Группа авторов

Grundwissen Psychisch Kranke


Скачать книгу

das hohe Risiko, psychische Begleiterkrankungen zu entwickeln. Persönlichkeitsgestörte Menschen leiden häufiger unter Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen. Sie weisen teilweise ein erheblich gesteigertes Suizidrisiko auf.

      Die höchsten Suizidraten finden sich bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen mit 4 - 10 % und vor allem bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen mit 14 %.24

      Die Geschlechterverteilung ist variabel. Je nach spezifischer Persönlichkeitsstörung findet man andere Verteilungen: Borderline-Persönlichkeitsstörungen betreffen z. B. in 80 % weibliche Patienten, antisoziale hingegen ganz überwiegend Männer.

       2.3 Ursachen und Entstehungsbedingungen

       Fazit

       Bei der Entstehung von Persönlichkeitsstörungen spielen biologische, psychologische und umgebungsbezogene (soziale) Faktoren gleichermaßen eine Rolle.25

      Am besten werden die Verhältnisse in dem sogenannten „Vulnerabilitäts-Stress-Modell“ abgebildet26, nach dem ein bestimmtes Temperament oder bestimmte Defizite unter ungeeigneten Entwicklungsbedingungen oder starkem Stressoren-Einfluss schließlich zur Persönlichkeitsstörung führen, die dann nicht selten eine Art „Selbstschutz“ beinhaltet (also z. B. Zwanghaftigkeit zur Abwehr von Verlust- oder Zukunftsängsten, Misstrauen zum Schutz gegen zwischenmenschliche Verletzung, Größenphantasien zur Abwehr von Minderwertigkeitsgefühlen etc.).

      Eine Variante des Vulnerabilitäts-Stress-Modells ist das Konzept der „invalidierenden Umgebung“27: Wird z. B. ein Kind mit einem lebhaften und hoch reaktiven Temperament auf Biegen und Brechen „gezügelt“ (z. B. in ein kirchliches Internat gegeben), oder wird ein Kind mit einer durchschnittlichen Intelligenz ständig zu schulischen Hochleistungen angespornt, verknüpft mit herabsetzenden Kommentaren im Falle des „Versagens“ oder verknüpft mit konditionaler Zuwendung („Liebe nur für Leistung“), so drohen daraus tiefer greifende Störungen des Persönlichkeitsgefüges zu entstehen.28

      Erblichen und biologischen Faktoren wird bei der Entstehung von Persönlichkeitsstörungen eine große Rolle zugeschrieben. Torgersen29 schätzt die Erblichkeit für die Gesamtheit der Persönlichkeitsstörungen auf 60 %. Dabei wird nicht unbedingt die Persönlichkeitsstörung selbst vererbt, sondern eben jene Anfälligkeiten (Vulnerabilitäten). Dies mag einer der Gründe dafür sein, dass man in den Familien persönlichkeitsgestörter Menschen gehäuft auch andere psychische Erkrankungen findet (z. B. Schizophrenien in den Familien von paranoiden und schizotypischen Persönlichkeitsstörungen).30

      Die Vulnerabilität liegt häufig im Bereich körperlich-neurophysiologischer Funktionen, beispielsweise in Form einer veränderten Schmerzsensitivität, einer übermäßigen Reagibilität emotionsverarbeitender Hirnzentren oder in Form einer veränderten Wahrnehmung des emotionalen Ausdrucks in Gesichtern.

      Über die psychologischen Entwicklungsbedingungen, die zur Ausprägung einer Persönlichkeitsstörung führen, herrscht bisweilen Uneinigkeit. So werden bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung einmal emotional entbehrungsreiche Kindheitsverhältnisse vermutet, ein anderes Mal zu starke Verwöhnung und Idealisierung des Kindes seitens der Eltern, dann wieder eine – abwechselnd forderndstrafende und verwöhnende – Pendelerziehung.31

      Besonders bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung werden gehäuft auch traumatische Entwicklungsbedingungen in der Kindheit gefunden (sexuelle Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung).

      Bei vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeiten wiederum lassen sich gehäuft ängstliche Vorbilder und/oder ein ambivalent-ängstlicher Erziehungsstil in der Familie identifizieren.

       3. Persönlichkeitsstile und Persönlichkeitsstörungen im Einzelnen

      Im Folgenden sollen die einzelnen Persönlichkeitsstörungen in Anlehnung an das DSM-IV vorgestellt werden. Dabei soll auf eine möglichst anschauliche Darstellung Wert gelegt werden.

