Marianne Franz

Die katholische Kirche im Pressediskurs


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ist also öffentlich, indirekt und einseitig und richtet sich an ein disperses Publikum. Doch seit den 1960ern hat sich viel getan. Das World Wide Web und die zahlreichen Möglichkeiten der Interaktivitäten brachten große Veränderungen mit sich, die die Grenzen zwischen interpersonaler und Massenkommunikation verschwimmen ließen. Kübler (2003: 124) vertritt die Meinung, dass „angesichts der einhergehenden Transformationen […] nicht mehr so eindeutig und dipodisch zwischen personaler und Massenkommunikation“, zwischen Öffentlichem und Privatem getrennt werden kann. Kübler versucht die Neuerungen in Maletzkes Definition zu integrieren bzw. diese zu aktualisieren:

       Unter medialer Kommunikation verstehen wir die (sich mehr und mehr verbreitende) Form der Kommunikation, bei der

      Tab. 2:

       Definition von medialer Kommunikation (Quelle: Kübler 2003: 124; eigene Darstellung)

      Anhand der Online-Medien können diese neuen Entwicklungen am geeignetsten festgemacht werden. Das Internet ist einerseits öffentlich, d.h. von allen (mit Internetzugang) benützbar; andererseits gibt es Bereiche, die privat, etwa durch Passwörter geschützt, sind (Newsgroups, Chatrooms, Blogs usw.). Andere Merkmale der Massenkommunikation waren laut Maletzke die Einseitigkeit der Kommunikation sowie die raumzeitliche Distanz der Kommunikationspartner, die jedoch im World Wide Web zum Teil aufgebrochen scheinen.

      „Elektronische Daten sind allerorts (nahezu) gleichzeitig mit ihrer Schöpfung und Eingabe verfügbar, so dass nicht nur der Zeitverzug innerhalb der Produktion, der durch diverse Phasen der Materialisierung und Gestaltung – etwa beim Druck – verursacht wird, wegfällt oder zumindest enorm reduziert wird: Letztlich fallen Produktion und Rezeption zusammen, was mit dem Begriff ‚Echtzeit‘ (Virilio 1996; Kloock 2000, 161ff.) gekennzeichnet wird; beim Internet können sie – wie im personalen Dialog – ständig wechseln. Vor allem das charakteristischste Kriterium der Massenkommunikation, die Einseitigkeit des Kommunikationstransfers, wird mehr und mehr aufgehoben – entsprechend erodiert die Dualität von personaler und Massenkommunikation.“ (Kübler 2003: 125f.)

      Auch wenn der Begriff „Echtzeit“ sicherlich nicht zutrifft, da die eingegeben Daten erst übertragen werden müssen, ist die zeitliche Distanz beim Chat, beim Instant Messaging oder etwa bei der Internettelefonie tatsächlich kaum mehr wahrnehmbar.

      Kübler mag in vielen Dingen Recht haben; sein Konzept der „allmähliche[n] Aufweichung der Massenkommunikation und [der] Mutationen zur medialen Kommunikation“ (2003: 123) scheint mir ein wenig zu drastisch. Massenkommunikation geht aufgrund der neuen Entwicklungen nicht verloren. Die „alten“ Medien (Fernsehen, Rundfunk, Presse) machen sich die „neuen“ zwar zunutze: Tageszeitungen gehen online, man kann diverse Nachrichtensendungen des ORF im Web ansehen, das Fernsehprogramm nachlesen, Rundfunksender haben Internetauftritte mit verschiedensten Angeboten und sind auch über Internet empfangbar (mit einer kleinen Zeitverschiebung). Dennoch: Die alten, traditionellen Medien mit ihren typischen „massenkommunikativen“ Merkmalen bleiben parallel dazu bestehen. Es ist ein Mehr an Angebot, aber das eine ersetzt das andere nicht.

      Manche von Kübler angesprochene Neuerungen sind gar nicht so neu: Privatheit und Öffentlichkeit wurden auch in den „alten“ MassenmedienMassenmedien bereits gerne vermischt (Geburtstagswünsche, Informationen über Schul- oder Studienabschlüsse, Todesfälle usw. im Anzeigenteil der Tageszeitungen, Grüße an den oder die Liebste(n) über das Radio usw.). Auch die Einseitigkeit konnte in gewissen Fällen durchbrochen werden (Leserbriefe, Anrufer beim Rundfunk oder bei Live-Sendungen im Fernsehen). Die von Maletzke angeführten Merkmale der Massenmedien „öffentlich“, „einseitig“, „indirekt“ und „an ein disperses Publikum gewandt“ sind daher nicht ausschließlich zu sehen, sondern vorrangig.

