href="#u2608003c-c33f-5828-b0f3-7e64d2f76023">S. 403 und das Blatt zum 65. Geburtstag von Louis Aragon S. 417.36 Die Werke wurden vom Publikum offenbar sehr kontrovers wahrgenommen,37 sodass ein Gesprächsabend mit dem Künstler gemeinsam mit seinen Kollegen Hannes H. Wagner (1922–2010), Rolf Kiy (1916–1996), Eberhard Frey (1916–1993) und Erich Enge (* 1932) stattfand. Wolfgang Schrader (* 1933) resümierte: „Diese Bemühungen auf dem Bitterfelder Weg werden der bildenden Kunst ständig mehr verständnisvolle Freunde gewinnen, die wiederum an die Künstler höhere Ansprüche stellen.“38
Die Ausstellung in Eisleben fand sozusagen am Vorabend zweier entscheidender Ereignisse des Jahres 1964 statt – sowohl für die Kunst- und Kulturpolitik der DDR als auch für Willi Sitte persönlich. Vom 24. bis 26. März 1964 tagte der V. Kongress des VBK im Kulturhaus des Werks für Fernsehelektronik, Berlin-Oberschöneweide. Hier vollzog Sitte den Beginn seiner Abkehr von der Gruppe der radikalen Kritiker der staatlichen Kulturpolitik um Herbert Sandberg (1908–1991) und Fritz Cremer (1906–1993) und seiner allmählichen Übereinstimmung mit den Dogmen der Partei.39 Auf einer Auswertung der Ereignisse auf dem Kongress in der Abteilung Kultur des ZK der SED in Berlin wurde kritisiert, dass der Kongress parteipolitisch schlecht vorbereitet war, und propagiert, dass sich dies einen Monat später bei der 2. Bitterfelder Konferenz nicht wiederholen dürfe. Diese fand am 24./25. April 1964, veranstaltet von der Ideologischen Kommission beim Politbüro des ZK der SED und vom Ministerium für Kultur, statt. Der künstlerische (und ideologische) Wandlungsprozess Willi Sittes wurde auf dieser Konferenz vom Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht (1893–1973) durch namentliche Erwähnung goutiert: „Ich möchte solche Künstler und Schriftsteller wie Lea Grundig, Walter Womacka und Rudolf Bergander, Willi Neubert und Willi Sitte […] sowie all die anderen Schriftsteller, bildenden Künstler, Komponisten, Musiker, Regisseure und Darsteller, die in den letzten Jahren interessante Werke schufen und echte Probleme zur Diskussion stellten, aufrufen, den Bitterfelder Weg zu einer großen parteilichen und volksverbundenen Kunst weiterzugehen!“40 Dieser Anerkennung vom höchsten Funktionsträger der DDR war bereits im Februar deren formale Manifestation vorausgegangen: Am 1. Februar 1964 bekam Willi Sitte für „seine[] künstlerische[] Gestaltung großer nationaler Themen, besonders seines Werkes Die Überlebenden“41 gemeinsam mit 14 weiteren Kulturschaffenden, darunter die Schauspielerin Helga Göring (1922–2010) und aus dem Bezirk Halle (Saale) der Komponist Gerhard Wohlgemuth (1920–2001), von Kulturminister Hans Bentzien (1927–2015) im Apollo-Saal der Deutschen Staatsoper in Berlin den Kunstpreis der DDR verliehen.42
Im Juni 1964 kaufte der Rat des Bezirkes Halle (Saale) für die Staatliche Galerie Moritzburg Sittes noch im Vorjahr aus der Fünften Deutschen Kunstausstellung ausjuriertes Polyptychon Unsere Jugend S. 401; im August desselben Jahres überwies der Rat des Bezirks das Bildnis Meine Eltern II an das Museum. Dem Erwerb dieser beiden kapitalen Werke waren 1961 der Ankauf eines Weiblichen Akts43 und 1963 die Dauerleihnahme des Stilllebens mit Brille S. 71 vom Künstler vorausgegangen. Damit befanden sich Mitte der 1960er Jahre bereits acht Gemälde Sittes im Bestand des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) – so viele wie in keinem anderen Museum der DDR. Die Nationalgalerie in Ost-Berlin begann zu dieser Zeit erst, sukzessive einzelne Werke des Künstlers zu erwerben. Den Auftakt machte 1963 sein Bildnis Meine Eltern von der LPG S. 114, gefolgt von Meine Eltern III44 im Jahr 1967. 1965 erhielten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Die Überlebenden S. 363 vom Ministerium für Kultur der DDR aus der Ausstellung Kunstpreisträger des FDGB 1963 übereignet. Damit fand das Œuvre Willi Sittes auffallend im unmittelbaren Nachklang zu den Ereignissen der Jahre 1963/64 breiteren Eingang in die relevanten Museumssammlungen der DDR.
Erste Personalausstellung in der Bundesrepublik
1965 brachte den nächsten Schritt im sukzessiven Aufstieg des Künstlers. Ab dem 24. Mai veranstaltete Richard Hiepe (1930–1998) in seiner Neuen Münchner Galerie am Maximiliansplatz die Ausstellung Willi Sitte. Gemälde und Zeichnungen. Da es Probleme mit der rechtzeitigen Lieferung der Leihgaben gab, war sie wahrscheinlich für nur sehr kurze Zeit zu sehen.45 Die über die westdeutsche DKP organisierte Schau war Sittes erste Einzelausstellung in der Bundesrepublik und fand „anläßlich des 20. Jahrestages der Zerschlagung des Hitlerfaschismus“46 statt. Gezeigt wurden 26 Gemälde und 40 Zeichnungen aus den Jahren 1948/50 bis 1964. Es erschien ein schmales Katalogheftchen mit einem einführenden Essay von Christa und Gerhard Wolf. Hiepe war nicht nur Galerist, sondern 1959 auch Gründer der Gruppe tendenzen, zu der Sitte seit 1960 freundschaftliche Kontakte pflegte.47 Die Ausstellung war von nationaler Relevanz wie aus folgender Meldung der Freiheit deutlich wird: „Auf der 5. Tagung des Zentralvorstandes des Verbandes Bildender Künstler Deutschlands in Berlin sagte der Sekretär des Verbandes Horst Weiß, daß die Ausstellungen mit Werken von Fritz Cremer in Moskau und von Willi Sitte in München zu den bedeutendsten Auslandserfolgen der Künstler der DDR gehören.“48
Im Sommer 1965 folgte schließlich die erste Einzelpräsentation des Künstlers in Halle (Saale), und zwar in der Dependance der Staatlichen Galerie Moritzburg, der Kleinen Galerie in der Großen Ulrichstraße 24
1969 fanden sowohl im westlichen als auch im sozialistischen Ausland Einzelausstellungen Willi Sittes statt, so in Arie-Goral Sternheims (1909–1996) Intergalerie in Hamburg; in Bukarest, Budapest und 1970 in Krakau war die Tournee Willi Sitte. Malerei und Graphik zu sehen, womit er erstmals nicht nur mit einzelnen Werken, sondern mit größeren Werkkonvoluten im Ausland bekannt wurde.54 1969 beauftragte ihn Wolfgang Hütt, mittlerweile Direktor des halleschen Kunstmuseums, mit einem Zyklus von Zeichnungen anlässlich des 100. Geburtstags von Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924, S. 418 ff). Dieser Zyklus wurde noch Ende des Jahres erworben und im Museum präsentiert,