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Handbuch des Deutschen in West- und Mitteleuropa


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(DSSV). Die ersten wiedererrichteten deutschen Privatschulen entstanden 1946 in den vier größten Städten mit damals 174 Schülern. Andere Schulen in den Dörfern folgten; bis 1955 hatte die Minderheit 29 Schulen mit 962 Schülern, darunter die Deutsche Nachschule Tingleff, die 1951 eröffnet wurde. Sie ist nach dänischer Tradition eine private Schule mit Internat und Unterricht in den Klassen 9 und 10.2

      Durch die Kopenhagener Erklärung hat die deutsche Minderheit 1955 ihr Recht auf die Anerkennung der Abschlussprüfungen (Mittlere Reife, Realschulabschluss, Abitur) wiedererlangt; 1959 wurde das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig in Apenrade/Aabenraa eröffnet. Nun stieg die Zahl der Schüler in den drei Schultypen allmählich auf insgesamt 1.376 im Jahr 1960, auf 1.530 im Jahr 1965 und 1.589 im Jahr 1975. Im Schuljahr 2016/17 hatte die Minderheit 14 Schulen und 1.294 Schüler. Fünf dieser Schulen unterrichten die Klasse 0 bis 9/10, neun Schulen in den ländlichen Gebieten die Klasse 0 bis 7. Danach wechseln die Schüler die Schule. Das Deutsche Gymnasium hatte 180, die Nachschule 99 Schüler. Insgesamt ergibt sich eine Summe von 1.573 Schülern – eine Zahl, die zeigt, dass sich die Schülerzahl nicht mehr wesentlich verändert.

      Die öffentliche Schule der deutschen Minderheit

      Die Schulen der deutschen Minderheit sind seit 2010 faktisch öffentliche Schulen. Im Sinne des dänischen Gesetzes handelt es sich bei den Schulen um Privatschulen; sie werden jedoch – im Gegensatz zu anderen Privatschulen – zu 100 Prozent vom Staat finanziert, während andere Privatschulen nur zu 85 Prozent finanziert werden (und die Eltern selbst die restlichen 15 % bezahlen müssen). Vom Staat bekommen die deutschen Schulen wie andere Freie Schulen auch Zuschüsse für den Betrieb der Schulgebäude; der Deutsche Schul- und Sprachverein bekam 2015 außerdem Zuschüsse aus Deutschland (vom Bund und vom Land Schleswig-Holstein). Diese deutschen Zuschüsse zu den Betriebsmitteln machen zirka 14 Prozent der gesamten Einnahmen aus. Mit den Zuschüssen von Dänemark und Deutschland erreichte der Verein 2015 einen ausgeglichenen Haushalt (während 2014 noch ein Defizit bestand) (Deutscher Schul- und Sprachverein für Nordschleswig 2016b: 90f.). Der DSSV hat 2013 eine neue Zielsetzung formuliert. Sie lautet:

      Der Verein hat zum Ziel, deutsche Sprache und Kultur sowie das deutsche Erziehungs- und Bildungswesen in Nordschleswig zu erhalten und zu pflegen. Das Ziel wird erreicht durch die Förderung

       von örtlichen Trägervereinen für deutsche Kindergärten und andere selbstständige deutsche sozialpädagogische Einrichtungen

       von örtlichen Schulvereinen und ihren deutschen Einrichtungen

       des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig

       von anderen deutschen kulturellen Einrichtungen und Arbeiten.

      Auf dieser Grundlage will der Verein aktiv an der kultur- und gesellschaftspolitischen Entwicklung des Grenzlandes mitwirken. (Deutscher Schul- und Sprachverein für Nordschleswig 2013: 1)

      Diese Zielsetzung zeigt, dass die deutsche Sprache und Kultur im Fokus stehen.

      Struktur, Lehrpläne und Sprache in den Schulen

      Die deutsche Schule ist wie die dänische Volksschule eine Gesamtschule mit 10 Klassenstufen (0. bis 9. Klasse) und einer freiwilligen 10. Klasse. Die Abschlusszeugnisse nach der 9. bzw. 10. Klasse sind sowohl in Dänemark als auch in Deutschland anerkannt. In den Vorbemerkungen zu den Lehrplänen der Grundschule wird ausdrücklich betont, dass die Schüler Fähigkeiten und Kenntnisse in deutscher und dänischer Sprache und Kultur entwickeln sollen (Deutscher Schul- und Sprachverein für Nordschleswig o.J.a). Die Lehrkräfte sollen in Dänemark und Schleswig-Holstein pädagogische, fachliche und akademische didaktische Trends rezipieren.

      Da die Unterrichtssprache Deutsch ist, wird in allen Fächern außer Dänisch Unterrichtsmaterial aus Schleswig-Holstein verwendet. Deutsche Lehr- und Lernmittel können Lehrkräfte über die Deutsche Medienbank an der Deutschen Zentralbücherei Apenrade/Aabenraa beziehen; dort gibt es auch ein Beratungsangebot sowie einen Online-Katalog. Dänisches Unterrichtsmaterial ist über das Zentrum für Bildungsressourcen in Hadersleben/Haderslev erhältlich.

