Aneta Stojic

Deutsch-kroatische Sprachkontakte


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dem Tod von Joseph II. im Jahre 1790 veränderten sich die politischen Systeme in den kroatischen Ländern ständig. Das war die Zeit der ungarischen Hegemonie, gegenüber der die kroatischen Intellektuellen und Geistlichen einen Widerstand entwickelten. Nach dem Fall Napoleons und der Stabilisierung des politischen Systems kam in der bürgerlichen Schicht zuerst die Idee einer politischen Einheit aller Kroaten auf. Junge kroatische Intellektuelle, die vornehmlich in Wien, Pest, Graz und Prag studierten und dort auf fortgeschrittene Ideen trafen, wurden zu den Trägern des Prozesses der nationalen Vereinigung. Im Jahre 1827 wurde der kroatische Adel gezwungen, Ungarisch in den Schulen als obligatorisches Pflichtfach anzuerkennen. Der Adel, bisher der Verteidiger der nationalen Idee, war nicht mehr imstande, die Kroaten vor der Magyarisierung zu schützen. In Kroatien hatten sich aber inzwischen eine Bürgerschicht und intellektuelle Kreise herausgebildet, die die neuen Ideen aufgriffen und sich an die Spitze der "nationalen kroatischen Wiedergeburt" stellten, die Illyrische Bewegung. Der wichtigste Vertreter dieser Idee war Ljudevit Gaj und sein erster Schritt in Richtung Vereinigung der kroatischen Länder war die Schaffung einer einheitlichen Schriftsprache für alle Kroaten, weil es unterschiedliche Traditionen der kroatischen Schriftsprache gab. Dabei kam der deutschen Sprache in Kroatien eine wichtige Rolle zu. Sie hatte nämlich einen wesentlichen Einfluss in den Städten, wo einzelne Führungskräfte der nationalen Bewegung der deutschen Sprache besser als ihrer eigenen Muttersprache kundig waren. Im Bestreben um die Standardisierung der kroatischen Sprache auf der Grundlage des neustokavischen Dialektes stellte die Kommunikation auf Deutsch im Nordwesten Kroatiens und der Stadt Zagreb die einzige Möglichkeit des Austausches von Ideen der Gebildeten und so auch der Vertreter der Illyrischen Bewegung dar. Einige von ihnen wirkten unter kroatischem Pseudonym um somit „kroatischer“ zu klingen, z.B. der bekannte Komponist Ignatius Fuchs, dessen Pseudonym Vatroslav Lisinki lautet oder Jakob Frass, der heute bekannter unter dem kroatischen Namen Stanko Vraz ist (Samaržija, 2003: 43). Deutsch war Statussprache, weil die mittlere und obere Schicht auf Deutsch verkehrte. Die Landessprache war für sie die Sprache des einfachen Volkes. Diese gesellschaftliche Dominanz bewahrte das Deutsche in den kroatischen und slawonischen Städten bis zum Zerfall der österreich-ungarischen staatlichen Gemeinschaft im Jahre 1918. Somit war Deutsch eigentlich eine Brückensprache. Ljudevid Gaj und Ivan Kukuljević verfassten ihre politischen Ideen zunächst auf Deutsch und übersetzten sie daraufhin in die Volkssprache. Der kroatische Schriftsteller Ivan Trnski schrieb 1839: „Auch ich bediente mich früher des Lateins und des Deutschen, ich war ihr Sklawe“ („I ja sam prije latinštini i nemčarenju služio, njima sam robovao“; Kessler, 1986: 74). Die Illyristen wollten das Nationalbewusstsein stärken und befanden sich vor dem Sprachproblem, weil Sprache Medium, aber auch Identitätsstifter eines Volkes ist. Deshalb war es ihr Bestreben, die Volkssprache durch die Publikation ihrer neuen Rechtschreibung Kratka osnova horvatsko-slavenskoga prapopisanja (Grundzüge der kroatisch-slawischen Rechtschreibung) im Jahre 1830 zu institutionalisieren. Gaj schlug als Amtssprache der Kroaten den kajkavischen Dialekt vor, später entschloss er sich jedoch für die stokavische Varietät. Die illyrischen Ideen verbreiteten sich über Lesesäle und offizielle Amtsblätter wie Novine Horvatzke s književnim prilogom Danicza Horvatzka, Slavonzka y Dalmatinzka, die 1835 zu erscheinen begannen. Gaj initiierte 1842 die Herausgabe des Wörterbuches Nĕmačko-ilirski slovar, den Ivan Mažuranić und Jakov Užarević redigierten. Das Wörterbuch umfasste etwa 40000 Wörter und es war das erste Wörterbuch, mit dem versucht wurde, die neue Wissenschafts- und Bildungssprache umfassend darzustellen (Šidak, 1990: 138). Das Hauptmotiv zur Gestaltung dieses Wörterbuches war der Wunsch, fremde Wörter aus der Volkssprache zu tilgen. Da es aber für eine Großzahl deutscher Wörter kein kroatisches Äquivalent gab, wurden diese übersetzt. Auf diese Weise hinterließ das Deutsche in der kroatischen Sprache in Form von Lehnübersetzungen für immer seine Spuren (Kessler, 1986: 159). Den allgemeinen Durchbruch in alle Sphären des öffentlichen Lebens erreichte die Volkssprache durch die Ernennung des Kroatischen als Amtssprache in Kroatien im Jahre 1847 und daraufhin durch die Reformation des Grundschulwesens im Jahre 1848. Damit brachten die Illyristen ihr Vorhaben zum Ende.

