die Sammlungen, was nicht immer ohne Ärger abging. Ich denke da an das ‚Karl-Liebknecht-bild‘ [sic!] das man in Dresden ablehnte und ich es zum Verdruß von Herrn Hoffmann sehr zentral im halleschen Museum platzierte.“19 Werner war es auch, der 1956 eine zweite Fassung der Bergung aus Hochwasser
Auf der heftig umstrittenen Bezirkskunstausstellung 1957, der sogenannten Weihnachtsausstellung, war Sitte erneut nur mit vier Arbeiten auf Papier vertreten, obwohl er zu dieser Zeit die Hochwasserkatastrophe am Po S. 263 und die erste Fassung der Bergung aus Hochwasser ebenso wie das Völkerschlacht-Gemälde S. 344 f fertiggestellt hatte und parallel am Kampf der Thälmann-Brigade in Spanien S. 34722 und dem Lidice-Werkkomplex S. 350 ff23 arbeitete.
Das Ablehnen von zu den zentralen Ausstellungen des VBK auf Bezirks- bzw. Landesebene eingereichten Arbeiten Willi Sittes wiederholte sich bis in die 1960er Jahre mehrfach. Wie von Werner richtig erinnert, sandte Sitte 1953 sein Liebknecht-Bild S. 257 zur legendären „sowjetisierten“ Dritten Deutschen Kunstausstellung nach Dresden, wo es von der Jury abgelehnt wurde. Während das gerade vollendete Arbeiter-Triptychon S. 399 1960 auf der Bezirkskunstausstellung in der Moritzburg zwar gezeigt, doch heftig diskutiert und von Gerhard Pommeranz-Liedtke (1909–1974) in einem Artikel im Neuen Deutschland kritisiert wurde,24 lehnten die Jurys der Kunstausstellung zu den 3. Arbeiterfestspielen der DDR in Magdeburg 1961 das mehrteilige, großformatige Gemälde Memento Stalingrad S. 35925 und der Fünften Deutschen Kunstausstellung in Dresden 1963 das Polyptychon Unsere Jugend S. 401 ab. Begleitet wurden diese Prozesse von heftigen Auseinandersetzungen Sittes mit der Bezirksleitung der SED aufgrund Sittes kritischer Haltung zur Kulturpolitik der DDR, vor allem zum Dogma des Sozialistischen Realismus, die final in der im Februar 1963 zunächst in der Freiheit und eine Woche später im Neuen Deutschland veröffentlichten Selbstkritik „Meine ganze Kraft für den sozialistischen Realismus“ kulminierten.26
Beginn der Akzeptanz: erste Personalausstellung in der DDR
Nur sechs Monate später gewährte man ihm mit 42 Jahren seine erste museale Einzelausstellung in der DDR. Sie fand vom 18. August bis 17. September 1963 unter dem Titel Willy Sitte. Gemälde, Graphik im Erfurter Angermuseum statt
Die Sitte-Ausstellung war eine Initiative Römplers, der sein Amt am 1. Juni 1963 antrat und diese in kürzester Zeit mit dem strittigen Künstler zusammengestellt haben muss.29 Gezeigt wurden 33 Zeichnungen und 32 Ölbilder aus den Jahren 1950 bis 1963, von denen acht Zeichnungen und 16 Gemälde vor 1960 entstanden waren, mithin ein Drittel aller ausgestellten Werke bzw. sogar die Hälfte aller Gemälde. Das erstaunt insofern, als eben diese der Moderne verbundenen Werke von der SED-Kulturpolitik unentwegt als „modernistisch“ kritisiert und abgelehnt wurden. Acht Gemälde stammten aus der ersten Jahreshälfte 1963, darunter neben Aktdarstellungen Meine Eltern II S. 115, Vater mit Weihnachtsgans30 und als Hauptwerk der Schau das gerade vollendete Großformat Die Überlebenden S. 363. In einer Rezension hieß es: „Willy Sitte ist ein recht problematischer Maler, der sich gleichermaßen wach mit den modernen künstlerischen Erscheinungsformen und den gesellschaftlich-politischen Äußerungen unserer Zeit auseinandersetzt und so zu einer Gestaltungsweise gelangt, die voller Spannung ist.“31 Eine weitere Besprechung resümierte seinen Malstil wie folgt: „Sittes Kunst fußt mehr auf dem Zeichnerischen als auf dem Malerischen. Seine Oelbilder wirken wie kolorierte Zeichnungen. Bei der Farbgebung selbst neigt der Künstler zur lauten Palette. Scharfe Linien und gestraffte Konturen geben seinen Grafiken und Porträts eine herbe, fast spröde Note, woraus sich auch sein ureigener, persönlicher Stil widerspiegelt, dem eine intime, fein empfundene Stimmung weniger liegt.“32 Rainer Behrends (* 1937), Mitarbeiter des Museums, verfasste eine umfassende Rezension für die Zeitung Das Volk, in der er Die Überlebenden als „eine neue Stufe seines Weges zum sozialistischen Realismus“ kategorisiert.33 Unmissverständlich wog Behrends den „weniger […] koloristische Reize auskostende[n] Maler“ zugunsten des „ausdrucksstärksten Zeichners unserer Kunst“ auf. Folgerichtig kaufte das Angermuseum aus der Ausstellung drei Zeichnungen an, womit es das zweite Museum war, das Werke des Künstlers erwarb. Man hatte auch Interesse an dem Gemälde Meine Eltern II. Dieses hatte der Künstler jedoch bereits dem halleschen Kunstmuseum zugesagt.34 Behrends legte in seiner Rezension zudem deutlich den Finger in die Wunde des Künstlers, wenn er einerseits „die Notwendigkeit des künstlerischen Experimentes zur Klärung von Problemen des sozialistischen Realismus“ konstatiert, andererseits jedoch bezüglich der erstmals öffentlich ausgestellten Werke der ersten Hälfte der 1950er Jahre formuliert, dass diese „zwar farblich schön und genußreich zu betrachten sind, […] aber eindeutig die Unmöglichkeit beweisen, durch Nachahmen von Elementen der spätbürgerlichen Kunst unseres Jahrhunderts zur Form und zum Inhalt unserer Kunst zu gelangen.“ Damit resümierte er treffend die Problemlage in der Diskussion der Kunst Willi Sittes zwischen 1951 und 1963.
Die Ausstellung wurde Anfang 1964 von den Staatlichen Museen Meiningen übernommen.35 Die vom 29. Februar bis 22. März 1964 im Kulturhaus der Mansfelder Bergarbeiter in Eisleben realisierte Einzelausstellung basierte offenbar auf einer leicht veränderten Auswahl aus dem Erfurter Konvolut. Gezeigt wurden 61 Gemälde