Marianne Franz

Die katholische Kirche im Pressediskurs


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„Mächtigkeit einiger Mächtiger“ zu verstehen ist, sondern als „komplex[e] strategisch[e] Situation in einer Gesellschaft“ (Foucault 1997, zitiert nach Warnke/Spitzmüller 2008b: 18). Analyse von Machtstrukturen kann oder muss sich sogar auch in der Beschreibung sozialer Strukturen und Dynamiken äußern, die in den Diskursen einerseits abgebildet, andererseits von ihnen auch geschaffen werden.

      In der Entwicklung der noch jungen germanistischen Diskurslinguistik haben sich zwei Lager herausgebildet, die sich zwar jeweils auf Foucault berufen, nichtsdestoweniger jedoch so unterschiedliche Ansichten und Zugangsweisen zur DiskursanalyseDiskursanalyse haben, dass sie quasi getrennte Wege gehen und keine Zusammenarbeit stattfindet (Warnke/Spitzmüller 2008b: 19). Die Rede ist von der bereits von Heinemann erwähnten Kritischen Diskursanalyse sowie von der in der Tradition der Diskurssemantik stehenden linguistischen Diskursanalyse. Der dem Anschein nach gravierende Unterschied der beiden liegt in der Ausrichtung der Diskursanalyse. Die Kritische Diskursanalyse (KDA) hat ganz offen die Kritik herrschender Machtstrukturen zum Ziel, wovon die linguistische Diskursanalyse dezidiert Abstand nimmt. Letztere bezieht Position gegen WertungenBewertung in der Analyse und hält eine derartig wertende und kritisierende Vorgehensweise sogar für unwissenschaftlich. Diese Richtung der Diskurslinguistik sieht die Aufgabe der Wissenschaft in der Deskription (und nicht in der Kritik). Die geforderte Analyse der diskursiven Machtstrukturen bleibt in der Diskursbeschreibung verhaftet. Trotzdem plädieren Warnke und Spitzmüller, deren Zugang der deskriptiv linguistischen Diskursanalyse zuzuordnen ist, für einen Austausch zwischen den beiden Lagern, den sie als profitabel einschätzen (vgl. Warnke/Spitzmüller 2008b: 19). Sie finden aber, dass „explizite Gesellschaftskritik […] kein primäres Ziel der Diskursanalyse“ oder „die alleinige Aufgabe der Diskurslinguistik“ sein soll (Warnke/Spitzmüller 2008b: 22). Die Aufgabe der performanzorientierten Diskurslinguistik besteht in der Beschreibung sprachlicher Oberflächenphänomene (Warnke 2007b: 13). Es geht hier um die „Strukturierung kognitiver Schemata in Äußerungsroutinen“, um die „Beschreibung von Wissensarchitekturen“, etwa die „RekonstruktionRekonstruktion des Identitätsdiskurses“, immer auf der Suche nach sprachlichen Mustern (vgl. Warnke/Spitzmüller 2008b: 22). Warnke und Spitzmüller stellen ein Ebenenmodell vor (Diskurslinguistische Mehr-Ebenen-Analyse, DIMEAN), das weniger ein Leitfaden für die Durchführung einer Diskursanalyse ist, als vielmehr dabei helfen soll, diskurslinguistische Gegenstände erst einmal zu finden bzw. abzugrenzen. Das Modell besteht aus einer intratextuellen (u.a. Analyse der Mikro- und Makrostruktur des Textes), einer Akteurs- (Analyse der Handelnden hinter dem Text) und einer transtextuellen Ebene (diskursorientierte Analyse). Die transtextuelle Ebene ist die eigentliche Ebene, auf der Diskursanalyse stattfindet, auch wenn dieser die Analyse der beiden anderen Ebenen vorausgehen muss. Dabei gibt es zahlreiche Möglichkeiten bzw. Gegenstände diskursorientierter Analysen: Intertextualität, Schemata (Frames/Scripts), diskursschematische Grundfiguren, Topoi, Sozialsymbolik, indexikalische Ordnungen, Historizität, Ideologien/MentalitätenIdeologie (s. a. Welt- und Wertvorstellungen), allgemeine gesellschaftliche und politische Debatten. Die verschiedenen Aufsätze des Sammelbandes von Warnke und Spitzmüller widmen sich einigen dieser diskursanalytischen Gegenstände (vgl. Warnke/Spitzmüller 2008b: 23–43).

      Der deskriptiven Diskurslinguistik stehen die inzwischen zahlreich gewordenen Spielarten der KDA bzw. CDA gegenüber, die sich in ihrem theoretischen Unterbau, ihrer Methodologie und ihren Forschungsschwerpunkten unterscheiden, aber ein gemeinsames Ziel verfolgen: Egal ob die Duisburger Schule um Siegfried Jäger, die Wiener Schule um Ruth Wodak oder die englische Variante um Norman Fairclough (ein Vorreiter in dieser Hinsicht ist auch der Niederländer Teun van Dijk) – das erklärte Anliegen ist es, Machtstrukturen aufzudecken und Gesellschaftskritik zu üben. Manche Varianten wollen auch dezidiert die Gesellschaft verändern; bei diesen liegt das Ergebnis der DiskursanalyseDiskursanalyse in „Verbesserungsvorschlägen“.2

