G. D. Brademann

Comanchen Mond Band 2


Скачать книгу

hatten sie angezweifelt. Was seine Kriegsführung anbelangte, war Smith in das verächtliche Lachen eines herausgeputzten, blondgelockten Schönlings wie Custer eingefallen – ohne eigentlich zu wissen, worüber er da lachte. Welche Ironie. Was wusste er denn schon von Indianerkämpfen? Er hatte gerade selber erfahren müssen, was es bedeutete, als Theoretiker gegen Indianer zu kämpfen. Jetzt, nach dieser einen Erfahrung, nahm er sich vor, in Zukunft nicht mehr alles zu glauben, was manch ein großspuriger Schwätzer so von sich gab. Und die Berichte, die die Öffentlichkeit zu lesen bekam, waren sicher genauso geschönt wie sein eigener. Dieser Westen hier war verdammt noch mal das Letzte, was er sich als Kommandeur eines Armeeverbands vorstellen konnte.

      Nachdem die betrunkenen Offiziere das Zelt verlassen hatten, saß er noch lange grübelnd über seinem abgeschlossenen Bericht. Er hatte sich einen warmen Mantel übergezogen, denn die Nächte hier waren kalt. Eine zusätzliche Patrouille zu der eingeteilten Wache sollte die ganze Nacht hindurch das Lager umrunden. Wie eine Herde Rinder, um die die Cowboys leise ritten, ging es ihm durch den Kopf. Aber statt nach Wölfen oder Viehdieben hielten sie nach Comanchen Ausschau. Am nächsten Morgen bei hellem Tageslicht sollte die weitere Umgebung noch einmal gründlich abgesucht werden. Vielleicht fand man ja doch noch etwas – Verletzte vielleicht oder sogar Tote?

      Seufzend zog er den Mantel enger um sich. Ein letzter Rundgang durch das Lager stand noch an, das war er seinen Männern schuldig. Im Grunde genommen wollte er nur sein Ansehen aufpolieren, denn er wusste wohl, welchen Eindruck er bei vielen von ihnen hinterlassen hatte.

      Vier von seinen sechs Pawnee-Spähern sollten ihn dabei begleiten, obwohl er noch immer kein großes Vertrauen zu ihnen empfand. So sehr er sie auch verabscheute – die Tonkawa-Scouts, die Mackenzie immer begleiteten und die ihm dieser angeboten hatte – waren ihm noch mehr zuwider. Zu gut erinnerte er sich an die wilden Geschichten, die man über sie erzählte – haarsträubende Geschichten, die von Kannibalismus und Fressgelagen mit Teilen getöteter Gefangener handelten. Smith schüttelte sich voller Abscheu. Egal, ob das nun stimmte oder nicht – er jedenfalls glaubte es. Warum um alles in der Welt sich Mackenzie mit ihnen abgab, ja, ihnen sogar sein eigenes Leben und das seiner Männer anvertraute, blieb ihm ein Rätsel. Da verließ er sich doch lieber auf diese Pawnee-Scouts, obwohl ihm bei ihrem Anblick nicht gerade wohl war. Dass sie auf einmal wieder ihre Armeemützen trugen, weil sie nicht sofort von eventuel herumstreifenden Comanchen als Pawnee erkannt werden wollten, machte es für ihn nicht gerade besser. Und doch konnte er sich nicht über sie beklagen. Während des Ritts nach Fort Concho waren sie ihm nicht einmal zu nahe gekommen; immer hatten sie Abstand gehalten, was ihm nur recht gewesen war. Wenn auch ihre Manieren manchmal zu wünschen übrig ließen – ihm gegenüber blieben sie immer höflich. Kein Anzeichen von Feindseligkeit, während er selbst sein Misstrauen nicht ablegen konnte.

      In Gedanken versunken ritt er im Schritttempo mit vier von ihnen an der Senke vor dem Geröllfeld vorbei. Der Mond beleuchtete einen Teil des unten wachsenden Gesträuchs. Die alte, knorrige Eiche warf ihren Schatten lang auf den Boden. Irgendwie sah alles hier gespenstisch aus. Gerade wollte Smith zum Fluss hin abbiegen, da machte ihn der Pawnee mit den Pockennarben auf etwas aufmerksam und hob lauschend den Kopf. Jetzt hörte er es auch. Irgendwo von dort oben, von den Felsen her, kam ein unterdrückter Schrei. Kurz danach folgte ein unheimliches Wimmern, das jäh abbrach. Mit gespannten Gesichtern lauschten sie in die Stille der Nacht. Doch da weiter nichts mehr passierte, schüttelte Smith nur den Kopf. „Vielleicht ein Raubtier? Ein Puma?“ Seine Stimme klang verhalten, als hätte er Angst, dass ihn jemand hörend könnte. In Wahrheit war ihm der Schreck durch Mark und Bein gefahren.

