Marianne Franz

Die katholische Kirche im Pressediskurs


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Bell führen folgende Autoren an: den Prinzipal, den Urheber der Äußerung, den Berichterstatter, den Editor oder redigierenden Redakteur und den Präsentator (vgl. Bell 1991, Goffman 1981, zitiert nach Bucher 1999a: 216).

      Allerdings unterscheidet sich der Begriff „kollektiver Kommunikator“ vom Begriff „Mehrfachautorenschaft“ dahingehend, dass mit Ersterem eindeutig nur die vermitteltende Instanz bezeichnet wird und nicht etwa die „Urheber der Aussage oder die Quellen“ (Beck 2007: 163), mit Zweiterem auch das Vermittelte, wenn beispielsweise Aussagen verschiedener Personen (mitunter in direkter Rede) wiedergegeben werden. Bucher (vgl. 1999a: 216f.) differenziert diesbezüglich zwischen der Kommunikationsebene der Darstellung (die mediale Handlung) und der Kommunikationsebene des Dargestellten (die Handlungen, die Gegenstand der Berichterstattung, der Kommentierung oder von Mediendialogen sind). Die Mehrfachautorenschaft rechtfertigt es, von einer „Intertextualität“ der Medienbeiträge zu sprechen (vgl. Bucher 1999a: 216).

      Zurück zum Begriff „Kommunikator“: Ein Kommunikator im weitesten Sinne steht also für die „publizistische Institution der Aussagenentstehung“ (Weischenberg 1999: 60), er ist ein „Akteur (Handlungs- und Rollenträger), der Aussagen für die öffentliche Kommunikation bereitstellt“ (Beck 2006b: 135). Zu bemerken ist, dass die Rolle des Kommunikators stabil ist – im Gegensatz zur interpersonalen Kommunikation, wo Kommunikatoren und Rezipienten die Rollen wechseln.

      Öffentliche Kommunikation wird erst durch Kommunikatoren möglich. Diese haben verschiedene Funktionen zu erfüllen: „Vermittlung von Information, aber auch Überzeugung oder Überredung“ usw. (Beck 2006b: 136). Kommunikatoren gestalten, be- und verarbeiten, selektieren, steuern und präsentieren (vgl. Beck 2007: 163f.). Ihnen „kommt damit nicht nur eine funktionale Schlüsselrolle im Kommunikationsprozess zu, sondern auch eine einflussreiche oder gar mächtige Position“. Kommunikatoren entscheiden „maßgeblich darüber […], welche Nachrichten, Themen und Meinungen Eingang in die öffentliche Kommunikation finden“ (Beck 2007: 165).

      Welche Erkenntnisse – vor allem in Bezug auf den in dieser Arbeit interessierenden Journalismus – verdanken wir nun der Kommunikatorforschung? Im Laufe der Entwicklung dieses Forschungsfeldes wurden unterschiedliche theoretische Ansätze verfolgt. Löffelholz (2003) liefert diesbezüglich einen sehr guten Überblick. Auch wenn er anmerkt, dass aufgrund des „pluralistische[n], differenzierte[n] und dynamische[n] Forschungsgebiet[s] innerhalb der Kommunikationwissenschaft“ (2003: 31) eine Systematisierung nur sehr schwer möglich ist, versucht er in seinem Artikel dennoch eine solche. Dazu ordnet er „unterschiedliche theoretische Ansätze, die sich in ihrem Entstehungskontext, ihrer Herangehensweise, ihrem jeweiligen Untersuchungsfokus, der Komplexität ihrer Theoriearchitektur und ihrem Ertrag für die empirische Forschung ähneln“ (Löffelholz 2003: 31) sogenannten Theoriekonzepten zu, insgesamt acht an der Zahl. Sie werden in ihren Grundzügen auch von Beck (2007) im Zuge der Darstellung der Kommunikatorforschung in seiner Einführung in die KommunikationswissenschaftKommunikationswissenschaft. übernommen. Die acht Konzepte eignen sich insofern für die Beschreibung der Entwicklung der JournalismusforschungJournalismusforschung (s. a. Kommunikator), als dass ihre aufsteigende Nummerierung weitgehend der Chronologie ihrer Entstehung entspricht. Eine kurze Übersicht über Charakteristiken der einzelnen Konzepte ermöglicht folgende Tabelle (Tab. 5).1

      Tab. 5:

       Synopse theoretischer Konzepte der JournalismusforschungJournalismusforschung (s. a. Kommunikator) (Quelle: Löffelholz 2003: 33)

      In den folgenden Abschnitten werden nun einige konkrete Ergebnisse (vor allem aus dem Bereich des analytischen und legitimistischen Empirismus sowie aus der Systemtheorie) vorgestellt, die für die Überprüfung der Hypothesen der vorliegenden Arbeit zentral sind (siehe Abschnitt 1.2). Es geht um die Art und Weise, welche Nachrichten von Journalisten ausgewählt werden. Dabei bildet die NachrichtenwerttheorieNachrichtenwert die Grundlage der ThemenfrequenzanalyseThemenfrequenzanalyse (siehe Abschnitt 11). Daneben werden in aller Kürze noch andere Theorien der NachrichtenselektionNachrichtenselektion bzw. -rezeption dargelegt, da sie Aufschluss darüber geben, welche Prozesse sowohl die Berichterstattung als auch die Nachrichtenrezeption beeinflussen.Nachrichtenwert

