G. D. Brademann

Comanchen Mond Band 2


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in West Point gemacht und danach auf der Seite der Rebellen gekämpft. Seinen Dienstgrad war er mit der Generalamnestie losgeworden. Nach seinem Eintritt in die US-Armee hatte man ihn zu einem Lieutenant Colonel – Oberstleutnant – heruntergesetzt und damit auch seinen Sold. Wenn es ihm nicht gelang, große Taten zu vollbringen, würde das auch noch jahrelang so bleiben. Von dem Sold, der nicht gerade üppig ausfiel, konnte er keine großen Sprünge machen. Zwar stammte er aus einer wohlhabenden Südstaatenfamilie, doch als jüngster von drei Brüdern und nach dem verlorenen Krieg war da nicht mehr viel für ihn übrig geblieben. Statt jedoch in der kämpfenden Truppe zu bleiben, hatte er sich für den Stabsdienst entschieden und es bald schon bereut. Er war von einem langweiligen Posten zum nächsten geschoben worden. Nun wollte er sich hier bewähren oder zumindest so tun. Das konnte doch nicht schwer sein, glaubte er.

      „Ein gestärkter Kragen und ein Auftreten wie ein Feldherr machten noch keinen Kämpfer“, knurrte Mackenzie, als man ihm mitteilte, dass Smith für einen Einsatz in Richtung Westen vorgesehen war.

      Es nutzte ihm nichts. Er war durch die Krankheit außer Gefecht gesetzt – im wahrsten Sinne des Wortes. Wie um ihn noch zu verhöhnen, hatte Smith die von ihm empfohlenen Männer, alles erfahrene Indianerkämpfer, zusammen mit den Tonkawa-Spähern verschmäht und sich unter den hier stationierten Truppen 180 Kavalleriesoldaten zu der von ihm mitgebrachten Batterie Artillerie für seine – wie er es nannte – Strafexpedition gegen die Comanchen – ausgesucht. Mit Mackenzies in z.T. völlig verdreckten Uniformen herumlaufenden Männern, die ihre meiste Zeit außerhalb des Forts zubrachten, wollte er nichts zu tun haben. Ausgerechnet an dem Tag, als er hier ankam, musste er miterleben, wie einer von Mackenzies Soldaten an ein Wagenrad gebunden und ausgepeitscht worden war. Sein Vergehen bestand lediglich darin, während seiner Wache geschlafen zu haben. Natürlich würde das in keinem Bericht Mackenzies erwähnt werden. Solche Vorkommnisse verschwieg er. Das Gleiche galt, wenn es um Details bei der Verfolgung und der sogenannten Aufbringung von Indianern ging. Nach Mackenzies Meinung zählte allein das Resultat. Seine Männer, die wie eine eingeschworene Truppe zu ihm hielten – alles erfahrene, hartgesottene Indianerkämpfer – legten genau wie er keinerlei Wert auf Äußerlichkeiten. Allerdings bedauerten viele von ihnen später, dass das, was sie für diese Nation geleistet hatten, niemals in einem Bericht gewürdigt worden war – geschweige denn, in einer Zeitung gestanden hatte. Custer dagegen, in Paradeuniform und mit gepflegten blonden Locken, glänzte laufend mit seinen Taten in der Öffentlichkeit. Dabei schönte er seine Berichte und nahm es nicht immer so genau mit der Wahrheit.

      Als die Kavallerie, die Artillerie und die sechs Pawneescouts zusammen mit Oberstleutnant Smith das Fort verließ, konnte Mackenzie nur fassungslos den Kopf schütteln.

      In einer vorbildlich geordneten Reihe verschwanden sie samt Tross langsam am schlammigen Ufer das Concho River. Die blankgeputzten Uniformknöpfe blitzten in der Sonne, die Standarten und Fahnenwimpel wehten lustig über der reitenden Truppe. So waren sie mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen und Trommelschlägen aus dem Fort gezogen. Smith hatte es sich nicht nehmen lassen, seinen Säbel zum Abschied zu zücken. Auch der Adjutant, der ihn begleitete, ebenfalls ein ehemaliger Südstaatenoffizier, hatte es ihm gleichgetan.

      Mackenzie, der seinen Zeigefinger im Bürgerkrieg verloren hatte und deshalb von den Indianern nur Bad Hand oder Three Fingers genannt wurde, blickte von seinem Fenster aus mit fiebrigem Gesicht auf die abziehende Truppe, bis die Staubwolke, die die Pferde aufwirbelten, sie verschluckte. Nichts Gutes ahnend, wischte er sich über die aus der Stirn zurückgekämmten spärlichen Haare. Auf seiner geraden, hohen Stirn erschien eine Zornesfalte. Er selbst verabscheute Signalhörner, Trommeln und Säbelgerassel. Darum hatte er das alles kurzerhand abgeschafft, ohne sich auch nur einen Deut um die öffentliche Meinung oder die der anderen Offiziere zu kümmern. Auf seine eigene schroffe, unnachgiebige Art behandelte er seine Leute hart, aber gerecht. Sie liebten ihn nicht gerade, trotzdem konnten sie sich auf ihn verlassen. Seine Kampfeinsätze ähnelten sehr denen der damaligen Texas Ranger, die sich außerordentlich gut bewährt hatten. Unter seinem Kommando ritten die Soldaten nicht in Reih und Glied, auch nicht mit herausgeputzten Uniformen oder gezückten Säbeln. Mackenzies Methode bestand darin, sie in mehrere Stoßtrupps aufzuteilen, die in gnadenloser Jagd die Indianer bis weit in die Plains hinein verfolgten und – wenn es sein musste – in Einzelkämpfen stellte. Egal, wie lange es dauerte, um sie endlich zu erwischen – egal, wie verdreckt die Männer dabei wurden, das Ergebnis dieser ihm eigenen Art der Zerschlagung des Widerstandes auf den Plains gab ihm recht. Das Geheimnis seines Erfolgs war eigentlich ganz einfach: Diese Soldaten kämpften wie Comanchen gegen Comanchen.

