Marianne Franz

Die katholische Kirche im Pressediskurs


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target="_blank" rel="nofollow" href="#fb3_img_img_4601a6af-6443-5f9f-9ba1-ca0af8047c71.jpg" alt=""/>Abb. 3:

       Verschiedene Theorien der Nachrichtenselektion, -rezeption und -wirkung im Überblick (Quelle: Stengel/Marschall 2010: 116)

      Gatekeeping

      Die Gatekeeper-Foschung (bestehend seit den 1940er Jahren; vgl. Kübler 2003: 146) versteht Journalisten als Türsteher, Wächter oder Pförtner, die entscheiden, „welche Ereignisse zu öffentlichen Ereignissen werden und welche nicht, und […] damit zur Formung des Gesellschafts- und Weltbildes der Rezipienten [beitragen]“ (Kunczik/Zipfel 2005: 242). Sie nimmt also nicht die Merkmale der einzelnen Ereignisse in den Blick, sondern die Rolle der Redakteure, Redaktionen und anderer Strukturen in der Nachrichtenselektion. Die wichtigsten Ergebnisse fasst Schulz in fünf Punkten knapp zusammen (vgl. 1990, zitiert nach Kunczik/Zipfel 2005: 245):

      1 „Die Nachrichtenselektion ist teilweise abhängig von subjektiven Erfahrungen, Einstellungen und Erwartungen des Journalisten.

      2 Sie wird bestimmt durch organisatorische und technische Zwänge von Redaktion und Verlag (z.B. Zeitdruck, verfügbarer Platz).

      3 Die Auswahl orientiert sich oft an der Bezugsgruppe der Kollegen und Vorgesetzten; die Vorstellungen von den Bedürfnissen des Publikums sind eher diffus und unzutreffend.

      4 Die redaktionelle Linie ist ein wichtiges Selektionskriterium.

      5 Die Berichterstattung wird weitgehend vom Agenturmaterial vorgeformt, dem gegenüber sich die Redakteure meist passiv verhalten.“

      Nach Shoemaker gibt es fünf Ebenen, auf denen die Entscheidung getroffen wird, ob über ein Ereignis berichtet wird oder nicht: (1) die individuelle Ebene (Präferenzen des Journalisten), (2) die Ebene der Arbeitsgewohnheiten (z.B. Layout, Vorhandensein von Bildern), (3) die organisatorische Ebene (z.B. Auslandskorrespondenz, Budget, Leitlinie der Redaktion), (4) die soziale und institutionale Ebene bzw. Extra-Media-Ebene (Rezipienten, Werbepartner, wirtschaftliche und politische Einflussfaktoren), (5) die gesellschaftliche Ebene (auf globaler Ebene werden bestimmte Länder stark, andere hingegen kaum berücksichtigt) (vgl. Shoemaker 1991, zitiert nach Jäckel 2005: 191; siehe auch Stengel/Marschall 2010: 121).

      Ein Vorwurf gegenüber der Gatekeeper-Forschung ist, dass Faktoren wie der Inhalt oder die Gewichtung der Berichterstattung unberücksichtigt blieben und außerdem oft nur eine Durchlass-Station untersucht wurde, obwohl die Entscheidung nicht nur beim Journalisten allein liegt, denn: Bereits Agenturen selektieren Nachrichten; Journalisten wählen aus einer bestehenden Auswahl erneut aus (vgl. Kunczik/Zipfel 2005: 245). Nachrichtenselektion ist ein äußerst komplexer Vorgang, der nicht auf die Entscheidung eines Individuums reduziert werden kann.

      News-Bias

      Dieser Ansatz untersucht,

      „ob und inwieweit Medien oder Jounalisten mit ihrer Nachrichtenauswahl, aber auch mit der inhaltlichen Darstellung dieser Nachrichten eine bestimmte politische Linie unterstützen“ (Stengel/Marschall 2010: 122)1

      und somit tendenziös berichterstatten. Festgestellte Einflussfaktoren sind hier im Wesentlichen auf drei Ebenen zu finden: (1) Person (politische Einstellung der Journalisten), (2) Organisation (politische Linie der Redaktionen, der Verlage und sonstiger Organisationen rund herum bis zu den politischen Institutionen), (3) Mediensystem (Medienindustrie) (vgl. Stengel/Marschall 2010: 123f.).

      Indem die vorliegende Arbeit davon ausgeht, dass die Berichterstattung über die katholische Kirche tendenziell negativ ist und sich tendenziell auf kontroverseKontroverse Themen fokussiert (siehe Hypothesen, Abschnitt 1.2), und indem sie die Redaktionslinien der Tageszeitungen mit der inhaltlichen Darstellung in Zusammenhang bringt, weist sie Elemente des News-Bias-Ansatzes auf.