      Nach Jäger (2009: 25) ist DiskursanalyseDiskursanalyse im Grunde per se kritisch, weil sie „verdeckte Strukturen sichtbar macht (die man dann kritisieren kann oder auch nicht)“. Doch „kritisch“ im engeren Sinn wird sie erst, „wenn sie mit begründeten moralisch-ethischen Überlegungen gekoppelt wird“. Die Kritische Diskursanalyse nach Jäger (vgl. Jäger 2010a: 34) widmet sich gesellschaftspolitischen Themen wie Migration, Rassismus, Rechtsextremimus, Krieg und Frieden, Kriminalität u.a. Der Wiener (diskurs-historische) Ansatz „lehnt die Vorstellung ‚wertneutraler Wissenschaft‘ ab, versteht sich also als ‚anti-objektivistisch‘“ (Reisigl 2007, Absatznr. 17), und untersucht die Zusammenhänge zwischen Sprache, Diskurs und Geschichte, zwischen Geschichte, Politik und Sprache oder Diskurs, Sprache und Identität oder auch institutioneller Kommunikation. Dabei werden Themen behandelt wie Nationalsozialismus, Antisemitismus, Rassismus, sexistischer Sprachgebrauch, nationale Identitätskonstruktion oder auch Identitätskonstruktion in der EU (vgl. Reisigl 2007).

      Für die Analyse in der vorliegenden Arbeit wurde die Methode der Kritischen DiskursanalyseDiskursanalyse nach Jäger gewählt, deren zentrale Eckpunkte im folgenden Abschnitt abgesteckt werden.

      5.3 Kritische DiskursanalyseDiskursanalyse nach Jäger

      Obwohl Jäger Sprachwissenschaftler ist und seine in den 1990ern entworfene und seither weiterentwickelte Methode der KDA wohl als Weiterentwicklung von der Textanalyse zur DiskursanalyseDiskursanalyse gesehen werden kann, verortet er sie nicht als linguistische, sondern als inter- oder auch transdisziplinäre Methode.1 Die KDA ist für ihn „ein Projekt qualitativer Sozial- und Kulturforschung, das sich auch einer Reihe sprachwissenschaftlicher Instrumente bedient“. In ihrer Interdisziplinarität geht sie „bewusst über die Diskurslinguistik hinaus, die sich allein oder doch fast allein auf linguistische Begrifflichkeiten und Verfahren beschränken möchte“ (Jäger/Zimmermann 2010: 5). Jäger grenzt sich hier von einem Verständnis der Diskurslinguistik ab, wie sie Warnke und Spitzmüller vertreten: Die Diskurslinguistik, „sofern sie sich auf eine einzige Disziplin reduziert, verkennt in manchen Ausarbeitungen die Möglichkeiten inter- und transdisziplinärer Kooperation“ (Jäger 2010b: 43f.).

      Jäger, der sich als Sprachwissenschaftler immer schon für den „Zusammenhang von Gesellschaft, Individuum und Sprache“ interessiert hat, scheint an linguistische Grenzen gestoßen zu sein, die sich die Linguistik selbst gesetzt hat, denn „zusammen mit den Inhalten wird […] im Grunde zugleich alles Gesellschaftliche aus der Linguistik vertrieben“ (Jäger 2009: 12). Er kritisiert an der Linguistik im Allgemeinen

      „eine Beschränkung der Linguistik auf sich selbst, eine technokratische Verkürzung, die Linguisten daraus meinen ableiten zu müssen, daß in allen Wissenschaften und in jedem Alltag Inhalte vorkommen, für die die Linguistik, der Linguist/die Linguistin nicht kompetent seien“ (2009: 13).

      Nach Jäger gilt es diese Position in der Linguistik zu überwinden. Ihm geht es „letzten Endes um die Entwicklung eines integrierten theoretischen und methodologischen kulturwissenschaftlichen Ansatzes für Gesellschaftstheorie und Gesellschaftsanalyse“ (Jäger 2009: 25). Dass seine Kritische DiskursanalyseDiskursanalyse, auch wenn er sie sozial- und kulturwissenschaftlich verortet, dennoch in stark linguistischer Tradition steht, zeigt aber z.B. auch, dass Jäger sie an anderer Stelle als „sprach- und sozialwissenschaftlichen Ansatz“ beschreibt, mit dem er die Soziolinguistik ablösen möchte (vgl. Jäger 2009: 51).

      Für die Entwicklung seiner Methode hat Jäger sich einerseits von Michel Foucault, vor allem in der Rezeption durch Jürgen Link, andererseits von Alexei Nikolajewitsch Leontjews Tätigkeitstheorie inspirieren lassen. Leontjews Theorie, die „zwischen Subjekt- und Objektwelt unterscheidet“ und die Tätigkeit als vermittelnde Instanz zwischen diesen Ebenen erkennt (Jäger 2009: 111), hilft Jäger, die Verbindung zwischen Subjekt und Diskurs, zwischen Individuum und Gesellschaft zu erklären und auch ein der DiskursanalyseDiskursanalyse angemessenes Textverständnis zu entwickeln (vgl. 2009: 21f.).2 Subjekte bilden sich abhängig von soziohistorischen Bedingungen und sind Produkt menschlicher Tätigkeit; sie konstituieren sich „im und durch den Diskurs“ (2009: 21). Diskurse sind ebenfalls Produkte menschlicher Tätigkeit. Texte sind Diskursfragmente und

      „[…] im Sinne der Tätigkeitstheorie Ergebnisse der Denktätigkeit von Individuen. Ihre Produktion beruht auf sozialisatorisch angeeignetem Wissen, den jeweiligen Motiven der sprachlich Handelnden und den verfügbaren Ressourcen