Stadtgemeinden in der dänischen Volkskirche (Folkekirke) in den vier größten nordschleswigschen Städten Apenrade/Aabenraa, Hadersleben/Haderslev, Sonderburg/Sønderborg und Tondern/Tønder und andererseits in den ländlichen Gebieten durch die Nordschleswigsche Gemeinde, die – 1923 als Freikirche nach dänischem Recht gegründet – selbständig ist, aber durch einen Anschlussvertrag eng mit der Nordkirche (früher Nordelbische Kirche) verbunden ist. Sie hat fünf Pfarrbezirke, und zwar Burhkall/Burkal, Gravenstein/Gråsten, Hoyer/Højer zusammen mit Lügumkloster/Løgumkloster, Süder Wilstrup/Sønder Vilstrup und Tingleff/Tinglev, wo sich auch ein Kirchenbüro befindet. Früher gab es sieben Pfarrbezirke im ländlichen Bereich, heute sind es wegen gesunkener Einnahmen der Kirchensteuer in der Nordkirche, von der der Lohn des Pastors bezahlt wird, nur noch fünf. Die Pastorinnen und Pastoren unterstehen der geistlichen Aufsicht des Bischofs in Schleswig in Schleswig-Holstein.
Die deutschsprachige kirchliche Versorgung in Nordschleswig ist nach Meinung der Nordschleswigschen Gemeinde für den Zusammenhalt der Volksgruppe von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da sie auch solche Menschen an die Minderheit bindet, die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht den politischen oder kulturellen Organisationen der deutschen Volksgruppe anschließen möchten. Dazu kommt die Förderung der deutschen Sprache durch die Kirche, da sowohl mündlich als auch schriftlich nur Deutsch gebraucht wird.1
Das kulturelle Leben der Minderheit
Der BDN hat einen Kulturausschuss, der für die Gesamtplanung der Kulturarbeit der Volksgruppe zuständig ist. Jährlich findet eine Kulturkonferenz für alle Mitglieder und Interessierten statt. Die Veranstaltungen des „Festivals Deutscher Kultur“, die von den verschiedenen Verbänden arrangiert werden, spielen zusammen mit der Kirche eine große Rolle für das kulturelle Leben der Minderheit. Dazu kommt eine Reihe von kulturellen Traditionen, die die Minderheit mit der dänischen Majoritätskultur in Nordschleswig oder der deutschen Majoritätskultur in Schleswig-Holstein oder beiden gemeinsam hat. Minderheit und Mehrheit in Nordschleswig teilen den Mutterschaftsstorch (barselsstork), das Katzenschlagen zu Fasching, Ostereier an Zweigen zur Dekoration, den Osterbrief, das Sankt-Hans-Feuer (am Abend des 23. Juni), Lanternelaufen, Wünsche für ein Frohes Neues Jahr mit Knallern vor der Tür und die Abiturientenmütze. Schultüten zur Einschulung hingegen und die Feier der deutschen Wiedervereinigung teilt die Minderheit allein mit der Majoritätskultur in Deutschland. Diese Zweiströmigkeit gehört zu der Besonderheit der Kultur der Minderheit. Sie ist sowohl mit der deutschen als auch der dänischen Kultur verwoben, die ihrerseits miteinander eng verwoben sind in Traditionen, die sich immer über die deutsch-dänische Grenze bewegen.
In der Literatur bekennen sich einige Schriftsteller Nordschleswigs eindeutig zur deutschen Minderheit und schreiben dementsprechend auch in deutscher Sprache. Oft haben Schriftsteller im Deutschen Volkskalender Nordschleswig debütiert und hier in den folgenden Jahren Novellen und Gedichte publiziert. Diese Möglichkeit existiert nicht mehr; 2011 ist das letzte Jahrbuch erschienen, der Volkskalender wurde nach 85 Jahren wegen Sparmaßnahmen eingestellt. Digitale Medien können vielleicht ihre Rolle als Kulturvermittler übernehmen. Westergaard (2000) schreibt, dass drei Autoren den Kern bilden: Hans Schmidt-Gorsblock (1889–1982), Harboe Kardel (1893–1982) und Ingrid Brase Schloe (geb. 1925), die alle Lyrik, Kurzprosa und Romane publiziert haben. In ihren Werken wird zum einen sehr viel Toleranz, zum anderen Identitätsfindung thematisiert. Letzteres bewegt nicht nur die Minderheit, sondern alle Menschen in dieser Grenzregion, in der zwei Kulturen und Sprachen aufeinander treffen. Der Autor Hans Schmidt Petersen (geb. 1962) gehört auch zur deutschen Minderheit, wohnt aber in Berlin. Sein Debüt-Roman erschien in dänischer Sprache, danach folgte eine Reihe von Kriminalromanen in deutscher Sprache.
Auch bildende Künstler und Musiker gehören zur Minderheit, doch ist es in diesen Kunstformen schwerer auszumachen, ob sich darin die Identität der Minderheit niederschlägt oder ob nicht eher übernationale Stimmungen bzw. individuelle Haltungen und Stile zum Ausdruck kommen.
