Marianne Franz

Die katholische Kirche im Pressediskurs


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für weitere Aspekte auf die umfangreiche Literatur zu verweisen. Die Geschichte der Inhaltsanalyse, quasi „so alt wie die Menschheit selbst“, ist z.B. bei Merten nachzulesen (1995: 35). Dort findet man auch eine umfassende Präsentation der verschiedenen inhaltsanalytischen Verfahren. Einführungen bieten auch Mayring (2010; vor allem für die qualitative Inhaltsanalyse), Rössler (2005) und schließlich Früh (2007), auf den ich mich hier hauptsächlich berufe. Früh (2007: 27) definiert Inhaltsanalyse als

      „[…] eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen, meist mit dem Ziel einer darauf gestützten interpretativen InferenzInferenz auf mitteilungsexterne Sachverhalte.“

      Unter InferenzInferenz wird ein „interpretative[r] Schluss von Mitteilungsmerkmalen auf externe Sachverhalte“ verstanden (Früh 2007: 44).

      Damit scheint die Inhaltsanalyse als Methode für die vorliegende Untersuchung äußerst geeignet zu sein, die ja einerseits formale Merkmale wie sprachliche Besonderheiten, andererseits inhaltliche Merkmale wie die implizitenBewertung, implizite und explizitenBewertung, explizite WertungenBewertung oder die Themenagenda der Berichterstattung über die katholische Kirche in den Blick nimmt. Dabei will sie von diesen mitteilungsinternen Merkmalen auf mitteilungsexterne Sachverhalte wie die RedaktionslinienRedaktionslinie oder länderspezifische Unterschiede in der Berichterstattung schließen.

      Merten definiert die Inhaltsanalyse ähnlich wie Früh: Sie verfolgt die „Analyse sozialer Wirklichkeit durch Textanalyse“ (1995: 34), indem „von syntaktischen, semantischen und/oder pragmatischen Textmerkmalen auf textexterne Merkmale geschlossen werden kann“ (1995: 11), nämlich auf (1) den KommunikatorKommunikator, (2) den Rezipienten oder (3) die Situation (1995: 34). Früh (2007: 44) spricht hier von drei Ansätzen der Inhaltsanalyse, nämlich (1) dem formal-deskriptiven Ansatz, der vor allem Beschreibung zum Ziel hat, (2) dem prognostischen Ansatz, der etwas über die Rezipienten in Erfahrung bringen möchte, und (3) den diagnostischen Ansatz, der

      „etwas über die Entstehungsbedingungen, also über die Beziehung KommunikatorKommunikator – Mitteilung aussagen [will]. Hier geht es etwa um die Beantwortung der Frage, was der Autor mitteilen, welche Wirkungen er erzielen wollte, welche Eigenschaften, Fähigkeiten, Kenntnisse er besitzt oder welche subjektiven und kollektiven Wertvorstellungen er in den Text projiziert haben mag. Dabei muss es sich nicht unbedingt um eine einzelne Person handeln, sondern es kann auch Autorenteams (z.B. Zeitungsredaktionen) betreffen.“

      Demnach entspricht die vorliegende Arbeit einer Mischung aus dem formal-deskriptiven Ansatz (Beschreibung der Merkmale) und dem diagnostischen Ansatz (nach Früh), der auf den KommunikatorKommunikator (nach Merten) schließen möchte. Hier ist sogleich einschränkend einzuwenden, dass ein Schluss auf die Kommunikatoren nur begrenzt möglich ist. Bei einer Inhaltsanalyse diagnostischen Ansatzes handelt es sich letztlich um eine Interpretation. Diese kann zwar hoch plausibel und intersubjektiv nachvollziehbar sein, doch muss ein wissenschaftlicher „Beweis“ im empiristischen Sinn ausbleiben. Nichtsdestoweniger ist die Inhaltsanalyse eine anerkannte „empirische“ Methode – wie es ja auch in Frühs Definition heißt. Inferenzschlüsse sind nicht zuletzt wegen „allgemein bekannte[r] Sprachkonventionen und weitere[r] Anhaltspunkte aus dem Kontext“ möglich, da diese „eine bestimmte Interpretation mit großer Gewissheit nahelegen“ (Früh 2007: 45). Wenn ich bei der Interpretation der vorliegenden Daten von meinem eigenen Verständnis ausgehe, ist dies dahingehend legitim, als dass ich dabei auf mein allgemeines Sprachverständnis zurückgreife und meine Interpretionsweise durch die Beschreibung des Verfahrens offenlege und damit nachvollziehbar mache (vgl. Früh 2007: 45). ObjektivitätRealität, objektive wird durch die „Transparenz des Erkenntnisprozesses“ geschaffen (Früh 2007: 133f.). Wichtig ist darüber hinaus, dass die Texte immer exakt und systematisch nach demselben Verfahren analysiert werden. Einen Beitrag zur ObjektivitätRealität, objektive im Sinne von Nachvollziehbarkeit leistet auch die „Berücksichtigung linguistischer Kriterien der Textanalyse“, „um trotz der Schwierigkeiten systematisch und valide zu bleiben“ (Mayring 2005: 13; Genaueres bei Knapp 2005).