      Die Fortbildung von Lehrkräften findet an mehreren Orten statt, unter anderem am Institut für Minderheitenpädagogik. Dieses Institut hat der DSSV zusammen mit dem Dänischen Schulverein für Südschleswig in Schleswig-Holstein und dem UC Syd (University College South Denmark) in Hadersleben/Haderslev eröffnet.1 Ziel des Instituts ist die Entwicklung und Vermittlung fachlicher Kompetenzen für die pädagogische Arbeit mit Kindern, die in der deutschen und dänischen Minderheit in der deutsch-dänischen Grenzregion aufwachsen.

      Die Lehrer an den deutschen Schulen haben entweder einen deutschen Lehramts-Abschluss (nach vier Jahren Studium) oder einen dänischen Lehramts-Abschluss (der ein dreijähriger Bachelor-Abschluss ist). Von den rund 125 Lehrern sind zirka zwei Drittel deutsche und ein Drittel dänische Absolventen; heute können beide Gruppen deutsche Beamte werden. Zuvor waren die in Deutschland ausgebildeten Lehrer Einwanderer, aber da es inzwischen keine Residenzpflicht mehr gibt, wohnen heute viele als Grenzpendler in Schleswig-Holstein. Das bedeutet, dass die Minderheit Lehrer in ehrenamtlichen Tätigkeiten verliert, aber auf der anderen Seite gewinnt man Lehrer, die täglich mit deutscher Sprache und Kultur leben.

      2017 gab es sechs Wochenstunden Deutschunterricht und fünf Wochenstunden Dänischunterricht in den Klassen 1 bis 4, danach für beide Fächer fünf Wochenstunden. Englisch wird ab der 3. oder 4. Klasse gelehrt.2 Es gibt also in der deutschen Schule einen starken Fokus auf Mehrsprachigkeit, aber da alle Fächer außer Dänisch und Englisch auf Deutsch unterrichtet werden, gibt es Fachbegriffe, die die Schüler nur auf Deutsch lernen. Im Anfangsunterricht wird dieser Tatsache Rechnung getragen, indem im Lehrplan sowohl für Dänisch als auch für Deutsch ein gemeinsamer Unterrichtsplan für den Sprachunterricht sowie für Lesen und Schreiben empfohlen wird, der grundsätzlich auf Deutsch durchgeführt werden soll, was für die meisten die Zweitsprache ist. Der Lese- und Schreibunterricht, der hauptsächlich in den Deutschstunden stattfindet, wird durch dänische Lese- und Schreibübungen ergänzt. Die Dänisch- und die Deutschlehrer behandeln ein gemeinsames Thema, so dass die Schüler früher oder später die Begriffe in beiden Sprachen lernen; die Erfahrungswelt der Kinder wird damit in den beiden Sprachen einbezogen und erweitert. Dieser sogenannte integrierte oder koordinierte Anfangsunterricht findet seit 25 Jahren mit schuleigenen Lehrmaterial statt (Pedersen 2010). Für 2018 ist ein Projekt des Zentrums für Minderheitenbildung zur Erarbeitung gemeinsamen Unterrichtsmaterials geplant.

      Unterrichtsgespräche zwischen Lehrern und Schülern und die schriftliche Kommunikation finden auf Deutsch statt; die Schüler untereinander kommunizieren jedoch in den Pausen und oft auch während des Unterrichts auf Sønderjysk. In den Klassen mit Dänisch als Unterrichtsfach sprechen Lehrer und Schüler Standarddänisch. Sønderjysk wird dagegen als die private Sprache der Schüler angesehen und selten zum Unterrichtsgegenstand gemacht, obwohl Unterrichtsmaterial für das Sprachbewusstsein und den Dialekt zur Verfügung steht (Pedersen et al. 1993).

      Deutsches Gymnasium und die Nachschule

      Der DSSV betreibt seit 1959 auch das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig (DGN) in Apenrade/Aabenraa. Es umfasst drei Klassen. Die Abschlussprüfung, das Abitur, ist sowohl in Dänemark als auch in Deutschland anerkannt. Es handelt sich um ein privates Gymnasium, gefördert durch den dänischen Staat und die Bundesrepublik Deutschland, wodurch es für die Eltern kostenlos ist. Heute besucht etwa die Hälfte der Schüler der deutschen Minderheitenschulen das Gymnasium. Zweisprachigkeit ist ein zentrales Element des Gymnasiums: Sowohl Deutsch als auch Dänisch werden auf muttersprachlichem Niveau vermittelt mit Deutsch als verbindlicher Unterrichtssprache. Die Schule hat den Anspruch, ihre Schüler

      in die deutsche und dänische Kultur ein[zu]führen. Dabei ist unsere Schule offen auch für Schüler, die nicht aus Nordschleswig kommen. Unsere Lage im Grenzland unterstützt ein vorurteilsfreies Miteinanderumgehen.1

      Die meisten Schüler studieren danach in Dänemark, wo sie keine Studiengebühren bezahlen müssen und unabhängig vom Einkommen der Eltern eine dänische Studienunterstützung