Группа авторов

Handbuch des Deutschen in West- und Mitteleuropa


Скачать книгу

während der Schulzeit. Während dieser Zeit ist der Wechsel in die Muttersprache Sønderjysk ein charakteristisches Sprachkontaktphänomen. Eine Längsschnittstudie (Pedersen 1983–2013) hat ergeben, dass sich das Code-Switching in Minderheiteninstitutionen im Laufe der Zeit verändert. Im Kindergarten wird es von den Kindern spontan in allen möglichen Situationen benutzt, während die ältesten Schülerinnen und Schüler es vermeiden, auf Sønderjysk oder Standarddänisch umzuschalten, wenn Deutsch als Kommunikationsmedium erwartet wird. Sie verwenden es aber unter Umständen privat. Innerhalb eines offiziellen deutschen Minderheitenkontextes ist ein ähnliches Muster zu beobachten. Code-Switching auf Dänisch wird vermieden. Eine kommunikative Kompetenz in Nordschleswigdeutsch, Sønderjysk und Standarddänisch in Kombination mit Code-Switching befriedigt jedoch die kommunikativen Bedürfnisse der Minderheitenmitglieder in der Gemeinschaft, in der sie leben. Daher wird sie als funktionale regionale Zweisprachigkeit definiert (Pedersen 1993: 463).

      Im privaten Bereich in der Familie und unter Freunden in der deutschen Gesellschaft ist Code-Switching ebenfalls ein alltägliches Phänomen, da die meisten Mitglieder beide Sprachen verstehen und sprechen. Aus der teilnehmenden Beobachtung in Minderheitenfamilien beurteilt, scheint es sich dabei um intrasententielles Code-Switching und Lehnwörter zu handeln und nicht um eine vollständige Verflechtung der beiden Sprachen. Im Volkskalender 1975 werden – in karikierender Weise – Beispiele für diese Art von Sprache gegeben, die von Angehörigen von Minderheiten in den Straßen und Häusern in Tondern/Tønder gesprochen wird:

      Sag mal, hat Tiddes Tochter sich verlobt? – Nä, das blieb zu nichts, er hat sie geschnürt, ist gar nicht wiedergekommen. Ich fragte Tidde, um man gratulieren konnte. Da blieb sie doll: Was ragt es Dir? Da sollst Du Dich gar nicht um brüen! Schrie sie mich gerade ins Gesicht. (Deutscher Volkskalender Nordschleswig 1975: 58)

      Für die Neuen Medien wie Facebook zeigt Westergaard (2013, 2014, 2015), dass die Angehörigen der Minderheit sowohl den dänischen Dialekt Sønderjysk als auch Standarddänisch und Deutsch gebrauchen. Die Sprachenwahl hängt davon ab, ob es sich um Statusmeldungen mit unbekannten Adressaten oder Pinnwanddialoge mit bekannten Adressaten handelt. Statusmeldungen auf der eigenen Seite sind auf Standarddänisch oder auf Hochdeutsch verfasst, wenn es sich um die Minderheit oder die Minderheitenschule dreht. Der dänische Dialekt Sønderjysk ist hier selten. In den Pinnwanddialogen erfolgt die Sprachwahl adressatenspezifisch und orientiert sich am mündlichen Sprachgebrauch der Kommunikationspartner. Der Dialekt Sønderjysk wird häufig als schriftliche Kommunikationssprache gewählt. Und hier ist Code-Switching zwischen Sønderjysk und Deutsch erlaubt, wenn die Adressaten bilingual sind. Anhand dieser Beobachtungen lässt sich die Frage formulieren, inwieweit die Neuen Medien zu einer Revitalisierung des Dialekts beitragen.

      6 Sprachgebrauch und -kompetenz

      6.1 Allgemeines

      Umfragen von Sievers (1975), Toft (1982), Byram (1986), Pedersen (1986) und vom Deutschen Schul- und Sprachverein (2004) zeigen, dass Deutsch, die offizielle Minderheitensprache, die Familiensprache von weniger als einem Drittel der Minderheit ist. Diese Zahl bestätigt, dass die nationale deutsche Zugehörigkeit und Angehörigkeit zur Minderheit auf dem Bekenntnisprinzip und nicht auf der Familiensprache beruhen. Toft (1982) wertete die Antworten aus 412 Fragebögen von Mitgliedern der wichtigsten Minderheitenorganisation aus: Die Ergebnisse (72,4 % und 70,7 %) zeigen, dass der dänische Dialekt Sønderjysk die am häufigsten in der Familie verwendeten Varietät ist.

