Marianne Franz

Die katholische Kirche im Pressediskurs


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4.1). Des Weiteren wurde aufgezeigt, dass Pressetextsorten dazu tendieren, sich immer mehr zu vermischen, und dass damit die Grenzen zwischen meinungs- und informationsbetont verschwimmen (siehe Abschnitt 4.2).

      Die Ergebnisse können der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegt werden. So helfen die beschriebenen Textsortenmerkmale dabei, die Zeitungsartikel nach Textsorten zu kodieren und die gewonnenen Daten zu interpretieren (z.B. hinsichtlich der Distribution der impliziten und expliziten Bewertungen nach Textsorten; hierzu siehe die Auswertung der Diskursanalyse in Abschnitt 13.3).Diskurslinguistik

      

      5 DiskurslinguistikDiskursDiskursanalyse

      Eine weitere sprachwissenschaftliche Teildisziplin, aus der die vorliegende Arbeit schöpft, ist die noch junge Diskurslinguistik. Sie ist insofern interessant, als dass sie Strukturen, Muster und Besonderheiten über Einzeltexte hinaus beschreibt. Die Kritische DiskursanalyseDiskursanalyse nach Jäger bildet die Grundlage der für die Artikelanalyse entworfenen Methode.

      Unter Diskurslinguistik ist jedoch nicht die Gesprächslinguistik bzw. -analyse zu verstehen (die im Englischen ja „discourse analysis“ heißt), sondern eine mit der TextlinguistikTextlinguistik verwandte Forschungsrichtung, die aus der linguistischen Rezeption der DiskurstheorieDiskurstheorie, vor allem der Diskurstheorie nach Michel Foucault (1926–1984) erwachsen ist. Der Terminus „Diskurs“ bezeichnet demnach nicht „Gespräch“, sondern „eine strukturelle Einheit“, „die über Einzelaussagen hinausgeht“ (Warnke 2007b: 5). Texte sind „in Diskurse im Sinne textübergreifender Strukturen eingebettet“ (Warnke 2007b: 7). Diskurslinguistik resultiert also aus der Überwindung des Verständnisses, dass ein Text die größte linguistisch zu beschreibende Einheit ist. Gegenstand linguistischer Analyse ist damit nicht länger „die begriffliche Architektur eines isolierten Textes“ (Warnke 2007b: 15), sondern sind „textübergreifende Strukturen von Sprache“ (Warnke 2007b: 16). Die Diskurslinguistik bricht damit „die Abgrenzung von vorhergehenden, umgebenden und nachfolgenden Äußerungen“ (Warnke 2007b: 17) auf, wie es sie in textlinguistischen Analysen gibt, wo Einzeltextphänomene untersucht werden. Warnke zufolge (2007b: 18) sind Diskurse „insofern nicht einfach thematisch zusammengestellte Korpora, sondern offene Gesamtheiten von Aussagen, die stets nur exemplarisch und in Ausschnitten ihrer Streuung wissenschaftlich zu beschreiben sind“.

      5.1 DiskurstheorieDiskurstheorie nach Foucault

      Um besser nachvollziehen zu können, was bzw. welche Weltanschauung und Gesellschaftstheorie mit dem Terminus „Diskurs“ mitschwingt, ist zumindest ein kurzer Blick auf Foucaults DiskurstheorieDiskurstheorie notwendig. Foucaults Anliegen war es, das Zustandekommen gesellschaftlichen Wissens zu rekonstruieren. Er wollte „eruieren, warum und wie bestimmte Denkschemata eine Epoche prägen und die Perspektive bestimmen können, unter der die Menschen die Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einem bestimmten Raum sehen“ (Heinemann 2005: 23). Die Organisation von Gesellschaften wird nach Foucault wesentlich durch die sogenannten Diskurse geleistet, indem diese „Weltbilder, Gesellschaftsdeutungen und sozial wirksame Klassifikationen [hervorbringen]“ (Diaz-Bone 2005: 539). Was Foucault exakt unter dem Terminus „Diskurs“ versteht, hat er nie eindeutig und endgültig definiert. Heinemann (2005: 24) versucht eine solche Definition von „Diskurs“ nach Foucault zu formulieren: „Diskurse sind Bündel komplexer Beziehungen zwischen Aussagen und gesellschaftlichen Prozessen und Normen; dadurch zugleich aber auch Instrumente gesellschaftlicher Praktiken und damit der Machtausübung.“ Ein Diskurs ist also „eine Menge von Aussagen, die einem gleichen Formationssystem zugehören“ (Foucault, zitiert nach Zimmermann 2010: 37). Unter Formationssystem ist eine Art Aussagengeflecht zu einem bestimmten Themenkomplex zu verstehen; z.B. bilden verschiedenste Aussagen zum Thema „Rassismus“ (oder in der vorliegenden Arbeit zum Thema „katholische Kirche“) ein Aussagengeflecht, einen Diskurs.

      Aussagen und gesellschaftliche Prozesse beeinflussen sich also gegenseitig; so reproduzieren Aussagen nicht nur, sondern bringen auch Wissen hervor. Dadurch üben sie Wirkung bzw. Macht aus – insbesondere wenn sie Handlungen nach sich ziehen (vgl. Diaz-Bone 2005: 540), denn sie bestimmen „letztlich – mehr oder minder unbewusst – das Denken der Subjekte und die ‚Ordnung der Dinge‘ (Foucault 1974)“ (Heinemann 2005: 23).