      3.6.6 Bachs Absolutismus

      Der Begründer des Absolutismus, der Innenminister der österreich-ungarischen Monarchie Alexander von Bach, führte auf Beschluss von Franz Joseph eine zentralistische Verwaltung durch, durch die der kroatische und ungarische Sabor ihr Recht zur Bestimmung und Erlassung von Gesetzen verloren. Beamtenpositionen in Kroatien übernahmen Bachs treue Angestellten, die das Volk Bachs Husaren nannte. Sie führten eine Germanisierung durch, gegen die die Kroaten starken Widerstand leisteten. 1854 wurde die deutsche Sprache als Unterrichtssprache in höhere Gymnasialklassen eingeführt. Daraufhin forderten einige Mitglieder des Kroatischen Sabor, Deutsch vollkommen als Unterrichtsfach in kroatischen Schulen einzustellen. Der Sabor lehnte das ab, was die Bedeutung der deutschen Sprache in Wissenschaft und Kultur unterstreicht (Žepić, 2002: 219). Die Maßnahmen von Bachs Absolutismus erregten unter der kroatischen Bevölkerung doch einen Protest, der sich im Boykott deutscher Aufführungen im Theater manifestierte. Aber auch dies hinderte nicht die Dominanz der deutschen Sprache in der oberen Schicht und unter den Intellektuellen.

      3.6.7 Zeit zwischen 1860 bis 1914

      Obwohl Bachs Absolutismus die Errungenschaften der kroatischen Illyristen zerstören wollte, stärkte die kroatische Sprache immer mehr. Die Dominanz des Deutschen, die in den letzten Jahrzehnten des 18. Jh. begann, wurde bis zum Zerfall der Monarchie immer schwächer. Die Sprecher des Deutschen durchliefen eine allmähliche Assimilation: Deutsche Ausdrücke wurden zu kroatischen, indem sie zuerst als Entlehnungen erschienen, in der Literatursprache als Fremdwörter abgelehnt wurden und während der Ausbildung immer mehr aus der Umgangssprache verschwanden (Kessler, 1986: 76). Trotzdem blieb das Deutsche bis zum Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie die Sprache der überregionalen Kommunikation. Es war die Sprache der Politik, der Wirtschaft und der Wissenschaft für die gesamte Öffentlichkeit innerhalb der Monarchie. Wer von der Gesellschaft anerkannt werden wollte, musste Deutsch verstehen (ebd. 72). Die sprachliche Situation um die Jahrhundertwende zeigt sich auch in der Beschreibung der bürgerlichen Schicht vom kroatischen Schriftsteller Miroslav Krleža: U doba kada su po sobama svijetlile hengelampe, a hausfrau ni dala popraviti ausgus ili štenge ili fensterštok na lihthofu, a kod Palancegerov je bi majandaht, a placmuzika Zehcenerska je svirala na Zrinjiplacu ili na Francjozefplacu, a gospon oberlajtnant je kod Jegerhorna bil na gablecu i ni donesel na banhof kofer, a filarke su klafrale… (Krleža, 1903: 370). Diese Mischsprache erhielt sich bei den alteingesessenen Einwohnern Zagrebs bis zum heutigen Tage.

      3.6.8 Kroatien nach der österreichisch-ungarischen Herrschaft

      Nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie hat Kroatien keinen direkten Sprachkontakt mehr zum deutschsprachigen Raum. Eine Ausnahme bilden die Deutschen in Kroatien, die von 1920 bis 1941 größtenteils im sog. schwäbisch-deutschen Kulturbund vereint waren. Dieser Verein diente vor allem zur Bewahrung und Verbreitung der deutschen Kultur. Nach dem Zerfall des Königreiches Jugoslawien blieb der größte Teil der Volksdeutschen im Unabhängigen Staat Kroatien, der im Einklang mit den Beschlüssen der Wiener Konferenz die Verpflichtung übernahm, die Volksdeutschen in allen Fragen mit den Kroaten auszugleichen und ihnen eine kulturelle und Selbstverwaltungsautonomie zu gewähren. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschlechterte sich dieser Status sehr: Die Zahl der Volksdeutschen, die vor dem Krieg ca. eine halbe Million ausmachte, verringerte sich bis zur ersten Volkszählung nach dem Krieg im Jahre 1948 um das Zehnfache. Die meisten deklarierten sich als Kroaten. Seit Beginn der 1950er Jahre kam es zur massenhaften Auswanderung der Angehörigen der deutschen und österreichischen Minderheit in Jugoslawien, weil ihnen alle bürgerlichen und politischen Rechte in Titos Regime genommen wurden (Geiger/Kučera, 1996: 92). Der Status der deutschen Sprache in der Schule war sehr ungünstig. Deutsch wurde als Sprache der Nationalsozialisten und Besetzer betrachtet (Žepić, 1996: 318). Belgrad wollte das Schulwesen im gesamten Land ohne Berücksichtigung der Tradition und Bedürfnisse der einzelnen Republiken vereinen. Wegen der traditionellen Verbindung Serbiens zu Frankreich wurde das Französische zuerst in kroatischen Gymnasien eingeführt und unterdrückte daraufhin die deutsche Sprache mit der Begründung, das Französische sei als romanische Sprache für Gymnasialprogramme angebrachter als