(siehe Abb. 2). Mit einem Animoji kann man nicken, man kann auf ein trauriges Gesicht ein Lachen folgen lassen oder genervt mit den Augen rollen – und dies stets parallel zur gesprochenen SprachnachrichtSprachnachricht. Die Entwickler von Animojis werben damit, dass diese kleinen, virtuellenvirtuell Gesichtsavatare mehr als 50 Muskelbewegungen verfolgen und nachahmen können (siehe Stark 2018).
Doch auch Animojis unterliegen gewissen Einschränkungen. Da sie nur den Kopf darstellen können, stossen sie schnell an ihre Grenzen. Sie können nicht die ganze Bandbreite menschlicher Ausdrücke verarbeiten, geschweige denn darstellen – vor allem nicht solche, die den ganzen KörperKörper einbeziehen. Die nonverbale Kommunikation beschränkt sich entsprechend auf die Mimik; Gesten werden komplett ausgeschlossen. Auf jeden Fall kann man ein AnimojiAnimoji-Kommunikat als eine erweiterte und modifizierte Art einer SprachnachrichtSprachnachricht ansehen. Je nachdem, welche Form gewählt wird, verleiht das Animoji der gesprochenen Nachricht eine andere Färbung. Die Tierdarstellungen wie auch die RoboterRoboter- und Gespensterköpfe haben eher spielerischen, unterhaltsamen Charakter.3 Die personalisierte Version hingegen kann die Sprachnachricht persönlicher erscheinen lassen, weil die Empfänger*innen in dem animierten Gesicht die Sender*innen wiedererkennen, auch wenn es sich natürlich immer noch um eine Reduktion und Vereinfachung handelt. Trotz der Ähnlichkeit zwischen Animoji und Sender ist eine Animoji-Nachricht aber unpersönlicher als eine Nachricht über ein Video. Denn beim Animoji ist es ja, im Gegensatz zu einer Videoaufnahme, nicht das eigene Ich, das die Nachricht wiedergibt, sondern ein AvatarAvatar, eine Art Bote, der mit der Stimme der Sender*innen zu den Empfänger*innen spricht.
Neben dem Übermitteln von Inhalt spielt bei der Nutzung von Animojis auch der Aspekt Gamification eine wichtige Rolle: Animojis ermöglichen den NutzerNutzer*in*innen, Online-Personen zu kreieren, die die Gestalt von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder populären YouTubern annehmen, und auf diese Weise deren Rolle zu spielen. Oder sie erlauben, mit den eigenen äusseren Eigenschaften zu spielen – das beginnt bei der Veränderung der Frisur und kann bis zum bereits erwähnten Genderwechsel führen. Im Gegensatz zu einem Videochat ist mit Animojis aber keine synchrone KommunikationKommunikationsynchrone möglich. Das heisst, dass die Empfänger*innen einer Nachricht, anders als bei einem Face-to-Face-Face-to-Face-Gespräch oder Video-Gespräch, den Sprechakt des Kommunikationspartners nicht simultan miterleben. Aufgrund der Quasi-SynchronizitätKommunikationquasi-synchrone haben sie auch keine Möglichkeit, in das Kommunikationsgeschehen einzugreifen, vielmehr können sie immer erst das Endprodukt der Nachricht ansehen bzw. anhören (siehe Howind 2020: 16). Die Kommunikation mittels AnimojiAnimoji bleibt also eine Annäherung an reale menschliche Kommunikation, indem visuelle Elemente die gesprochene Sprache begleiten. Gleichzeitig entfernt sich die Animoji-Kommunikation von natürlicher Kommunikation, indem sie die über die Kamera aufgenommenen Signale zu einer Maske verarbeitet und so die Realität verzerrt.
3.2 Auditive Ebene – Vergleich zwischen Sprachnachrichten und Animojis
Was auf der auditiven Ebene geschieht, ist mit einer herkömmlichen SprachnachrichtSprachnachricht vergleichbar, die auch über WhatsAppWhatsApp versendet werden kann. Deshalb beziehen wir uns für die Analyse der lautlichen Ebene auch auf Literatur zu WhatsApp-Sprachnachrichten. Eine aktuelle Publikation zu dieser Thematik stammt von Howind, der durch die Analyse eines Korpus mit 82 Sprachnachrichten zeigt, wann und zu welchem Zweck Sprachnachrichten verwendet werden (Howind 2020). Seine Erkenntnisse können Hinweise auf die Nutzung von Animojis geben. Es handelt sich nämlich bei beiden Phänomenen um nicht simultane, quasi-synchroneKommunikationquasi-synchrone oder asynchrone KommunikationKommunikationasynchrone (siehe Howind 2020: 5 und siehe Tabelle 2). Denn sogar wenn die beiden Kommunikationspartner gleichzeitig online sind, gibt es immer eine Verzögerung, zuerst durch die Aufnahme der Nachricht und anschliessend durch das Abspielen. Auch in diesem Fall ist der kommunikative Austausch also nur quasi-synchronKommunikationquasi-synchrone.
