G. D. Brademann

Comanchen Mond Band 2


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      Was Icy-Wind betraf, so nahm er seinen Platz in der Gemeinschaft wieder ein, als sei nichts gewesen. Allerdings verschwand er nach seiner Genesung für einen halben Mond von der Bildfläche. Er hatte zwar mitbekommen – wer nicht? – dass seine ehemalige Zweitfrau mit Light-Cloud glücklich war, doch das schien ihn nicht mehr zu berühren. Man merkte es ihm jedenfalls nicht an. Manch einer behauptete, dass er sogar froh war, sie los zu sein. Als er wieder auftauchte, wusste niemand, wo er gewesen war. Er kümmerte sich ausschließlich um seine eigenen Angelegenheiten. Sein Tipi musste mit Wild versorgt und Wintervorrat angeschafft werden. Seine Kriegsgeräte besserte er selber aus. Crow-Wing jedoch hatte so viel zu tun, dass sie Tag für Tag nur herumhastete, um all das zu schaffen, was sonst zwei Frauen leisten mussten. Icy-Wind sorgte mit seinen besonderen Wünschen schon dafür.

      Swimmer hielt Wort und kümmerte sich indessen um Light-Clouds Braunen. Der Mustang erholte sich wieder.

      Eines Tages kam Storm-Rider auf seinem liebsten Kriegspony den Fluss herunter, band es vor dem Tipi Light-Clouds an und setzte sich zu ihm und Dark-Night. Vor Light-Clouds Tipi wuchs hohes, dichtes Gebüsch, das er zu einer Laube gebunden hatte. Dort hielt er sich oft im Schatten auf, um seine Wunden zu pflegen. Auch konnte ihn hier niemand sehen, wenn Dark-Night ihm kühlende Kompressen auflegte oder er einfach nur ruhte.

      Storm-Riders Achtung für Light-Cloud war enorm gestiegen. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie jemanden um etwas so hart kämpfen gesehen. Von klein auf gab es für ihn kaum einen Wunsch, der ihm nicht erfüllt worden wäre. Das Ansehen, das sein Vater genoss, kam ihm bei allem Unsinn, den er so trieb – und das war nicht wenig – wie ein Schutzschild zu Hilfe. Das wurde mit seinem Eintritt in die Gemeinschaft der Krieger auch nicht anders. Eigentlich hatte er das nie so gesehen, sondern immer geglaubt, seine Erfolge hätte er nur sich selbst zu verdanken. Vielleicht stimmte das ja auch zum Teil, doch da war immer der Schatten seines Vaters gewesen, der ihm vieles ermöglichte, was andere in seinem Alter erst beweisen mussten.

      Doch seit dem Winter, der bereits eine große Sonne zurücklag, hatte sich alles geändert.

      Je mehr er über sich nachdachte, desto einsilbiger wurde er. Für sein gutes Aussehen konnte er wahrhaftig nichts. Das schöne Gesicht seines Vaters war nur ein Erbteil. Von Moon-Night hatte er die braunen Augen mit den goldenen Sprenkeln – groß und offen, mit langen schwarzen, nach oben gebogenen Wimpern. Seine Haare ähnelten mit ihrem nachtdunklen bläulichen Schimmer dem der Ahnen seines Vaters. Zu seinem Verdruss wellten sie sich trotz aller gegenteiligen Bemühungen. Den O-beinigen Gang konnte er auf niemanden als sich selbst schieben. Das war schon so, seit er laufen konnte. Ansonsten hatte ihn hauptsächlich die Erziehung durch seinen Großvater, der einen großen Einfluss auf ihn gehabt hatte, geprägt. Dessen Wertvorstellungen waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen und das war etwas, worauf er stolz sein konnte. Natürlich hatte auch seine Mutter einen großen Anteil an seiner Erziehung gehabt. Ihre feinfühlige Art, Dinge zu sehen, die anderen verborgen blieben, brachte ihm den Ruf ein, ein guter Schlichter zu sein. Dass seine Mutter ihn vergötterte, war kein Geheimnis. Doch sie war es auch, die ihn immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte, wenn er zu prahlerisch oder selbstverliebt zu werden drohte und sich Eigenschaften anzueignen begann, die sie hasste. Eitelkeit gehörte dazu oder Ungerechtigkeit, auch das Übervorteilen von Schwächeren. So etwas duldete sie nicht. Von seinem Vater lernte er das Kriegshandwerk. Im Alter von dreizehn Wintern hatte er seinen ersten Feind getötet. Die Weibergeschichten, in die er laufend geriet, schadeten seinem Ruf nicht im Geringsten.