      Wie sieht nun aber dieses Verfahren aus? Früh versteht seine von ihm vorgeschlagene Form der Inhaltsanalyse als quantitativ-qualitative Methode (vgl. 2007: 74). Die Sozialwissenschaften, in deren Tradition die Inhaltsanalyse steht, legten lange Zeit den Schwerpunkt auf quantitative Methoden. Erst seit 20 Jahren akzeptieren sie vermehrt qualitative Ansätze, die mancherorts jedoch weiterhin umstritten sind, vor allem weil die klassischen Gütekriterien quantitiver Forschung nicht oder (nicht im gleichen Maß) anwendbar sind (vgl. Mayring 2010: 7f.). Jemand, der seit langem für eine qualitative Inhaltsanalyse und für eine „Überwindung des Gegensatzes qualitativ-quantitativ“ eintritt, ist Mayring (2005: 9):Kategorie

      „Die Qualitative Inhaltsanalyse ist ein gutes Beispiel dafür, wie qualitative und quantitative Analyseschritte miteinander verbunden sein können. Denn die Schritte der Kategorienbildung und der Zuordnung von KategorienKategorie zum Text sind eindeutig qualitative Schritte […], in aller Regel werden dann aber Kategorienhäufigkeiten erhoben und quantitativ analysiert. Somit steht die Qualitative Inhaltsanalyse eigentlich zwischen den ‚Fronten‘, versucht einen Mittelweg.“

      Damit sind wir schon beim Herzstück der Inhaltsanalyse angelangt: dem Kategoriensystem. Für die Forschungsfrage relevante Textmerkmale werden codiert und einzelnen Kategorien zugewiesen, mithilfe derer das Textmaterial beschrieben und interpretiert wird. Die Inhaltsanalyse dient also dazu, Komplexität zu reduzieren (vgl. Früh 2007: 42) und aus der unüberschaubaren Textmasse die Informationen zu gewinnen, die es ermöglichen, die Forschungsfrage zu beantworten. In dieser Hinsicht ist diese Methode auch eine Suchstrategie, da mittels Kategorien nicht nach allen, sondern nach ganz bestimmten Merkmalen gesucht wird und nur diese codiert werden. Der Codiervorgang ist die Überführung der formalen Zeichengestalt in Bedeutungen und damit eine Interpretationsleistung des Codierers (vgl. Früh 2007: 117).

      Um die Kategorien zu bilden, rät Früh zu einer Kombination aus theorie- und empiriegeleiteter Vorgehensweise. Als theoriebasiert gelten jene Kategorien, die etwa von den Hypothesen hergeleitet werden; als empiriegeleitet jene, die während des Codiervorganges bzw. während der Probe-CodierungCodierung einer Text-StichprobeStichprobe (s. a. Künstliche Woche) hinzu kommen. Die aus den Hypothesen extrahierten Kategorien bilden die Hauptkategorien der Untersuchung (vgl. Früh 2007: 80). Früh zufolge (2007: 156) bestehen „die Hauptziele der empiriegeleiteten Kategorienbildung […] einerseits in der Ausdifferenzierung (und ggf. Ergänzung) der Hauptkategorien in Unterkategorien, andererseits in der operationalen Definition der Kategorien“. Die „operationale Definition“ legt fest, welche Textmerkmale wie zu codieren sind. Es handelt sich dabei um die verbale Beschreibung der Kategorie (Nominaldefinition) und die Aufzählung von Indikatoren im Sinne von Ankerbeispielen (vgl. Früh 2007: 88).

      Festgelegt werden müssen auch die Analyse-, Codier- und KontexteinheitenKontexteinheit. Die AnalyseeinheitAnalyseeinheit ist die „Größe, über die in der Studie eine Aussage getroffen werden soll“. Dies kann z.B. ein Zeitungsartikel sein, dessen Thema bestimmt werden soll. Es kann sich aber auch um kleinere Einheiten handeln, in dieser Arbeit etwa um Aussagen, die explizite oder implizite WertungenBewertung enthalten, oder um Wörter, die Ironie ausdrücken. Die Analyseeinheit ist abhängig vom Untersuchungsaspekt. Die CodiereinheitCodiereinheit ist die „Bezugsgröße der CodierungCodierung im Text, auf die das Kategoriensystem anzuwenden ist“ (Früh 2007: 95). Die Codiereinheit kann mit der Analyseeinheit zusammenfallen, aber sich auch von ihr unterscheiden. Ersteres ist der Fall, wenn das Thema eines Zeitungsartikels codiert werden soll; zweiteres, wenn man die Position einer Zeitung zu einem bestimmten Thema herausfinden will. In diesem Fall ist die Analyseeinheit die Zeitung, die Codiereinheiten sind jedoch Artikel bzw. Aussagen in diesen Artikeln. Für die Zuweisung der Kategorien ist es manchmal notwendig, Kontexteinheiten (z.B. Abschnitte, eine begrenzte Satzanzahl, Sinneinheiten) festzulegen, um Missinterpretationen zu vermeiden, oder wie Früh es nennt: zur Monosemierung (vgl. Früh 2007: 95). Alle Kategorien und Codierregeln werden im Codierbuch zusammengefasst. Eine Abbildung nach Früh gibt einen Überblick über den Ablauf der Inhaltsanalyse (siehe Abb. 9). Der Anwendungsphase folgt schließlich die Interpretation (gegebenfalls mit InferenzenInferenz bzw. Rückschlüssen auf den KommunikatorKommunikator, wie im vorliegenden