Marianne Franz

Die katholische Kirche im Pressediskurs


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von visuellen Zeichen (z.B. Layout oder Anzeigen- und Plakatwerbung) und bewegten Bildern ist es vor allem die Analyse von MedienspracheMediensprache (s. a. Pressesprache), die sie für die vorliegende Arbeit interessant macht.

      Diskursanalytische Verfahren, die einen geistes- und kulturwissenschaftlichen Hintergrund haben, analysieren Medieninhalte und deren Strukturen – meist mit dem Ziel, kritisch dahinterstehende IdeologienIdeologie (s. a. Welt- und Wertvorstellungen) aufzuzeigen (vgl. Beck 2007: 176). „Mit linguistischen Verfahren werden Argumentationsmuster, Stereotype, rhetorische Figuren, Narrationsverfahren, Zitationen und Stil untersucht, um an die Bedeutung hinter der Bedeutung zu gelangen.“ (Beck 2007: 176). Der Vorteil der DiskursanalyseDiskursanalyse ist, dass sie auch latente Bedeutungen untersucht, während die InhaltsanalyseInhaltsanalyse (vor allem die quantifizierende) vordergründig manifeste Inhalte erhebt (vgl. Beck 2007: 174) (zur Diskursanalyse in der Linguistik siehe Abschnitt 5).

      Als Forscher ist es jedoch notwendig, sich dessen bewusst zu sein, dass wir im Grunde „niemals an die ‚objektiven‘Inhalte herankommen“. „Im Gegensatz zur spontanen Rezeption im Medienalltag“ ist es allerdings möglich,

      „auf systematische und methodisch kontrollierte, also intersubjektiv nachvollziehbare Weise zumindest die sog. ‚manifesten Inhalte‘ [zu] rekonstruieren und [zu] untersuchen. Als ‚manifest‘ bezeichnet man jene Inhalte oder besser: materielle Zeichen und Zeicheninterpretationen, auf die wir uns gemeinsam verständigen können. Weitaus schwieriger ist es, auf intersubjektiv nachvollziehbare Weise ‚latente Inhalte‘ zu analysieren, also (weitere, nicht denonative) Bedeutungen, die möglicherweise ‚mitschwingen‘ oder konnotiert werden; hierüber können wir mithilfe semiotischer Verfahren Hypothesen formulieren.“ (Beck 2007: 174)

      Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch sowohl manifeste als auch latente Inhalte der Berichterstattung über die röm.-kath. Kirche zu untersuchen. Wie dabei vorgegangen wird, ist in den Abschnitten 6.1 und 13 nachzulesen.

      Wie die Medieninhaltsanalyse gestaltet wird, hängt allerdings nicht nur von der Perspektive ab (KommunikatorKommunikator, Rezipient, Medien, Realität), auf die die Analyse ausgerichtet ist, sondern auch vom medientheoretischen Hintergrund, von dem der Forscher ausgeht:

      „In Anlehnung an Bonfadelli (2002: 43–45) können grob vier medientheoretische Grundpositionen unterschieden werden:

       Idealistische Konzepte sehen die Medien als unabhängige Variable, d.h., die Medien beeinflussen zwar Gesellschaft und Kultur, werden selbst aber von diesen kaum beeinflusst.

       Materialistische Konzepte erkennen in den Medien einen Spiegel (Überbauphänomen) der Gesellschaft (Basis); sie sind abhängig von der Gesellschaft, den Produktions- und Machtverhältnissen (Kapitalismus etc).

       Interdependenz-Konzepte konstatieren eine wechselseitige Beeinflussung und Abhängigkeit von Medien einerseits und Gesellschaft bzw. Kultur andererseits; d.h., Medien sind Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse, können sie aber auch beeinflussen und zum Wandel beitragen.

       Autonomie-Konzepte sehen die Medien als relativ eigenständige Sphären oder gar (autopoietische) Systeme, die sich der gesellschaftlichen Steuerung weitgehend entziehen, umgekehrt aber auch nur begrenzte Steuerungsmacht auf andere gesellschaftliche Bereiche oder Systeme ausüben können.“ (Beck 2007: 173)

      Von den vier vorgestellten Konzepten schließe ich mich dem Interdependenz-Konzept an, da mir die anderen drei Konzepte zu kurz greifen. Idealistische Konzepte ignorieren etwa den Einfluss der Ökonomie auf die Medien. Materialistische Konzepte berücksichtigen dies zwar, ignorieren hingegen die inzwischen empirisch nachgewiesene Medienwirkung auf die Rezipienten. Autonomie-Konzepte schließen die Medien von der Gesellschaft aus bzw. sehen sie als etwas Eigenständiges, Separates. Medien sind Teil der Gesellschaft, werden von dieser beeinflusst und beeinflussen diese auch selbst; letzteres allein schon aufgrund ihrer reinen Existenz. Medien wie das Radio, das Fernsehen, das Internet oder auch die neuen Handy-Technologien haben unser Leben, unser Verhalten nachhaltig verändert; man denke nur an Menschen, die ihren Rhythmus nach Fernsehserien ausrichten. Und hier ist noch nicht einmal die Rede vom Einfluss der Medieninhalte z.B. auf unser Kaufverhalten, der zwar schwieriger festzumachen ist, jedoch ein eigenes Forschungsfeld der Medien- und KommunikationswissenschaftKommunikationswissenschaft darstellt und zu dem es inzwischen zahlreiche Studien gibt.