5 Soziolinguistische Situation
5.1 Kontaktsprachen
In Nordschleswig werden mehrere Nationalsprachen, Regionalsprachen und Dialekte gesprochen. Dänisch ist die offizielle Sprache, Deutsch ist als Minderheitensprache anerkannt, und sowohl die Dänen als auch die deutsche Minderheit sprechen den dänischen Dialekt Sønderjysk (Südjütisch). Dazu kommen weitere dänische und deutsche regionale Varietäten und die Sprachen und Dialekte von Migranten.
5.2 Die einzelnen Sprachformen des Deutschen
5.2.1 Regionaler Standard
Die offizielle Sprache der deutschen Minderheit ist Hochdeutsch, mündlich und schriftlich. Als Norm gilt dabei weithin ein am norddeutschen Regionalstandard orientierter Standardbegriff. Am ehesten wird diese Standardsprache von denjenigen Mitgliedern der Minderheit gebraucht, die in Schleswig-Holstein aufgewachsen sind. Die Mitglieder, die in Nordschleswig geboren sind, aber in Deutschland studiert oder gearbeitet haben, beherrschen ebenfalls sehr oft diesen Standard; er ist aber nicht ihre tägliche Umgangssprache.
5.2.2 Umgangssprache
Nordschleswigdeutsch – eine regionale Minderheiten-Kontaktvarietät
Die meisten Mitglieder der Minderheit, die in Nordschleswig geboren sind und dort leben und deren Eltern dänische Staatsbürger sind, sprechen Nordschleswigdeutsch. Sie sprechen diese regionale Kontaktvarietät unabhängig davon, ob ihre Muttersprache Deutsch oder Sønderjysk ist. Mitglieder der Minderheit mit deutscher Staatsbürgerschaft, die als Erwachsene nach Nordschleswig gezogen sind, passen sich selten der regionalen Minderheitsvielfalt an. Sie selbst verwenden Hochdeutsch oder eine am norddeutschen Regionalstandard orientierte Varietät. Ihre Kinder, die in Nordschleswig in der Minderheit aufwachsen, neigen jedoch dazu, sich an Nordschleswigdeutsch zu gewöhnen; sie erwerben es typischerweise von ihren Freunden im Kindergarten und in der Schule. In der Minderheit und bei ihren Repräsentanten besteht ein Bewusstsein dafür, dass Nordschleswigdeutsch anders ist als Hochdeutsch, und es besteht die Tendenz, diese Vielfalt als regionale Varietät zu pflegen. Die wichtigsten Merkmale, die diese Varietät charakterisieren, liegen in der Prosodie. Zunächst wird das dänische Intonationsmuster auf das Deutsche übertragen. Das dänische Intonationsmuster unterscheidet sich vom deutschen vor allem in Fragen und in nicht-abschließenden Sätzen. Der deutsche Aufwärtston, der lokal für die letzten Worte der Phrasen verwendet wird, wird durch ein fallendes Grenztonmuster in den Fragen und einen geraden Ton in den nicht-abschließenden Phrasen ersetzt.
Im Bereich der Lexik wird das dänische Betonungsmuster oft auf Wörter mit ähnlicher Schreibweise in dänischer und deutscher Sprache übertragen. Die Wörter aktiv und Asphalt zum Beispiel werden dem Dänischen entsprechend oft auf der ersten Silbe betont und nicht auf der zweiten Silbe wie im Hochdeutschen. Die Wörter elendig und konservativ folgen dem dänischen Betonungsmuster, indem sie auf der zweiten Silbe betont werden, nicht auf der ersten Silbe. Dabei kann die Betonung unabhängig von ihrer Position in einem Lexem abweichen (Pedersen 2000: 213).
Auf der segmentalen phonetischen Ebene können die Vokale nach dem dänischen Vokalsystem mit 25 Vollvokalen ausgesprochen werden, während Hochdeutsch nur 14 Vollvokale hat. Deutsche Konsonantencluster, die es im Dänischen nicht gibt, zum Beispiel initiales /sch-/ und finales /-ch/ weichen in ihrer Realisierung leicht von der hochdeutschen Form ab (Pedersen 2000: 213, Westergaard 2008: 361).
Innerhalb der Semantik zeichnet sich das deutsche Lexikon durch lexikalischen Transfer von Sønderjysk und Standarddänisch ins Deutsche aus. Die gebräuchlichsten Arten sind Lehnwörter, Lehnübersetzungen und Lehnübertragungen.
Dänische Namen oder Bezeichnungen von Mehrheitsinstitutionen werden in Nordschleswigdeutsch häufig verwendet, entweder als Lehnwörter, wie zum Beispiel statsminister, oder als Lehnübersetzungen, wie zum Beispiel ‚Regionsrat‘ für das dänische regionsråd. Sie gelten als kreative Ausdrucksformen, die den Anwendungsbereich der