      Diskurse sind jedoch nicht in der Absicht einzelner Akteure entstanden, sondern sie sind das Resultat geschichtlicher Entwicklungen und „anonyme[r] und überindividuelle[r] Prozesse“ (Diaz-Bone 2005: 540). Wichtig ist, so Heinemann (2005: 23), dass Aussagen nach Foucault nie für sich stehen, sondern in einen Aussagenkomplex, in einen Diskurs, „in ein assoziatives Feld“ eingebettet sind. „Erst von der Ganzheit des Diskurses her erhalten die Einzelaussagen ihre eigentliche Bedeutung […].“ DiskursanalysenDiskursanalyse versuchen als eine Form von Inhaltsanalysen diese Bedeutungen der Aussagen bzw. Texte von eben dieser Ganzheit des Diskurses her zu erschließen.

      „DiskursanalysenDiskursanalyse versuchen zunächst Diskurse als kollektive Praxisformen und Wissensordnungen […] zu identifizieren und deren innere Organisation zu rekonstruieren. Danach wird der Fokus erweitert und nach den Wechselwirkungen zwischen Diskursen einerseits und nicht-diskursiven sozialen Vorgängen (institutionellen Prozeduren, Handlungsroutinen, Techniken) andererseits gefragt.“ (Diaz-Bone 2005: 539)

      „Die“ DiskursanalyseDiskursanalyse gibt es jedoch nicht. Foucault, der selbst eher Theoretiker war, hat nie eine einheitliche Methode der Diskursanalyse erstellt; jedoch sind in der Foucaultschen Rezeptionsgeschichte, vor allem in den Sozialwissenschaften, verschiedene Arten der Diskursanalyse entworfen worden.1 Hier gehe ich aufgrund der Ausrichtung der vorliegenden Arbeit jedoch nur auf die linguistisch orientierten Diskursanalysen ein.

      5.2 DiskursanalysenDiskursanalyse in der Linguistik

      Die DiskurstheorieDiskurstheorie hat die Linguistik und hier im Besonderen die TextlinguistikTextlinguistik nachhaltig beeinflusst. Davon zeugt auch der Titel des von Warnke 2007 herausgegebenen Sammelbands „Diskurslinguistik nach Foucault“. Darin wird versucht, „den theoretischen Stand der gegenwärtigen Diskurslinguistik“ in Folge der „Rezeption der Foucault’schen Diskurstheorie in der Linguistik“ zu beleuchten (Warnke 2007c: VII). Dennoch hatte die germanistische Linguistik anfangs mit der Rezeption Foucaults gezögert. Aufgenommen wurde sie zunächst von der Historischen SemantikSemantik, die die historische Entwicklung von Wortbedeutungen untersucht. Vor allem Busse erweiterte ab den 1980er Jahren dieses ursprüngliche Anliegen der Historischen Semantik um die DiskursebeneDiskursebene (Wortbedeutungen als vom Diskurs bestimmt) und zielte auf die Analyse der „Geschichte der Bedingungen der Möglichkeiten sprachlicher Äußerungen“ (Busse 1987, zitiert nach Warnke 2007: 8).1 Diese Spielart der DiskursanalyseDiskursanalyse wird mancherorts auch „(Korpus-)Linguistisch-Historische Diskursanalyse“ genannt (z.B. bei Keller 2004: 22).

      In der TextlinguistikTextlinguistik dauerte es etwas länger, bis der Untersuchungsgegenstand „Diskurs“ Akzeptanz fand. Erst ab den 1990ern begannen manche Linguisten die Frage zu stellen, wie diverse Themen von der Gesellschaft behandelt werden, und beschrieben Diskursstränge zu Themen wie Rassismus und Vorurteile. Heinemann führt die dahingehend engagierten germanistischen LinguistInnen Siegfried Jäger oder Ruth Wodak an, VertreterInnen der sogenannten Kritischen DiskursanalyseDiskursanalyse (KDA) bzw. Critical discourse analysis (CDA), auf die ich noch zurückkommen werde (vgl. Heinemann 2005: 26).

      Im Sammelband „Methoden der Diskurslinguistik“, herausgegeben von Warnke und Spitzmüller, wird die Diskurslinguistik als „Erweiterung text- und soziolinguistischer Perspektiven“ beschrieben (Warnke/Spitzmüller 2008c: VII.), deren Aufgabe es ist, „Sprache als Teil sozialer Praktiken der Wissensgenese und Wissensformation“ (Warnke/Spitzmüller 2008b: 16) zu untersuchen.

      „Es geht also bei der methodischen Umsetzung der Diskurslinguistik um eine sprach- und wissensbezogene Analyse, die die Produktionsbedingungen und Wirkungsmechanismen spezifischer medialer Umgebungen und die Interessen der Diskursteilnehmer als Untersuchungsgegenstand ernst nimmt.“ (Warnke/Spitzmüller 2008b: 17)

      Warnke