      Agenda-Setting

      Agenda-Setting (für Genaueres siehe auch Maurer 2010) befasst sich nicht mehr mit der Nachrichtenselektion, sondern mit der Nachrichtenrezeption und untersucht, inwieweit MassenmedienMassenmedien beeinflussen, worüber wir nachdenken und sprechen, d.h., „welche Themen wir auf unsere Tagesordnung (Agenda) setzen“ (Burkart 2002: 248f.). So fand z.B. Brettschneider heraus, „dass sich die Bevölkerung bei der Nennung des ‚wichtigsten nationalen Problems‘ eher an der Häufigkeit der Medienberichterstattung als an der objektiv gemessenen Problemlage orientiert“ sowie die Situation in Anlehnung an die in den Nachrichten vorgenommenen BewertungenBewertung einschätzen (vgl. Brettschneider 2000 und 2006, zitiert nach Stengel/Marschall 2010: 124). Allerdings greift eine rein lineare Sichtweise des Agenda-Settings (mediale Agenda beeinflusst Publikumsagenda) zu kurz. Wie bereits beschrieben (siehe Nachrichtenwerttheorie und GatekeeperGatekeeping-Ansatz), ist die Medienagenda selbst „Resultat komplexer Selektionsvorgänge innerhalb der Medienorganisation“ und darf „folglich nicht allzu isoliert betrachtet werden“. Medien agieren nicht in einem neutralen Raum, sondern werden von äußeren Strukturen in ihrer Nachrichtenselektion beeinflusst, so etwa von „Public-Relations-Aktivitäten“, die versuchen, auf die „Nachrichtengebung in ihrem Sinn“ einzuwirken, indem sie z.B. „Pseudo-Ereignisse“ inszenieren (Burkart 2002: 254). Abb. 4 beschreibt die Agenda-Setting-Prozesse, die zwischen den Medien, dem Publikum (hier spielt vor allem die interpersonale Kommunikation eine Rolle) und den politischen Systemen ablaufen, und wie diese Prozesse die jeweiligen Agenden wechselseitig bedingen:

      Abb. 4:

       Modell wechselseitiger Agenda-Setting-Prozesse (Quelle: Maurer 2010: 68)

      Brosius (1994, zitiert nach Burkart 2002: 255) relativiert daher zu Recht die Macht der Medien hinsichtlich ihrer Thematisierungsfunktion: „Die Medienagenda beeinflußt die Rezipientenagenda für einige Rezipienten, für andere nicht; bei einigen Themen, bei anderen nicht; zu einigen Zeitpunkten, zu anderen nicht.“

      Nichtsdestoweniger besitzt der Agenda-Setting-Effekt der Medien gesellschaftliche Relevanz. Medien haben als die heute wichtigste Informationsquelle eine gesellschaftliche Funktion zu erfüllen:

      „Die Medienberichterstattung macht die Rezipienten im Idealfall auf dringliche Probleme aufmerksam und erzeugt bei halbwegs konsonanter Medienberichterstattung einen gesellschaftlichen Konsens darüber, welche Themen wichtig sind und welche Probleme gelöst werden müssen. […] Funktional ist dies allerdings nur dann, wenn sich die Massenmedien vor allem den Themen zuwenden, die objektiv betrachtet die größte Relevanz besitzen – andernfalls beschäftigen sich die Menschen mit irrelevanten Themen und verlieren die dringlichen Probleme aus den Augen. Die Frage nach der Funktionalität des Agenda-Setting-Effekts ist folglich eng verbunden mit der Frage nach der ObjektivitätRealität, objektive der journalistischen Nachrichtenauswahl.“ (Maurer 2010: 84)

      Tatsächlich ist es aber so, dass die Medien „Themen und Ereignisse oft nicht entsprechend ihrer tatsächlichen Relevanz wiedergeben“. Messbar ist dies „durch einen Vergleich der Berichterstattung mit medienexternen Realitätsindikatoren“ (Maurer 2010: 85).1 Dahinter stehen die vielen Faktoren, die die Nachrichtenselektion beeinflussen (siehe Nachrichtenwerttheorie oder auch Abb. 3). Die Folge ist, dass „Rezipienten anhand der Medienberichterstattung oft falsche Vorstellungen von der Dringlichkeit politischer Probleme erhalten“ (Maurer 2010: 84) und ihr Handeln danach ausrichten.2 Agenda-Setting-Forschung kann diese Diskrepanz aufzeigen und hier Problembewusstsein schaffen (vgl. Maurer 2010: 86f.).

      Die in der vorliegenden Arbeit vorgenommene ThemenfrequenzanalyseThemenfrequenzanalyse entspricht der Beschreibung der Medien-Agenda hinsichtlich des Themas „katholische Kirche“. Allerdings beschränke ich mich auf eine reine Deskription der Themenstrukturen, ohne zu untersuchen, inwieweit die Publikums-Agenda der Medienagenda entspricht.Agenda-Setting

       FramingFraming

      Ein FrameFraming ist ein „Interpretationsrahmen“, innerhalb dessen Journalisten die Selektion und Darstellung von Information