Marianne Franz

Die katholische Kirche im Pressediskurs


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gebracht werden. Die Pressesprache divergiert je nach Publikumsorgan, Autor, Thema bzw. Rubrik und auch Textsorte. Genaueres hinsichtlich der sprachstilistischen Merkmale der verschiedenen Textsorten ist in Abschnitt 4.1 nachzulesen. Einige sprachstrukturelle Besonderheiten der Berichterstattung über die katholische Kirche sind in Abschnitt 13 dargestellt.

      3.2 Sprache-Bild-TexteSprache-Bild-Texte

      Die Komplexität der Problematik von Sprache-Bild-TextenSprache-Bild-Texte kann hier nur in Ansätzen dargestellt werden. Für Genaueres verweise ich auf die zitierten Werke.

      Bestanden Tageszeitungen in ihren historischen Anfängen so gut wie ausschließlich aus sprachlichen Zeichen bzw. Texten, sind sie heute ohne Bilder verschiedenster Erscheinungsformen nicht mehr vorstellbar – und wohl auch nicht mehr verkaufsfähig. Auch die meisten QualitätszeitungenQualitätszeitung haben sich diesem Trend, der ursprünglich vom Boulevard ausging (z.B. von der deutschen BILD-Zeitung) und seit Beginn der 1990er Jahre durch technische Verbesserungen hinsichtlich des Druckverfahrens (vgl. Straßner 2002: 25) vorangetrieben wurde, angepasst. Einige seriöse Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (vgl. Straßner 2002: 24) oder Le Monde haben lange gezögert, Bilder aufzunehmen. Diese Zurückhaltung hinsichtlich der Bebilderung zeugt von der Infragestellung des informativen Mehrwerts von Bildern in der Berichterstattung. Das heißt nicht, dass Bilder keine Informationen transportieren – im Gegenteil. Doch ihr tatsächlicher Nutzen könnte Stegu zufolge (2000: 309) „von einer kritischen Metaposition aus gesehen in vielen Fällen angezweifelt werden“: Wozu dient es zu wissen, wie PolitikerInnen aussehen? Nichtsdestoweniger herrscht in der Presse ein „prinzipieller Bilder-Imperativ“, den sich Stegu unter anderem mit dem primär optischen Wesen des Menschen erklärt, der Bilder sehr leicht und schnell verarbeiten kann (2000: 308f.). TextMedientext hingegen muss „Wort nach Wort aufbereitet werden“ (Straßner 2002: 22f.).

      Die Kronen Zeitung ist eine der Zeitungen, die sich die Wirkung von Bildern sehr stark zunutze machen. In ihr sind sehr viele sogenannte BildnachrichtenBildnachricht zu finden, die sich dadurch auszeichnen, dass der Schwerpunkt eindeutig auf dem Bild liegt. Sprachlicher Text ist sekundär. Dieses Verhältnis ist in der Presse im Allgemeinen umgekehrt (vgl. Stegu 2000: 310).

      Der nächste Abschnitt befasst sich damit, was ein Medien-TextMedientext bzw. ein Sprache-Bild-Text ist, und durch welche Merkmale sich ein solcher kennzeichnet. Dazu greife ich vor allem auf die Arbeit von Stöckl (2004) zurück, der sich auf sehr umfassende Weise mit der Verknüpfung von Sprache und Bild in massenmedialen Texten auseinandersetzt. Stöckl fasst die vielen Informationen immer wieder in übersichtliche Tabellen zusammen, die für eine Grundlagendarstellung, wie ich sie vornehmen möchte (bzw. aus Platzgründen muss), sehr dank- bzw. brauchbar sind. Einige von ihnen sind nachstehend wiedergegeben.

      3.2.1 Was ist ein Medien-TextMedientext?

      Nach Burger (2005: 64) bilden den „Objektbereich der MedienlinguistikMedienlinguistik“ „alle Arten von Texten, die in den MassenmedienMassenmedien angeboten werden“; das sind journalistische und fiktionale Texte, Anzeigen, Werbetexte, Rezipienten-Texte (z.B. der Leserbrief in der Presse) usw., die je nach MediumMedium unterschiedliche Rollen spielen. Uneins ist man sich in der Linguistik allerdings darüber, ob zum Forschungsgegenstand der Medienlinguistik auch nichtsprachliche, aber dennoch kommunikative und sinntransportierende (optische und akustische) Zeichen (wie Bilder oder Musik) gehören. Sind diese Teil des Medientextes? Für die vorliegende Arbeit ist diese Frage von hoher Relevanz, da sie darüber entscheidet, ob bei der Analyse der Zeitungsartikel auch die abgedruckten Bilder berücksichtigt werden müssen. Artikel bestehen schon lange nicht mehr nur aus Schlagzeile, Lead und Body, sondern haben sich zu Cluster- oder Hypertexten entwickelt, die aus noch ganz anderen Teiltexten bestehen: Infokästchen, Fotos, Bildunterschriften, Grafiken usw. (vgl. Stegu 2000: 317; siehe auch Abschnitt 3.1.1).