      Nach der Darstellung der Kernmerkmale einer spezifischen Persönlichkeitsstörung sollen die jeweils wichtigsten sozialen und gesundheitlichen Probleme geschildert werden, ggf. auch unter Berücksichtigung polizeilich interessanter Fakten.

      Anschließend werden die jeweils zugehörigen Persönlichkeitsstile referiert, also die abgemilderten Formen der Persönlichkeitsstörungen, wie sie heute im psychotherapeutischen Sektor als hilfreiche Erklärungs- und Arbeitsmodelle üblich sind.32 Die Eigenarten der betroffenen Menschen werden damit auch in einer wertschätzenden und ressourcenorientierten Form besprochen, denn insbesondere wenn die Auffälligkeiten nicht sehr ausgeprägt sind, finden sich unter den Betroffenen häufig ausgesprochen leistungsfähige und einflussreiche Menschen, die ihre Charaktermerkmale in sozial wohlgelittener, ja wertschöpfender Form zur Geltung bringen.

      Persönlichkeitsvarianten, Persönlichkeitsstile, Persönlichkeitsstörungen begegnen uns tagtäglich in Alltag und Beruf. Ihre Kenntnis bedeutet nicht zuletzt Menschenkenntnis, die vor allem im polizeilichen Kontext stark gefordert ist. Auch aus diesem Grunde soll eher anschaulich-erzählend berichtet werden, statt Symptomkataloge referierend.

       Fazit

       Das DSM-IV unterscheidet drei Hauptgruppen (sogenannte Cluster33) von Persönlichkeitsstörungen, die jeweils gemeinsame Merkmale haben. Sie sind in Tabelle 2 dargestellt.

       Tabelle 2

Cluster nach DSM-IVA sonderbar-exzentrische PersönlichkeitenB dramatisch-emotionallaunische PersönlichkeitenC ängstlich-furchtsame Persönlichkeiten
paranoidschizoidschizotypischantisozialborderlinehistrionischnarzisstischvermeidend-selbstunsicherdependentzwanghaftpassiv-aggressiv

      Dabei finden sich in Cluster B diejenigen Persönlichkeitsstörungen, die am ehesten polizeilich relevant sind, weil sie einen riskanten Lebensstil führen und emotional zumindest in kritischen Situationen oft unterreguliert sind. Dies bringt besonders häufig selbstschädigende Verhaltensweisen und kurzschlüssiges, autoaggressives oder aggressives Handeln mit sich.

      Aus Cluster A sind vor allem die paranoiden und mit Einschränkungen auch die schizotypischen Persönlichkeitsstörungen forensisch relevant.

      In Cluster C finden sich diejenigen Persönlichkeitsstörungen, die das höchste Viktimisierungsrisiko tragen. Sie werden in bestimmten (auch beruflichen) Kontexten am häufigsten ausgenutzt, finden sich z. B. als Opfer häuslicher Gewalt und geraten ebenfalls häufiger in suizidale Krisen.

       3.1 Das Cluster A: Die sonderbar-exzentrischen Persönlichkeiten

      Im Cluster A der sonderbar-exzentrischen Persönlichkeiten finden sich die introvertierten und ungeselligen Menschen. Es sind Persönlichkeiten, die sich aus den mitmenschlichen Bezügen mehr oder weniger herausgelöst haben, im Affekt kühl oder fremd wirken, in ihrem Denken verschroben oder extrem. In der Realitätswahrnehmung und im Verhalten sind sie mitunter so exzentrisch und eigen, dass sie von anderen als Einzelgänger, Sonderlinge oder „Spinner“ wahrgenommen werden.

       3.1.1 Die paranoide Persönlichkeitsstörung34

      Die paranoide Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch ein situations-übergreifendes Misstrauen aus. Sie neigt dazu, selbst neutrale oder freundliche Handlungen der Mitmenschen als verächtlich, herabsetzend oder feindselig fehlzudeuten.

      Möchte der Partner alleine ausgehen, vermuten sie Untreueabsichten dahinter (Eifersucht); hat die Tochter einen neuen Freund, so ist das höchstwahrscheinlich ein Lump, den man besonders überprüfen muss; gibt es eine Neuerung im Beruf, so wird dahinter grundsätzlich eine „Machenschaft“ der Vorgesetzten zum Nachteil der Mitarbeiter gewittert; bittet ein Kollege um einen Gefallen, fühlen sie sich rasch ausgenutzt.

      Hinter