      Smith dagegen war all seinen guten Ratschlägen gegenüber taub gewesen. Uneinsichtig hatte er darauf bestanden, dass die berittene Batterie Artillerie die Kavallerie in diesen Einsatz begleiten sollte. Das Material, das sie mitführten, bestand aus zwei Dreißigpfünder-Haubitzen und einer sechsläufigen Gatling-Gun. Die Gatling stammte noch aus dem Bürgerkrieg und war eine der wenigen gewesen, die dort zum Einsatz gekommen waren. Wo der Captain der Artillerie sie aufgetrieben hatte, blieb sein Geheimnis. Allerdings würde sie dieser ganze Aufwand am schnelleren Vorankommen hindern. Mackenzie führte bei seinen Einsätzen höchstens Dragoner mit sich.

      Oberstleutnant William Smith, ein Mann um die dreißig mit schütterem, hellem Haar, hatte nach dem Bürgerkrieg, in dem er bei der Artillerie gedient hatte, Schwierigkeiten gehabt, irgendwo in der sich neu orientierenden Armee Fuß zu fassen. Es war ihm mehr schlecht als recht ergangen. Da sein Büroposten für ihn allmählich unerträglich wurde und er ohne Aussicht auf Beförderung war, meldete er sich kurz entschlossen zur Kavallerie. Das war die einzige Truppe, bei der er für sich Chancen sah, weiterzukommen. Er, ein ehemaliger Südstaatenoffizier, fand dort bald Gleichgesinnte. Für viele seiner Herkunft galt das als einzige Möglichkeit, nach dem Krieg irgendwo unterzukommen. Die Männer aus dem Süden waren berühmt für ihre Reitkünste. Vielleicht ergab sich ja hier, weitab von der Kontrolle besserwisserischer Vorgesetzter, für ihn endlich eine gute Gelegenheit, seine Fähigkeiten zu beweisen. So von sich selbst überzeugt, wollte er mit diesem Einsatz glänzen.

      Er hatte kerzengerade im Sattel gesessen, seinen Kavalleriesäbel an der Seite, um Mackenzie, der am Fenster des Lazaretts stand, zum Abschied hochmütig zu grüßen. Seinem Befehl, ein Lied anzustimmen, waren seine Männer ein wenig lustlos nachgekommen. Nicht gerade die besten Sänger, klang es nicht einmal melodisch – auch ein wenig durcheinander. Die beiden Trompeter, die die Truppe begleiteten, schmetterten los, als gelte es, einen Preis zu gewinnen. Es wirkte beinahe so, als ritten sie zu einer Parade. Erst nachdem sie die erste Kurve hinter sich gelassen hatten, verstummten sie. Smith hatte, als er sicher war, durch die Staubwolke hinter ihnen nicht mehr gesehen zu werden, seinen Säbel wieder zurückgesteckt.

      Mit ihren ausgeruhten Pferden überquerte die ganze Truppe samt Tross zügig den Concho River. Dann wandten sie sich mit wehenden Fahnen, von denen einige das Kennzeichen der US-Armee mit der Nummer ihrer Kompanie in einer Ecke trugen, der vor ihnen liegenden Ebene zu. Sie kamen überraschend schnell voran und rasteten am ersten Abend am Fuße eines flach auslaufenden Hügels vor dem Concho. Oberstleutnant Smith rechnete damit, jeden Tag bei langsamem Trab etwa 60 Meilen zurückzulegen. Natürlich mussten sie sich dem Tempo der Artillerie anpassen. Doch das machte nichts. Für ihn war nur wichtig, diese mitgeführten Waffen irgendwann erfolgreich einsetzen zu können. In der Nacht zündeten sie überall im Lager vor ihren mitgeführten Zelten Feuer an. Einige der erfahreneren Männer dachten über diesen Leichtsinn anders. Doch Smith war der Meinung, hier – so nahe beim Fort – gäbe es keinen Grund, ängstlich zu sein. Seiner Überzeugung nach würden sie erst viel weiter westlich auf Indianer stoßen. Über diese offensichtliche Weisheit konnten die, die es besser wussten, nur die Köpfe schütteln. Vorsichtshalber schickte Smith dann doch seine Pawnee los. Sie kamen in der Nacht zurück, nur um ihm zu berichten, dass sie keine Spuren von Indianern entdeckt hatten.

      Am nächsten Morgen ritten sie die ersten vier Meilen im Schritt weiter, dann ließ Smith in langsamen Trab überwechseln und schließlich in wechselnden Trab. Dann wiederholte er das Ganze. Nur selten gab er den Befehl für gestreckten Galopp. Bald schon mussten sie wieder im Schritt reiten, um den Abstand zur Artillerie nicht allzu groß werden zu lassen. Ab und zu schickte Smith seine Pawnee voraus, um die genaue Beschaffenheit des Geländes zu sondieren. Schließlich gab es hier noch keinerlei