      Ich vertrete das Interdependenz-Konzept auch in Bezug auf die Tageszeitungen. Auch für sie gilt der wechselseitige Einfluss zwischen ihnen selbst und der Gesellschaft. Eine der (sogar staatspolitisch vorgesehenen) Aufgaben der Tageszeitungen ist neben der Information die Meinungsbildung.4 Wirkung ist also vorgesehen und intendiert. Wenn die Tageszeitungen nun über die röm.-kath. Kirche berichten, ist diese Berichterstattung z.B. für Personen, die nichts mit Kirche zu tun haben, oft die einzige Informationsquelle, der einzige Zugang zur Realität „Kirche“. Das mediale Bild der Kirche wird unter Umständen auf diese Personen übergehen. Diese Tatsache bildet eines der Motive dieser Arbeit, die zum Ziel hat, die Beschaffenheit der medial konstruierten Wirklichkeit „Kirche“ nachzuzeichnen.

      Das Interdependenz-Konzept stimmt außerdem mit der hinter der DiskurslinguistikDiskurslinguistik stehenden Theorie überein, nach der DiskurseDiskurs Wissen reproduzieren, aber auch produzieren und Macht ausüben, indem sie Handlungen induzieren. Mediendiskurse bilden hier als Teile des gesamtgesellschaftlichen Diskurses keine Ausnahme (siehe Abschnitt 5).

      Die Frage, auf welche Weise die Gesellschaft nun auf die Berichterstattung der Tageszeitungen über die röm.-kath. Kirche Einfluss nimmt, fließt insofern in die Fragestellung der Arbeit ein, als sie die Berichterstattung in den Ländern Österreich und Frankreich miteinander vergleicht. Es wird sich weisen, inwiefern sich gesellschaftliche Unterschiede in den Berichterstattungen widerspiegeln.

      Blickt man auf die bisherige Medienforschung zurück, gibt es noch eine weitere grundlegende Unterscheidung bzw. „zwei grundsätzliche Herangehensweisen“, die die Ausrichtung der Analyse wesentlich beeinflussen. Diese unterscheiden sich in „entgegengesetzten Vorstellungen über die Funktion der Medien in der Gesellschaft“ (Marcinkowski/Marr 2005: 430); es geht kurz gesagt darum, ob die Medien die sogenannte Realität wiedergeben (sollen/können) oder nicht.

      Die folgenden Ausführungen sind für diese Arbeit grundlegend. Sie schildern die theoretischen Hintergründe, auf denen sowohl die Hypothesen als auch die Methodik basieren. Aufgrund ihrer Bedeutung wird ihnen ein eigener Abschnitt gewidmet. Im Anschluss wird die Methode der InhaltsanalyseInhaltsanalyse vorgestellt.

      2.4.1 Medieninhalte oder: Gibt es objektive BerichterstattungBerichterstattung, objektive (s. a. Realität, objektive)?

      Die zentrale Frage lautet: Gibt es eine objektive RealitätRealität, objektive? Und wenn ja, ist diese erschließbar? Mit dieser eigentlich erkenntnistheoretischen Problemstellung setzte sich schon Platon in seinem Höhlengleichnis auseinander: Entspricht das, was wir wahrnehmen, was wir für wahr halten, tatsächlich der Wirklichkeit?

      Auf die MassenmedienMassenmedien übertragen geht es hier um die Frage nach ihrem Verhältnis zur Realität. In der Kommunikationsforschung gibt es zwei verschiedene Antworten darauf, die Schulz (1989) mit den Metaphern die „ptolemäische“ und die „kopernikanische“ Antwort bezeichnet. Die ptolemäische Antwort war in der Kommunikationsforschung der 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts vorherrschend. Die Grundannahme war folgende:

      „Da Medien ein hochgradig strukturiertes und oft verzerrtes Bild der Wirklichkeit präsentieren und da die Menschen ihr Verhalten – wenigstens teilweise – an diesem Bild der Wirklichkeit ausrichten, haben die MassenmedienMassenmedien einen starken Einfluß auf das Individuum und auf die Gesellschaft insgesamt.“ (Schulz 1989: 140)

      Diese Annahme impliziert erstens, dass MassenmedienMassenmedien und Gesellschaft einen Gegensatz bilden, sowie zweitens, dass die Medien dazu da sind, die Realität originalgetreu widerzugeben. Medien sind demnach ein Spiegel der Wirklichkeit und haben Abbildfunktion (siehe zur Veranschaulichung Abb. 6). Die Forschungsfrage lautete sozusagen „Wie (gut oder schlecht) bilden die Medien die Wirklichkeit ab?“ (Burkhart 2002: 274).