      Einige Wissenschaftler beschränken Medientexte auf den verbalen Bereich, andere vertreten die „sehr weitherzige Auffassung, dass alles, was in gedruckter oder elektronisch gesendeter Form vom Rezipienten wahrgenommen werden kann, den ‚Text‘ ausmache“ (also etwa auch alle Geräusche) (Burger 2005: 66). Burger (2005: 66f.) sieht die Wahrheit dazwischen. Ihm erscheint es „ganz eindeutig“,

      „dass das Bild beim Fernsehen und auch in der Presse ein integraler Bestandteil des Gesamttextes ist. Dies geht nur schon daraus hervor, dass oft ein TextMedientext nicht ohne das Bild und noch häufiger ein Bild nicht ohne den Text interpretierbar ist […]. Ein Kompromissvorschlag wäre:

      alles das als Element des Medientextes aufzufassen,

      was vom Produzenten als solches beabsichtigt ist und vom Rezipienten als solches wahrgenommen wird bzw. wahrgenommen werden kann.

      Die Grenzen sind natürlich schwer zu ziehen.“

      Die Grenzen sind in der Tat schwer zu ziehen. In der Presse abgedruckte Fotos sind grundsätzlich „beabsichtigt“. Dies lässt sich aber nicht über einzelne Fotodetails sagen. Über diese Absichten kann man aus der Rezipientenperspektive (die man auch als ForscherIn innehat) nur Mutmaßungen anstellen.

      Bilder als Texte zu betrachten, dafür plädiert auch Stöckl (2000: 327f.) und begründet dies (1) mit ihrer „hohe[n] strukturelle[n] semantische[n] Komplexität“ und ihrer Mehrdeutigkeit, (2) mit ihrer pragmatischen Situierung „als Ko- und Kontexte von Sprache und umgekehrt“ und (3) mit ihren Textualitätsmerkmalen. Der Hinweis auf die Textmerkmale von Bildern taucht in der Forschungsliteratur immer wieder auf, sie sind etwa bei Sandig (2000) genauer ausgeführt (Textfunktion, Unikalität, Kohäsion, Kohärenz, Thema, Situationalität, Materialität). Stegu (2000: 317) stellt in Frage, dass das TextMedientext-Sein eines Bildes mithilfe von Textualitätskriterien wie Kohärenz „bewiesen“ werden kann. Dies sei bereits für sprachliche Texte nicht möglich. Eine Alternative wäre es, Bilder „als außersprachlichen Kontext, auf den sprachlich Bezug genommen werden kann, aber nicht muss“, zu betrachten. Bilder ersetzen sozusagen die Wirklichkeit. Auf ihre Inhalte kann „in gleicher Weise referiert werden wie auf die Realentitäten“ (2000: 318). Doch auch Stegu räumt ein, dass Bilder durch „(Sprach-)Textumgebungen ‚textualisiert‘“ werden, „und die relativ genaue Auseinandersetzung mit ihnen […] in Vielem Lektüre- bzw. Sprachrezeptionsprozessen“ ähnelt. Bilder haben daher „sowohl Eigenschaften von außersprachlicher Wirklichkeit als auch von Texten“ und sind damit „sowohl Texte als auch Nicht-Texte“ (2000: 319). Diesem Zugang kann auch ich einiges abgewinnen. Bilder sind allein deshalb schon mehr als rein außersprachliche Wirklichkeiten, da viele PressefotoPressefotoZeitungsbildZeitungsbilds sehr bewusst gestaltet bzw. ausgewählt werden und Pressefotografen mit Bildern durchaus Botschaften „senden“, die über reine Information hinausgehen und auch BewertungenBewertung beinhalten können, so auch Straßner (2002: 24): „Die BildnachrichtBildnachricht kann […] eine starke Beeinflussung ausüben, manchmal eine stärkere als der Text. Sie kann mehr emotionalisieren und meinungsbildend wirken.“ Stegu (2002: 21) zufolge geben „Bilder die Wirklichkeit nicht bloß [wieder], sondern [drücken] durch Motivwahl, Perspektive, Nachbearbeitung usw. auch eine bestimmte Interpretation [aus]“. Stöckl (2004: 198) spricht diesbezüglich von einer einstellungsmarkierenden Funktion von Bildern, die „mit der Vermittlung von Inhalten zugleich notwendigerweise eine bestimmte Sichtweise offenbar[en]“.

      Nicht ganz zehn Jahre später beschreibt Stöckl (vgl. 2012: 20) drei Medientexttypen, die sich in den im Kommunikat vorkommenden Zeichenmodalitäten unterscheiden1:

       Print-Text: Zeichenmodalitäten sind Schrift, Bild und Typographie.

       Audio-Text: Zeichenmodalitäten sind gesprochene Sprache, Musik und Geräusch.

       Audiovisueller Text: Zeichenmodalitäten sind geschriebene und gesprochene Sprache, Typographie, statische und dynamische Bilder, Musik und Geräusch.

      Dass Texte aus verschiedenen Zeichenmodalitäten bestehen und nicht auf Sprache im engeren Sinn beschränkt sind, ist inzwischen selbstverständlich geworden.

      3.2.2 BildsorteBildsorte „ZeitungsbildZeitungsbild“