      Moon-Night lachte darüber und befürchtete nur, sie würden ihm zu sehr schmeicheln. Manchmal jedoch erschrak sie über die Kaltblütigkeit, mit der er die Mädchen abfertigte, wenn er genug von einer hatte. Deswegen redete sie ihm manchmal ins Gewissen – mehr aber auch nicht. Die Wahrheit jedoch war, dass es ihm egal war, wie viele zerbrochene Herzen er hinter sich ließ. Unwichtig, nicht des Nachdenkens wert. Keine hatte ihn nachhaltig interessiert. Auch nicht Magic-Flower, diese umwerfende Schönheit, die von Anfang an ernste Absichten mit ihm hatte. Die falschen Spielchen, die sie mit ihm spielte, durschaute er, der bei seinen Liebschaften immer alles bestimmte, nicht sofort. Dann rüttelte ihn ein Vorkommnis im vergangenen Mond der fallenden Blätter wach – machte ihm deutlich, wie nah er daran gewesen war, ihr in die Falle zu gehen. Der Spielraum zwischen Vergnügen und Ernst war weniger breit als die Schneide seines Messers. Er hatte sich von ihr benutzen lassen, nicht die Fäden gesehen, die sie spann, nicht auf das Gerede geachtet, das sie damals in Umlauf brachte. Was sich Magic-Flower in den Kopf gesetzt hatte, das musste auch genau so eintreten. Sie prahlte mit ihrem Verhältnis, das nie ein Verhältnis gewesen war. Erst als ihn Moon-Night darauf ansprach – schließlich munkelten die Frauen hinter vorgehaltener Hand bereits von Hochzeit – schreckte er auf. Da war der Schaden bereits angerichtet und ihm wurde klar, was das für ihn bedeutete. Er konnte nur von Glück reden, dass ihr Vater nicht darauf beharrte, sie ihm zu verkaufen. Oh ja, er hatte Schweigegeld bezahlt. Ein Pferd, damit er Ruhe gab und es zu keiner peinlichen Situation kam.

      Über all das dachte er jetzt wieder nach, während er auf dem Ehrenplatz in der Sommerlaube von Light-Cloud und Dark-Night saß. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich ernsthaft gefragt, ob das Bild, das er von sich selbst hatte, dem der anderen entsprach. Er war kein Mann, der nur auf sein Äußeres reduziert werden wollte. Seine Fähigkeiten bestanden darin, genau wie sein Vater andere Männer zu führen. Er musste endlich Prioritäten setzen, rauskommen aus der Ecke, in die er sich selbst durch seine Oberflächlichkeit hineinmanövriert hatte. Storm-Rider sah sich endlich als der, der er sein wollte – der begriff, worauf es ankam, was wirklich wichtig war und zählte. All das hatte er sich bereits vor einigen Monden in ihrem Winterlager an einem kleinen Seitenarm des North Canadian River vor Augen gehalten. Der Anlass dafür war etwas gewesen, was noch immer wie ein Dorn in seinem Fleisch schwärte, und er konnte diesen Blick aus ihren blauen Augen nicht vergessen.

      Mädchen, die ihm schmachtende Blicke zuwarfen, wurden ihm plötzlich lästig. Dinge, die ihm vorher unwichtig erschienen, traten jetzt in den Vordergrund. Das, was er vor nicht allzu langer Zeit bei seinem Vater abgelehnt hätte, entdeckte er jetzt an sich. Wie selbstverständlich fand er plötzlich seinen Platz in der Hierarchie der Männer und ihre Anerkennung für wirklich Wichtiges. Icy-Winds hochfahrendes, arrogantes Wesen, seine Selbstüberschätzung und diese Art, mit anderen umzugehen, legte er als Schwäche aus. So wollte er nicht sein. Die Überheblichkeit und Uneinsichtigkeit dieses Mannes, der ganz und gar von sich selbst überzeugt war, hatte sich in seinen Augen als Dummheit erwiesen. Wenn man davon wichtige Entscheidungen abhängig machte, setzte man sich leicht ins Unrecht, und das musste sich zwangsläufig irgendwann rächen. Auch verspätet einen Fehler nicht einzusehen, konnte einen Mann weit mehr kosten, als ihn zuzugeben. Icy-Wind hatte das nicht begriffen. Light-Cloud und Dark-Night hätte das beinahe das Leben gekostet und ihre kleine Gemeinschaft einen wertvollen Mann. Er jedenfalls sah das so – und viele andere auch, musste die Antilopenbande doch mit jedem Mann und jeder Frau rechnen. Der Verlust von gleich zwei Menschen wäre kaum zu verschmerzen gewesen. Nun, es war ja noch einmal gut ausgegangen.

      Von seinem Platz aus konnte Storm-Rider die kleine Mexikanerin sehen. Sie lag, noch immer geschwächt, auf einer weichen Büffelhautdecke gegen ein mit Moos gefülltes Lederkissen gelehnt. In ihrem schmalen, blassen Gesicht wurde ihre entstellte Nase von der für sie unentbehrlich gewordenen (trotz des Protestes von Light-Cloud beharrte sie darauf) breiten grünen Stoffbinde verhüllt. Ihre schmächtige Figur hatte so gar nichts mehr von der elastischen, biegsamen Schönheit von einst. Trotzdem schien das für Light-Cloud keine Rolle zu spielen.

      Über einer flachen, von Steinen eingefassten Feuerstelle hing ein Kessel. Dark-Night wollte gerade aufstehen, um dem Gast eine Schale mit heißem Kräutersud daraus zu bringen, da bezeugte er ihr mit einer Handbewegung, dass sie liegen bleiben sollte. Stattdessen bediente er sich selbst. Light-Cloud blickte erstaunt zuerst auf ihn und dann mit einem Lächeln auf seine Frau. Storm-Rider und Frauenarbeit? Die Augen des frisch ernannten Ehemannes bekamen noch immer diesen seltsam verklären Schimmer, wenn er seine Dark-Night anschaute. Storm-Rider wurde in diesem Moment klar, was er selbst schmerzlich vermisste.

      Die Unterhaltung der Männer ging weiter. Hauptsächlich drehte es sich dabei um wichtige Dinge – Pferde eben, immer nur um Pferde, ein unerschöpfliches Thema. Plötzlich horchte Storm-Rider auf. Er