0,92
Folglich ist
Beispiel 3.3: Berechnung der Entropie bei tiefen Temperaturen
Die molare Wärmekapazität eines Feststoffs bei konstantem Druck und 4,2 K beträgt 0,43 J K–1 mol–1. Wie groß ist die molare Entropie des Stoffs bei dieser Temperatur?
Vorgehensweise Bei dieser niedrigen Temperatur können wir zur Berücksichtigung der Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität das Debye'sche T3‐Gesetz verwenden (Cp = aT3) und mithilfe von Gl. (3.20a) die molare Entropie als Funktion des Parameters a und der Entropie bei T = 0 schreiben. Bei der Integration stellen wir fest, dass das Ergebnis eine Funktion der Wärmekapazität bei der Temperatur T ist; durch Einsetzen der Zahlenwerte erhalten wir unmittelbar die Entropie.
Lösung Die Integralgleichung lautet
Daraus folgt nach Einsetzen der Zahlenwerte
Selbsttest 3.3
Bei Metallen liefern auch die Elektronen einen Beitrag zur Wärmekapazität, der in der Nähe des absoluten Nullpunktes linear von der Temperatur T abhängt; also gilt Cp,m(T) = bT. Berechnen Sie den von den Elektronen stammenden Beitrag zur Entropie bei tiefen Temperaturen.
[Antwort: Sm(T) = Sm(0) + Cp,m(T)]
3.3.2 Der Dritte Hauptsatz der Thermodynamik
Bei T = 0 gibt es keine thermische Bewegung der Teilchen mehr; in einem idealen Kristall sind alle Teilchen in einem regelmäßigen, starren Gitter angeordnet. Daher sollte man annehmen, dass alle Stoffe an diesem Punkt eine Entropie von null besitzen. Diese Schlussfolgerung steht auch mit der molekularen Interpretation der Entropie (siehe Abschn. 3.1) in Einklang: Wenn sich alle Moleküle im Grundzustand befinden, wie es bei T = 0 der Fall ist, dann existiert nur eine einzige Möglichkeit der Teilchenanordnung. Daher ist W = 1 (also nur ein möglicher Mikrozustand, der Grundzustand) und gemäß des Boltzmann‐Ausdrucks für die Entropie, S = k lnW, bedeutet dies folglich auch S = 0.
(a) Das Nernst'sche Wärmetheorem
Die thermodynamische Erkenntnis, dass bei Annäherung an den absoluten Nullpunkt der Temperatur die Entropien der dann aus regelmäßig angeordneten Teilchen bestehenden Stoffe gegen null gehen, wird auch als Nernst'sches Wärmetheorem bezeichnet:
Die Entropiedifferenzen bei allen physikalischen und chemischen Stoffumwandlungsprozessen nähern sich dem Wert null, wenn sich die Temperatur dem absoluten Nullpunkt nähert: ΔS → 0 für T → 0 (vorausgesetzt, die Atome aller beteiligten Stoffe sind dann völlig regelmäßig angeordnet, d. h., die Substanzen sind ideal kristallin).
Illustration 3.8
Die Entropie des Phasenübergangs zwischen orthorhombischem Schwefel S(α) und monoklinem Schwefel S(β) kann man aus der Übergangsenthalpie (−402 J mol−1) bei der Temperatur des Phasenübergangs (369 K) bestimmen:
Beide Entropien erhält man auch durch Messung der jeweiligen Wärmekapazitäten zwischen T = 0 und T = 369 K. Man findet Sm(α, 369 K) = Sm(α, 0) + 37 J K−1 mol−1 und Sm(β, 369 K) = Sm(β, 0) + 38 J K−1 mol−1, woraus für die Entropiedifferenz bei der Temperatur des Phasenübergangs folgt
Wenn wir diesen Wert mit dem obigen Ergebnis vergleichen, sehen wir, dass in Übereinstimmung mit dem Nernst'schen Wärmetheorem Sm(β, 0)−Sm(α, 0) ≈ 0 ist.
Aus dem Nernst'schen Wärmetheorem folgt: Wenn man allen ideal kristallinen Elementen bei T = 0 willkürlich eine Entropie von null zuordnet, gilt dies auch für alle ideal kristallinen Verbindungen (da am absoluten Nullpunkt auch alle Entropiedifferenzen bei der Bildung und Umwandlung chemischer Verbindungen null sind). Diese Schlussfolgerung nennt man auch den Dritten Hauptsatz der Thermodynamik:
Die Entropie aller ideal kristallinen Stoffe bei T = 0 ist null.
Thermodynamisch gesehen ist es nur eine Sache der Bequemlichkeit, dem gemeinsamen Wert der Entropie bei T = 0 gleich null zu setzen. Die molekulare Interpretation der Entropie jedoch rechtfertigt den Wert S = 0 bei T = 0 explizit, denn am absoluten Nullpunkt ist die Anzahl der Mikrozustände W = 1 (d. h. alle Moleküle liegen im Grundzustand vor).
Gelegentlich jedoch kommt es vor, dass bei T = 0 mehr als ein Mikrozustand zugänglich ist, also W > 1 und folglich S(0) > 0 ist. Das ist z. B. dann der Fall, wenn ein bestimmter Ordnungszustand selbst am absoluten Nullpunkt keinen energetischen Vorteil bringt. So kann die Energie zweier unterscheidbarer Anordnungen zweiatomiger Moleküle, etwa …AB AB AB… und …BA AB BA…, nahezu gleich sein, weshalb bei T = 0 dann W > 1 und folglich S > 0 ist. Man spricht von einer Nullpunktsentropie. Eis besitzt beispielsweise eine Nullpunktsentropie von 3,4 J K–1 mol–1 infolge verschiedener möglicher Anordnungen der Wasserstoffbrückenbindungen. Ein gegebenes Sauerstoffatom geht zu seinen Nachbarn zwei kurze O–H‐ und zwei lange O⋯H‐Bindungen ein; welche Bindungen kurz sind und welche lang, ist bis zu einem gewissen Grad dem Zufall überlassen.
Tab 3.3 Standardentropien bei 298 K nach dem Dritten Hauptsatz.*)
|
|
Feststoffe | |
Graphit, C (s) | 5,7 |
Diamant, C (s) | 2,4 |
Saccharose, C12H22O11 (s) | 360,2 |
Iod, I2 (s) | 116,1 |
Flüssigkeiten | |
Benzol, C6H6 (l) | 173,3 |