der Minderheit noch 2004, dass man die Mehrheit nicht provozieren wolle. Der Vorsitzende des BDN plädierte dagegen für eine Sprachenpolitik, die zumindest zweisprachige Ortsschilder zulässt. In einem Schreiben an den BDN im Jahr 2003 stellte das dänische Verkehrsministerium fest, dass zweisprachige Schilder in Dänemark nicht gesetzlich verboten sind, jedoch von der dänischen Straßenverkehrsbehörde genehmigt werden müssen. Das Ministerium vertrat die Auffassung, dass zweisprachige Schilder bei den Verkehrsteilnehmern zu Verunsicherung und Verwirrung führen können, d.h. zu einer verminderten Lesbarkeit und Orientierungslosigkeit, die wiederum ein erhöhtes Risiko von Verkehrsunfällen verursachen können. Der Verkehrsdirektion lagen zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine Anträge auf Genehmigung zweisprachiger Verkehrszeichen vor, so dass sie keine Stellung bezog. Im Jahr 2017 kam das Verkehrsministerium schließlich zu dem Schluss, dass zweisprachige Zeichen möglich sind.
Innerhalb der postalischen Adressen ist die Verwendung deutscher Ortsnamen durch die Minderheit in Dänemark nur noch selten anzutreffen. Die Minderheit verwendet die dänischen Namen, um die Adresse erkennbar zu machen. Dies wird von der Post verlangt, die ansonsten nicht garantiert, dass der Brief an die richtige Adresse zugestellt wird. Alle Briefe innerhalb Dänemarks, zum Beispiel vom BDN, werden mit dänischen Ortsnamen adressiert.
Im mündlichen Gebrauch ist die Tradition der Verwendung deutscher Ortsnamen in Bezug auf Städte auf jeden Fall stabil; im Zusammenhang mit Straßennamen ist die Situation jedoch eine andere. Welche Rolle hierbei externe Vorgaben des Postwesens spielen, ist schwer zu beurteilen. Jedenfalls sind aber die traditionellen deutschen Straßennamen Mitgliedern der Minderheit, die jünger als 60 Jahre sind, inzwischen kaum bekannt, und aus der Minderheit werden auch keine offiziellen Wünsche nach zweisprachigen Straßenschildern geäußert.
Im Jahr 2016 beschloss der Bürgermeister von Hadersleben/Haderslev, dem Wunsch der Minderheit entsprechend, zweisprachige Ortsschilder aufzustellen. Darauf war oben in größerer Schrift der dänische Namen Haderslev und darunter etwas kleiner der deutsche Name ‚Hadersleben‘ abgedruckt. Aufgrund von Vandalismus wurden diese Schilder jedoch schon nach einer Woche wieder entfernt. Dieser Vorfall zeigt, dass durchaus eine nationalistische Ideologie existiert, die nur dänische Städtenamen akzeptiert, und dass es noch immer Ressentiments gegenüber den deutschen Städtenamen gibt, die mit der preußischen Herrschaft oder auch mit dem Deutschland des Zweiten Weltkriegs verbunden werden. Andererseits werden die deutschsprachigen Schilder, die auf deutsche Institutionen hinweisen, nicht mehr zerstört.
Haderslev/Hadersleben
Forderungen der Hardliner aus dem Jahr 2015
Angesichts der Erkenntnis, dass es seit der „Sprachpolitischen Zielsetzung“ aus dem Jahr 2010 und trotz Unterstützung durch den Europarat (das Expertenkomitee der Sprachencharta und der Rahmenkonvention) keine Fortschritte in Bezug auf die Verwendung des Deutschen gab, hat die Minderheit beschlossen, eine Arbeitsgruppe Sprachenpolitik einzurichten. Im Jahr 2015 präsentierte der BDN seine „Sprachpolitischen Forderungen der deutschen Minderheit. Strategie 2015–20“, die sich auf den Gebrauch des Deutschen in öffentlichen Einrichtungen und im öffentlichen Raum konzentrieren. Es sind keine Wünsche mehr, sondern Forderungen, und die Minderheit bezieht entschlossen Stellung. Wann dies zu Ergebnissen führt, ist noch nicht absehbar, aber es zeigt, dass die verhältnismäßig kleine Gruppe inzwischen eine Stärke gewonnen hat, die sie vorher nicht hatte. Einer der Gründe für diese Stärke ist, dass die Minderheit, auch mit Hilfe der Sprachencharta des Europarats, in den vier südjütischen Kommunen und im Folketing (Parlament) eine stärkere politische Vertretung erreicht hat. Das Strategiepapier des BDN setzt zur Erreichung seiner Ziele ausdrücklich auf die Unterstützung der Stadtratsmitglieder der Schleswigschen Partei, des Kopenhagener Kontaktausschusses und des Europarats.
