuge Gewehre, Lanzen, auf dem Rücken prall gefüllte Köcher mit Pfeilen, glänzende, scharf geschliffene Kriegsbeile, die Griffe mit Bast umwickelt. Mustangs, die Nüstern aufgerissen und mit Augen, in denen das Weiße leuchtete, bleckten die Zähne, waren eins mit ihren Reitern. Grasfetzen, von wirbelnden Hufen hochgerissen, stoben nach allen Seiten.

      Ungläubig starrte