Häufigste Umgangssprache Deutsch Sønderjysk (Dialekt) Dänisch N
mit den Eltern 23,7 72,4 3,9 644
mit den Kindern 27,8 70,7 1,5 273

      Tab. 1:

      Sprachverhalten innerhalb der Familie (nach Toft 1982: 44, Tabelle 19.b)

      Der Deutsche Schul- und Sprachverein hat im Jahr 2003 309 Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern in elf Schulen zu ihrer Muttersprache befragt. Die Schlussfolgerung in Bezug auf die vorherrschende Familiensprache war:

      Im Zusammenhang mit einer Unterrichtsmilieuuntersuchung wurde 2003 der Sprachgebrauch der Schüler der 5.–10. Kl. und deren Eltern ermittelt. Bei Vater und Mutter wurde nach der Haussprache, beim Kind nach der „bevorzugten Sprache“ gefragt. Den Schülern, die auch die Frage nach der Haussprache der Eltern zu beantworten hatten, waren die Kategorien „Deutsch“ – „Dänisch“– „Sønderjysk“ – „andere“ vorgegeben. Einige Schüler machten aber auch ihr Bewusstsein von ihrer Zwei-/Mehrsprachigkeit deutlich, indem sie mehrere Sprachen ankreuzten. Das Ergebnis zeigte starke regionale Unterschiede. Es ergab für 11 Schulen (309 Schüler) folgendes Ergebnis:

      Deutsch wird am ehesten als Muttersprache in Familien verwendet, in denen ein Elternteil oder beide Elternteile oder Großeltern südlich der deutsch-dänischen Grenze aufgewachsen sind. Zu diesen Familien gehören Lehrer, Minister, Bibliothekare und Journalisten, die in der Minderheit arbeiten. Sie sind Deutsch-Muttersprachler und geben Deutsch als Muttersprache an ihre Kinder weiter. Je kürzer die lokalen Wurzeln, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Deutsch eine Haussprache ist. Das ist wahrscheinlich in Pattburg/Padborg an der Grenze zu Deutschland der Fall. Die Familien mit tiefen Wurzeln in Nordschleswig sprechen eher den dänischen Dialekt Sønderjysk als Muttersprache. Dieser Dialekt wird auch von der Mehrheitsbevölkerung gesprochen und gilt inzwischen als neutral hinsichtlich der nationalen Zugehörigkeit. In der Mehrheit der Bevölkerung nimmt die Verwendung dieses Dialektes als Muttersprache jedoch ab, und Standarddänisch wird übernommen. Diese Entwicklung hat in der Minderheit noch nicht stattgefunden, aber in der DSSV-Umfrage von 2004 hat Standarddänisch schon bemerkenswert hohe Werte. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die dänischsprachigen Mehrheitskinder in Minderheitenschulen gehen, um zweisprachig in Dänisch und Deutsch zu werden. Die Schulen haben in den letzten zehn Jahren ihre Türen für diese Gruppe geöffnet und werben auch in dänischen Tageszeitungen, um solche Schüler anzuziehen. (Familien, die in der Umfrage eine andere Sprache als Familiensprache angeben, zum Beispiel Migranten, könnten ebenfalls zur Mehrheit gehören.)

      6.2 Sprachkompetenz

      Die Längsschnittstudie „Mødet mellem sprogene i den dansk-tyske grænseregion“ (‚Treffen zwischen den Sprachen der dänisch-deutschen Grenzregion‘) (Pedersen 1983–2013) hat unter anderem einen qualitativen Einblick ergeben in die individuelle Sprachkompetenz im Deutschen von Kindheit an im deutschen Kindergarten, in der Schule sowie im Erwachsenenalter. Die Schüler, die mit Deutsch als Zweitsprache die Minderheitenschule verließen, beherrschten Nordschleswigdeutsch mündlich und Standarddeutsch schriftlich, aber als Erwachsene war ihre Deutschkompetenz abhängig von ihrer Verbindung mit den Minderheiteninstitutionen und -verbänden. Mehrere Personen ohne engeren Kontakt hatten Schwierigkeiten, fließend Deutsch zu sprechen, hatten lexikalische Lücken und Unsicherheiten in der Syntax. Diejenigen, die in Minderheitenarbeit tätig waren, beherrschten Nordschleswigdeutsch immer noch.

      6.3 Sprachgebrauch (Schriftsprache)

      Beim Schreiben wird die Wahl zwischen Hochdeutsch, Standarddänisch und Sønderjysk durch den Kontext bestimmt. Hochdeutsch wird intern in