Die Bedeutung der deutschen Sprache für die Minderheit wird in dem Strategiepapier besonders hervorgehoben:
Die deutsche Sprache ist das wichtigste Erkennungsmerkmal der deutschen Nordschleswiger. Sie ist nicht nur das wichtigste Werkzeug der Kommunikation, sondern verbindet und zeigt Zugehörigkeit. Die Förderung und Pflege der deutschen Sprache gehört zu den wichtigsten Aufgaben der deutschen Volksgruppe. Dies gilt nicht nur in den eigenen Einrichtungen und Vereinen, sondern auch im öffentlichen Raum, um so auch die Wahrnehmung der deutschen Minderheit zu verbessern. (Bund Deutscher Nordschleswiger 2015b: 1)
Die sieben konkreten Ziele (die durchaus eine unterschiedliche Granularität aufweisen) lauten:
Benennung von deutschsprachigen Ansprechpartnern in den Kommunen
Erstellen einer Sprachstrategie für kommunale Pflegeheime und regionale Krankenhäuser
Produktion einer Broschüre über die Möglichkeit der Vorlage von relevanten Dokumenten auf Deutsch gegenüber der öffentlichen Verwaltung und den Gerichten
Aufstellung eines Autobahnhinweisschildes „Knivsbjerg/Knivsberg“
Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln
Förderung der Deutschen Museen.
9 Zusammenfassung
Insgesamt ist die fast hundertjährige Geschichte der deutschen Minderheit in Nordschleswig von Kontinuität und Wandel geprägt. Seit 1920 ist die Zukunft der Minderheit ungewiss, aber die Minderheit existiert auch heute noch, wobei sich ihr heutiger Charakter von dem früherer Zeiten unterscheidet. Die alten Bestrebungen, die Grenze zu revidieren, sind verschwunden und wurden durch eine breite Zusammenarbeit in der gesamten Region, sowohl nördlich als auch südlich der Grenze, ersetzt.
Im Allgemeinen hat die Mehrheit in Nordschleswig eine positive Einstellung gegenüber der deutschen Minderheit entwickelt, seit sie in den 1990er Jahren begann, sich mit der dänisch-deutschen Zweisprachigkeit als positives Phänomen zu identifizieren und als eine Gruppe zu betrachten, die den dänischen Dialekt Sønderjysk bewahrte. Viele Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft sehen das Deutschsein nur als eine Frage der deutschen Sprache, die zum dänischen Dialekt Sønderjysk und zu Standarddänisch hinzukommt; die nationale Identität steht nicht im Mittelpunkt. Dies kann als ein allgemein abnehmendes Interesse an der nationalen Identität angesehen werden, dem nur einige wenige offene Nationalisten entgegenstehen. Diese wenden sich auch gegen die jungen Mitglieder der Minderheit, die sich selbst als deutsche Südjütländer betrachten. Für diese nationalgesinnten Dänen ist hingegen Südjütländer ein regionaler Identitätsmarker, der nur Dänen umfasst. Anders herum lehnt auch die ältere Generation der Minderheit die Selbstbeschreibung als deutsche Südjütländer ab und sieht sich eher als Nordschleswiger, was die Zugehörigkeit zur Minderheit betont.
Die Kombination aus zunehmender Regionalisierung und Denationalisierung hat die Barrieren zwischen der Mehrheit und der Minderheit abgebaut, und beide haben sich wiederum füreinander geöffnet. Minderheitenkindergärten und -schulen werben um die Kinder der Mehrheit; einige ihrer Eltern wählen diese Einrichtungen aktiv, vor allem, damit ihre Kinder als dänische und deutsche Zweisprachige aufwachsen. Darüber hinaus nutzen insbesondere einige Senioren aus der Mehrheitsbevölkerung die Angebote des Sozialdienstes. Auch im Bereich der Politik wurden die Grenzen zwischen Dänisch und Deutsch durchbrochen, v.a. durch die regionale Profil- und Sprachkampagne der SP, die zu einer Verdoppelung der Stimmen für die SP geführt hat. Von der Mehrheit wurde vorgeschlagen, dass die Wahllokomotive der SP in Sonderburg/Sønderborg Bürgermeister im Stadtrat sein sollte. Letztlich wurde er jedoch nicht dazu gewählt.
Die Offenheit der Minderheit hat aber auch zu einigen Missverständnissen geführt. Einige Dänen haben vorgeschlagen, einen dänischen und einen deutschen Kindergarten zusammenzulegen, da die Kinder zu Hause dieselbe Sprache sprechen. Darüber hinaus haben einige vorgeschlagen, den Landwirtschaftlichen Hauptverein für Nordschleswig in sein dänisches Pendant einzugliedern, um die finanziellen und fachlichen Ressourcen optimal zu nutzen. Die Ablehnung beider Vorschläge ist jedoch ein Ergebnis des Wunsches der Minderheit, Integrität zu wahren