      Die Pawnee lauschten weiter. Einer von ihnen verzog spöttisch den Mund. „Nein“, sagte Narbengesicht, „Baby. Hören an wie Baby.“

      Entsetzt weiteten sich Smiths Augen. Der Pawnee nickte und wiederholte herausfordernd: „Baby. Comanchen-Balg. Píh-rau. Du nicht kennen Schrei von Puma? Ich, Pawnee-Mann, kennen gut.“

      „Gehst du da jetzt hoch, um nachzusehen?“ Oberstleutnant Smith stellte diese Frage mit voller Absicht, um sich für seinen Tonfall zu rächen. Er kannte ihre Furcht vor den Comanchen ja jetzt. Der Pawnee würde das nicht wagen, davon war er überzeugt. Ein Blick aus seinen dunklen Augen ließ ihn erschauern. „Nein, ich hab nur einen Scherz gemacht“, sagte er deshalb schnell; er wollte den Scout nicht verärgern. „Ich will heute Nacht keine Alleingänge mehr“, setzte er erklärend hinzu. „Wenn dort oben noch Comanchen stecken, dann können sie nicht weg. Und ein Kind? Ein Baby? Dort oben sitzen sie in der Falle, sie können nirgendwo anders hin, als hier runter. Und Pferde werden sie wohl auch nicht dort oben haben. Hier wimmelt es nur so von unseren Männern; und sollten sie über den Wald abhauen wollen – da sind ebenfalls unsere Leute.“

      „Falle gut, Pawnee passen auf.“ Wie, um seine Worte zu bekräftigen, blieb er mit verschränkten Armen auf seinem Pferd sitzen.

      Smith betrachtete ihn zweifelnd. Aber dieser sture Hund meinte es tatsächlich ernst. Oben blieb es weiterhin still. Smith nickte, als würde er diesen Einfall befürworten. Langsam machte er sich mit den drei anderen Pawnee wieder auf den Weg ins Truppenlager. Leutselig, nicht mehr an den eben erlebten kleinen Zwischenfall denken wollend, unterhielt er sich mit den Männern, die noch vor ihren Zelten saßen.

      Der Wache haltende Pawnee mit dem Pockennarbengesicht saß still und aufmerksam auf seinem Pferd. Das Geröllfeld über ihm lag im Dunkeln. Später, als kleine Steine herunterkullerten, suchte er zwar nach der Ursache, konnte aber nicht viel erkennen, dafür hätte er schon nach oben klettern müssen. Sich selber beruhigend, gab er sich damit zufrieden, dass es vielleicht nur der Wind gewesen war oder ein kleines Tier. Doch der Schrei klang ihm immer noch in den Ohren. Das war nicht der Wind gewesen. Misstrauisch blieb er auf seinem Posten. Das Lager vor ihm glich einem lärmenden Haufen Soldaten, die auch zu dieser späten Stunde nicht zur Ruhe kamen. Der Weiße Mann ist ein großer Dummkopf, sagte er sich. Überall brannten Feuer; man konnte die Männer ganz deutlich sehen, die sich gegenseitig zutranken oder einträchtig beieinander saßen und Karten spielten. Erzählungen, die meisten davon völlig übertriebene eigene Heldentaten gegen ihnen unterlegene Indianer – machten weiter die Runde. Oberstleutnant Smith ließ sich großmütig an manchem Feuer nieder und hörte sich diese Geschichten an. Doch, dachte er ein über das andere Mal, wenn er in die strahlenden Gesichter seiner Männer blickte – eigentlich war das hier ja gar keine Niederlage gewesen. Alles in allem vielleicht sogar ein kleiner Sieg. Schließlich war es ihnen gelungen, alle Comanchen von hier zu vertreiben. Jawohl, das hatten sie. Warum nicht einfach behaupten, dass sie ihre Toten mitgenommen haben? Der eine oder andere Augenzeuge ließ sich doch wohl finden? Wer sollte denn das Gegenteil beweisen? Vielleicht stimmte es ja sogar. Nun, er würde diesen unseligen Bericht noch einmal umschreiben – was war schon dabei? Mit den schwindelerregenden Verlustmeldungen, was die getöteten Indianer eines Custer betraf, wollte er zwar nicht mithalten, doch es würde niemandem schaden, wenn er ein wenig übertrieb. Wahrscheinlich war Mackenzie, den niemand, den er kannte, besonders schätzte, der Einzige, der die Wahrheit in seinen Berichten schrieb.

      Diese Überlegungen im Kopf, ritt er zum Fluss hinunter. Die drei Pawnee-Scouts an seiner Seite, überquerte er eine flache Stelle und kam am anderen Ufer – fast ohne sich die Stiefel nass zu machen – heraus. Die Wagen und Geschütze der Artillerie hatte der Captain dicht beieinander angeordnet. Hier hatte vor kurzem noch die Pferdeherde der Comanchen gegrast, wie Smith deutlich erkennen konnte. Kaum zu glauben, wie viele es gewesen sein mussten! Er schluckte seinen Unmut hinunter. Bedauerlich, dass die ihm entwischt waren. Sein Pferd anhaltend, schaute er sich um. Die Deichseln der beiden mit Munition und Verpflegung beladenen Wagen ruhten jede quer auf einem Stein. In weitem Umkreis lagen verstreute Ausrüstungsgegenstände der Männer, die sich etwas abseits um einige Feuer versammelt hatten. Ihre Pferde grasten weiter oben. Man konnte sie nicht sehen, jedoch ihr leises Schnaufen hören. Auch hier wurden Geschichten erzählt, die nicht immer der Wahrheit entsprachen.

      Smith saß ab, um sich zu ihnen zu gesellen, und prompt verstummte das Gelächter. Er sah wohl auch die Blicke, mit denen sie die drei Pawnee musterten, und schob es darauf, dass sie das für völlig übertrieben hielten – hier, inmitten seiner Männer. Deshalb schickte er zwei von ihnen auf Streife in den Canyon. Einer blieb in angemessener Entfernung von ihm auf seinem Pferd sitzen. Bald schon verschmolz seine einsame