Andreas Rauch

Musikeinsatz im Französischunterricht


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und die Absicht (end) des Büchleins:

      Zu diesem end hat der Hocherleuchte Mann / und thewre Werckzeug Gottes D. M. Luther / vnd andere Geystreiche / Gottselige Lehrer gesehen / in dem sie die Psalmen Davids / als auch andere Geystliche Lieder / in Teutsche Reymen verfasset / sampt angehenckten schönen lieblichen Melodeyen / dieselbige in der Christlichen Kirchen zu singen und zu gebrauchen.8

      Foillet bezeichnet Luther als „Werckzeug Gottes“, der als Lehrer hilft, das Gebet anhand des Einsatzes von „Melodeyen“ und Gesang zu gebrauchen, also aktiv anzuwenden, und auch zu wiederholen und zu üben.9 Der Erfolg der (gesungenen) Psalmen wird sich nach Foillets Prognose auch in der französischen Übersetzung bei den frankophonen protestantischen Gemeinden als nützlich erweisen: „Also werden sie ohne allen zweyfel / wie sie bereit in das Frantzoesisch gebracht worden / auch ihren Herzlichen nutzen haben / besonders in denen Kirchen / so der rechten vnverenderten Augsburgischen Confession beygethan.“10

      Foillet nutzt die (damals konventionell üblichen) stilistischen Mittel der Unter- und Übertreibung, die er mit Parallelen der Herausgeberfiktion verbindet: Zufällig sei ihm ein Exemplar der französischen11 Originalausgabe des Psalters „underhanden kommen“. Er war der erste, der eine deutsch-französische Interlinearversion in einem Band zusammengestellt und auch die Reime angepasst habe für den Kirchengesang, die zur Ehre Gottes sowie als Unterstützung und geistliche Auferbauung („aufferbawung“)12 der Gemeinde dienen:

      Derowegen als mir ohne lengsten das Frantzösische geschriebene Original exemplar vnderhanden kommen / darinnen der gantze Psalter Davids / sampt andern fuernembsten Geystlichen Liedern verfasset vnd begriffen / auß allerley reinen Teutschen Psalmen vnd gesangbuechlein zusammen getragen / in Frantzoesische reymen und in ein Volumen gebracht / so auch biß anhero niemalen gesehen noch getruckt worden: als hab ich nicht vnderlassen koennen / dasselbige zur ehr Gottes / vnd aufferbawung seiner Kirchen an das tagliecht herfuer zu bringen.13

      Die Interlinearversion hatte den Vorteil, dass auch die Metrik angepasst wurde. Somit konnte das Gesangsbüchlein sowohl in deutsch- als auch in französischsprachigen Gemeinden und natürlich auch in zweisprachigen Gemeinden wie in Mömpelgard / Montbéliard angewendet werden. Die zweisprachigen Gesangsbücher sind letztlich auch ein Indikator für die Defizite in der deutschen Sprachkompetenz vieler zugezogener frankophoner Bürger nach Mömpelgard, wobei die Interlinearversion eine wichtige kommunikative Brückenfunktion bildete. Hierbei zeigte sich das Bedürfnis, in der einen Sprache zu singen und gleichzeitig am Rand die (muttersprachliche) Version mitzulesen, um besser zu verstehen. Das Gesangsbüchlein hat als prototypische Version somit Pilotcharakter für weitere zweisprachige Ausgaben und ist damit ein erstes Lehrwerk für den zweisprachigen Einsatz von Liedern im Fremdsprachenunterricht:

      Vnd damit es desto fueglicher vnd mit mehrerm nutzen beydes in Teutschen und Frantzösischen Kirchen koendte gebraucht werden: wie mit weniger / damit man sehe / daß das Frantzösische dem Teutschen allerdings / vnd fast von Wort zu wort gleichstimmend ist14 / habe ich mit Gott meinen mueglichsten fleyß vnd arbeyt angewendet / daß es in beyden sprachen moechte herfuerkommen.15

      Eine interessante parallele Entwicklung stellt die Evolution der Sprach- und Kulturassimilation der Hugenotten in Preußen dar. Seit 1560 nannte man die Evangelischen reformierten Bekenntnisses huguenots.16 Mit dem Revokationsedikt von Fontainebleau 1685 durch Ludwig XIV. wurde das Edikt von Nantes aufgehoben und das reformierte Bekenntnis verboten. Dies löste einen Exodus der Glaubensflüchtlinge aus. „Einige hunderttausend Hugenotten verließen Frankreich, um in protestantischen Ländern Europas Zuflucht zu suchen, nicht zuletzt in deutschen Territorien.“17 Dabei kam die Aufnahme der Hugenotten in Preußen der „fürstlichen Einwanderungs-, Wirtschafts- und Peuplierungspolitik entgegen, die darauf gerichtet war, die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges zu überwinden und das kulturelle und wirtschaftliche West-Ost-Gefälle in Europa auszugleichen.“18