Gespräch (face-to-face) | Sprachnachricht (z.B. WhatsApp) | Animoji- Aufnahme | Textnachricht (z.B. WhatsApp) | |
Synchronizität | synchron | quasi-synchron oder asynchron | quasi-synchron oder asynchron | quasi-synchron oder asynchron |
Visualität | gegeben | nicht gegeben | gegeben | gegeben |
Tab. 2:
Überblick – verschiedene KommunikationsformenKommunikationasynchroneKommunikationsynchroneKommunikationquasi-synchrone
Die Aufnahme hält in beiden Fällen die Charakteristika der Stimme der Sprecher*innen fest (bspw. die dialektale Färbung, Tonhöhe etc.), ebenso para- und nonverbale Merkmale wie Lachen, Räuspern oder auch Denkpausen. Hintergrundgeräusche werden von einer SprachnachrichtSprachnachricht ebenfalls aufgezeichnet, sei dies z.B. Strassenlärm oder Musik (siehe König/Hector 2017: 11). So können durch das Versenden einer Sprachnachricht (und eines AnimojiAnimoji) neben der sprachlichen Information – bewusst oder unbewusst – auch Hinweise auf die Umgebung, in der sich die Senderin oder der Sender befindet, übermittelt werden. Durch den bewussten Einbezug der Hintergrundgeräusche während der Aufnahme einer Sprachnachricht als Teil einer Szenerie kann der Nachricht, so König/Hector (2017), ein theatralischer Effekt verliehen werden. Bei der Aufnahme während eines Konzerts zum Beispiel kann bewusst Raum für die Musik gelassen werden, um dem Empfänger oder der Empfängerin zu zeigen, wo man sich befindet und wie die Stimmung ist.
Sprachnachrichten wie auch AnimojiAnimoji-Aufnahmen können vor dem Versenden angehört und bei Bedarf gelöscht werdenSprachnachrichtNutzer*in.WhatsApp1 Beide Kommunikate können aber immer nur als Ganzes gelöscht werden. Das bedeutet, es ist nicht möglich, wie bei einer geschriebenen Nachricht nur einen Teil zu ändern oder zu entfernen. Ist das Kommunikat einmal versendet, bleibt es, anders als bei einem Telefongespräch, auf dem SmartphoneSmartphone gespeichert. Ausserdem können Animojis, wie auch Sprachnachrichten, nur dann ‹heimlich› rezipiert und aufgenommen werden (König/Hector 2017: 13), wenn man Kopfhörer verwendet. Geschriebene TextnachrichtenTextnachricht hingegen kann man zum Beispiel während einer Sitzung verschicken und lesen, ohne dass dies jemand merkt oder andere Personen durch das Aufnehmen oder Abspielen der Nachricht gestört werden.
3.3 Animojis als audiovisuellesAudiovisualität Phänomen
Wir haben dargelegt, welche Elemente auf der visuellen und auditiven Ebene von Bedeutung sind. Im Folgenden soll erläutert werden, wie sich diese beiden Ebenen beeinflussen. Herring et al. (2020: 2) zeigen anhand ihrer Untersuchungsergebnisse, dass der Einsatz von Animojis als maskenähnliche Ersatzpersonen das Potenzial hat, die Kommunikation und das Sozialverhalten von Personen zu beeinflussen: Diejenigen Personen, die AnimojiAnimoji-Kommunikate produzieren, tun dies, indem sie z.B. ihre normale Sprechstimme durch phonologische und prosodische Modifikationen stilisieren. Zudem verwenden sie Dialekte oder einen theatralischen Sprachstil mit einem Inhalt, der sich oft direkt oder indirekt auf dieses Animoji oder MemojiMemoji bezieht (siehe Herring et al. 2020: 14). Die Animojis (als visuelles Phänomen) haben also auf den Sprachgebrauch (als auditives Phänomen) einen Einfluss: Je nachdem, welches Animoji verwendet wird, können auf gesprochen-sprachlicher Ebene unterschiedliche dialektale oder stilistische Variationen auftreten. Animojis stellen damit einen Teil eines umfassenderen Paradigmenwechsels von statischen Mitteln der digitalen Selbstdarstellung (wie SelfiesSelfie und Bitmoji-Sticker) hin zu dynamischeren und interaktiven Avataren dar, durch die zunehmend mittels gesprochener Sprache kommuniziert wird (siehe Herring et al. 2020: 15). Diese Tendenz – vom Statischen hin zum Dynamischen – scheint