      Allerdings stimme ich Kübler in Bezug auf die Online-Medien zu. Das World Wide Web vermittelt neben öffentlicher bzw. Massenkommunikation auch private, interpersonale Kommunikation (E-Mail, Instant Messaging, Blogs, Chats, Plattformen wie Facebook usw. – oft durch Passwörter geschützt). Für dieses „Massen“-MediumMedium trifft es zu, dass die „Massen“-Kommunikation zum Teil aufgeweicht scheint. Es gestattet den Usern wie kein anderes Massenmedium auf Kommuniziertes zu antworten (viele Online-Tageszeitungen ermöglichen ihren Lesern etwa, auf Artikel direkt zu reagieren bzw. KommentareKommentar auf die Website zu posten). Privates und Öffentliches verschwimmen – man denke an zwar private, aber öffentlich zugängliche Blogs, die zum Teil eine große Öffentlichkeit erlangen (z.B. der Warblog eines Mannes aus Bagdad mit dem Pseudonym Salam Pax, der über das Kriegsgeschehen im Irak berichtete und 2003 das weltweite Interesse der Medien, so auch der New York Times, auf sich zog).

      Nichtsdestoweniger müsste Küblers Definition, die ja die mediale Kommunikation im Allgemeinen in den Blick nimmt, in Bezug auf die Massenkommunikation abgeändert werden. Ausschließlich auf Massenkommunikation bezogen, könnte also eine Definition folgendermaßen lauten:

       Unter Massenkommunikation verstehen wir die Form der Kommunikation, bei der

      Tab. 3:

       Gedankenexperiment zu einer zeitgemäßen Definition von MassenkommunikationKommunikator

      Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit, die ausschließlich die Printausgaben der Tageszeitungen in den Blick nimmt (die Internetauftritte bleiben unberücksichtigt), reicht Maletzkes Definition bzw. sein Modell der Massenkommunikation aus, um die Grundzüge der Kommunikationsvorgänge der Presse zu beschreiben.

      Die Tageszeitungen als Printprodukte vermitteln eine Form der Kommunikation, bei der

      Tab. 4:

       Definition der Massenkommunikation in Tageszeitungen (Printversion)

      2.3 Kommunikatorforschung

      Kommunikatorforschung beschäftigt sich „mit den Bedingungen und Voraussetzungen der Aussagenproduktion und -gestaltung“ (Beck 2006c: 136) „in den Institutionen der Massenkommunikation“ (Weischenberg 1999: 58). Dabei lag der Fokus lange Zeit auf der „Erforschung journalistischer Kommunikatoren“ (Beck 2006b: 136) und wurde später etwa auch auf „PR-Manger und ‚Öffentlichkeitsarbeiter‘“ ausgedehnt (Beck 2007: 165). Dennoch ist die deutschsprachige Kommunikatorforschung immer noch sehr stark auf den Journalismus ausgerichtet (vgl. dazu auch Pürer 2003: 108f.).

      In den Anfängen dieser Forschungsdisziplin wurden Journalisten als individuell bzw. autonom handelnde Kommunikatoren gesehen. Mittlerweile ist man von dieser Sichtweise abgekommen. Die Kommunikate werden in der Regel arbeitsteilig hergestellt und man spricht daher auch von „kollektiven Akteuren“ (vgl. Beck 2007: 164). Zu den Kommunikatoren zählen alle am Prozess der Publikation Beteiligten. Das können Berufe bzw. Tätigkeitsbereiche sein wie

      „Redakteure, Reporter, Fotoreporter, Autoren, Rechercheure und Archivare ebenso wie Pressesprecher, Kommunikationsmanager, aber auch Layouter, Grafiker, Cutter, Werbegestalter, Webdesigner und -programmierer, Ton- und Bildingenieure, Drucker, Kameraleute und Verleger, Herausgeber, Programmdirektoren, Intendanten oder andere dispositiv Tätige“ (Beck 2007: 164f.).

      Der Sprachwisssenschaftler Bucher verwendet für das Phänomen der arbeitsteiligen Herstellung von Kommunikaten den Begriff „Mehrfachautorenschaft“:

      „Medienbeiträge sind hinsichtlich ihrer Urheberschaft mehrschichtig. Sie sind einem Träger des Verbreitungsmediums verpflichtet – beispielsweise einem Verlagshaus oder einer öffentlichen Anstalt – gehen zurück auf verschiedene Quellen – geschriebene Texte, Dokumente, aufgezeichnete oder mitgeschriebene Äußerungen – werden mehrfach überarbeitet und in der Präsentation zusätzlich formatiert, beispielsweise in das Layout einer Tageszeitung eingepaßt oder von einer Rundfunksprecherin dem eigenen Sprechduktus angepaßt.“ (Bucher 1999a: 216)

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