      Kuhfuß schreibt, dass 1672 die ersten Hugenotten sich in Berlin niederließen, 1688 erhielten sie Versammlungsfreiheit in den Kirchen der Stadt und ab 1700 verfügten sie über eine eigene Kirche.19 Die Hugenottenprivilegien umfassten wirtschaftliche und kulturelle Vorrechte.20 Das Französische wurde besonders gepflegt und zur offiziellen Sprache in den Domänen Kirche, Familie sowie Schule. Noch vor dem Aufbau eines Elementarschulwesens erhielten die Hugenotten mit dem Collège royal françois 1689 ein erstes eigenes Gymnasium, wobei der Unterricht auf französisch stattfand.21 Die weltoffene, frankophile Politik Friedrichs II. förderte die Hugenotten in Preußen:

      depuis 1740, Frédéric II y favorise une culture francophile et francophone et entretient une cour à la française. Berlin constitue donc un milieu favorable aux réfugiés protestants francophones venus s’y installer en grand nombre après la promulgation de l’Édit de Potsdam en 1685.22

      Wie viele Adelige seiner Zeit war Friedrich II. französisch erzogen worden. Der aufgeklärte „prince-philosophe“ sprach wohl besser französisch als deutsch.23 Der Hof Friedrichs II. favorisierte französische reformierte Glaubensflüchtlinge als Lehrer und Erzieher, und in Berlin wurden französische Kindermädchen und Gouvernanten eingestellt.24 Durch ihre bilingualen Kompetenzen wurden die Hugenotten oft auch als Sprachmeister angestellt.25 Ein interessantes Beispiel der Réfugiés in einer deutschsprachigen Umgebung stellt die 1725 gegründete Maison des Orphelins in Berlin dar, die für die Erziehung und Bildung der hugenottischen Waisen bestimmt war. Durch einen umfangreichen Elementarunterricht wurden die Jungen auf handwerkliche Berufe vorbereitet und die Mädchen auf eine Arbeit als Gouvernante und Erzieherin: Das Bildungskonzept wird vom damaligen Direktor Humbert wie folgt charakterisiert: „Nos enfans apprennent à lire, à écrire, en allemand et en françois; à chiffrer, la religion. Le but de notre etablissement n’est pas d’en faire des sçavans, mais de bons citoyens, propres à apprendre une bonne profession.“26

      In den französischen Gemeinden war damit das Standardfranzösische die Sprache für Kult, Bibel- und Katechismusunterricht.27 Die Verwendung des Hugenottenpsalters28 kann in den reformierten Gemeinden als Gradmesser der Verwendung des Französischen in den Hugenottenkolonien gelten. Die französische Sprache im Gottesdienst war „zum ausschlaggebenden Identifikationskriterium geworden“.29 Die sprachliche Akkulturation, also das Hineinwachsen der Hugenotten in die neue kulturelle Umwelt, die sprachliche Integration dieser Migranten, die schrittweise ihre Sprache aufgaben und zur deutschen Sprache übergingen, kann als komplexer Prozess verstanden werden. Ein Sprachwechsel im Sinne von Weinreichs language shift30 umfasst den Wechsel im habituellen Gebrauch einer Sprache zur anderen und untersucht dabei auch die sozialen Aspekte als Phänomen des Sprachkontakts.31 Manuela Böhm charakterisiert den Sprachwechsel als

      komplexe[n] Prozess, der generell darin besteht, dass innerhalb eines beobachteten Zeitraums immer mehr Sprecher einer mehrsprachigen Gemeinschaft in immer zahlreicheren Situationen statt der bislang dominanten Sprache A zunehmend die Sprache B benutzen. Einem Sprachenwechsel geht demnach immer zwingend ein Stadium der Mehrsprachigkeit voraus, in dem für die involvierten Sprachen bestimmte Funktionen und Domänen ihrer Verwendung, unter Umständen mit diglossischer Struktur, ausgebildet werden. Funktions- und Domänenaufteilung bleiben aber nicht dauerhaft bestehen: Der Sprachwechsel nähert sich seinem Ende in dem Maße, wie der Sprecher die Domänen und Funktionen für Sprache A beschränken und Sprache B ausbauen.32

      Frédéric Hartweg hat den Sprachwechsel bei den Hugenotten Berlins detailliert dargestellt.33