      2.3.1 Nachrichtenwerttheorie

      Im Folgenden werden die zentralen für die vorliegende Arbeit relevanten Aussagen der Nachrichtenwerttheorie dargestellt. Für detaillierte Informationen verweise ich vor allem auf Maier u.a. (2010), auf die ich mich in diesem Abschnitt hauptsächlich beziehe.Nachrichtenfaktoren

      Die Nachrichtenwerttheorie lässt sich bis in die 1920er Jahre zurückverfolgen, als sich Walter Lippmann damit auseinandersetzt, wie JournalistenJournalismusforschung (s. a. Kommunikator) Nachrichten auswählen und „welche Kriterien ein Ereignis erfüllen muss, um Redakteuren publikationswürdig zu erscheinen“ (Maier/Stengel/Marschall 2010b: 29). Einige von ihm angeführte Kriterien wie Negativität oder Betroffenheit der Leser sind den später entwickelten Nachrichtenfaktoren bereits ähnlich (vgl. Maier/Stengel/Marschall 2010b: 30). Der Terminus „Nachrichtenfaktor“ selbst fällt erst in den 1960er Jahren. Norwegische Friedensforscher beschäftigen sich mit dem Nachrichtenfluss und führen erstmals auch Inhaltsanalysen durch, um die Auswahlkriterien der Journalisten herauszufinden (vgl. Maier/Stengel/Marschall 2010b: 31). Wichtige Namen sind hier Østgaard, Galtung und Ruge. Østgaard zeigt neben äußeren (politischen und wirtschaftlichen) Faktoren, die auf den Nachrichtenfluss einwirken, auch dem Nachrichtenprozess inhärente Faktoren auf, die sowohl die Ereignisse, über die berichtet wird, betreffen als auch die Journalisten selbst. Solche inhärenten Faktoren sind Vereinfachung, Identifikation und Sensationalismus (vgl. Maier/Stengel/Marschall 2010b: 33f.). Galtung und Ruge zufolge spiegeln Nachrichtenfaktoren „allgemeine menschliche Wahrnehmungsprozesse“ wider (vgl. 1965, zitiert nach Maier/Stengel/Marschall 2010b: 34). Es handelt sich dabei um „Ereignismerkmale, die grundsätzlich das Interesse von Menschen auf sich ziehen, die einen Einfluss darauf haben, wie aufmerksam ein Thema in den Medien verfolgt wird“. Nachrichtenfaktoren sind also „allgemeine kognitionspsychologische Mechanismen“, die nicht nur die Themenauswahl beeinflussen, sondern auch die Rezeption der Berichterstattung (Maier 2010a: 26). Galtung und Ruge (vgl. 1965, zitiert nach Maier 2010a: 23) stellen drei Hypothesen bezüglich des Zusammenwirkens der einzelnen Nachrichtenfaktoren und ihrer Auswirkung auf die NachrichtenselektionNachrichtenselektion auf: 1. die Additivitätshypothese, der zufolge es wahrscheinlicher ist, dass ein Ereignis zur NachrichtNachricht wird, je mehr Nachrichtenfaktoren auf es zutreffen; (2) die Komplementaritätshypothese, die besagt, dass ein nicht vorhandenes Merkmal durch den hohen Wert eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann, so dass das Ereignis dennoch zur Nachricht wird; (3) die Exklusionshypothese, nach der ein Ereignis mit zu wenigen oder keinen Nachrichtenfaktoren keinen Eingang in die Berichterstattung findet.

      Kepplinger (2008, zitiert nach Maier 2010a: 18) beschreibt „Nachrichtenfaktoren“ später als „Merkmale von Nachrichten über Ereignisse und Themen, die dazu beitragen, dass diese publikationswürdig bzw. mit Nachrichtenwert versehen werden“. Aus dieser Definition geht hervor, dass zwischen Nachrichtenfaktor und Nachrichtenwert zu unterscheiden ist. Der Wert einer NachrichtNachricht steigt, je mehr Faktoren sie erfüllt. Anzahl und Ausprägung bzw. Intensität der Nachrichtenfaktoren bestimmen somit den Nachrichtenwert.

      „Dieser Nachrichtenwert entscheidet darüber, ob ein Ereignis in der medialen Berichterstattung überhaupt verwertet wird und in welchem Umfang. Dieser Nachrichtenwert eines Ereignisses wird seit Schulz (1976) anhand verschiedener (formaler) Maßzahlen gemessen, in denen sich journalistische Beachtung ausdrückt: z.B. anhand der Platzierung eines Beitrags auf der Titelseite einer Zeitung […] oder anhand der Länge des Beitrags […].“ (Maier 2010a: 19)

      Seit Schulz ist die Nachrichtenwertforschung vor allem in Deutschland beheimatet (vgl. Maier/Stengel/Marschall 2010b: 39f.). Die Anzahl der Nachrichtenfaktoren, die sich bei Galtung und Ruge noch auf zwölf belief (vgl. Maier/Stengel/Marschall 2010b: 36), wird von Schulz auf 19 erweitert. Er fasst sie aber zu sechs übergeordneten Faktorendimensionen zusammen (Konsonanz, Status, Dynamik, Valenz, Identifikation und Relevanz) (vgl. Schulz 1976 und 1982, zitiert nach Maier/Marschall