erfährt. Manchmal liegt es an einer Operationstechnik oder einer anderen Therapie. Was auch immer es ist: Wirkt es sich auf die Symptome aus, dann erhalten diese Patienten einen Namen für die Erkrankung und dazu gleich die entsprechende Therapie, die schließlich „Behandlungsstandard“ wird, das heißt, die allgemein anerkannte Methode zur Behandlung eben jener Krankheit. Auf diese Weise haben Hunderte von Ärztegenerationen Diagnosen geschaffen und Krankheiten wie Multipler Sklerose, Diabetes, Stauungsinsuffizienz des Herzens, Asthma, Depressionen und entzündlichen Darmerkrankungen ihren Namen gegeben. Es war ihnen noch möglich, die biochemischen Abläufe der Zellen zu untersuchen, um die Grundursachen dieser Krankheiten zu verstehen oder zu sehen, wie ähnlich sie sich auf zellulärer Ebene wirklich alle sind.
Es ist wichtig, das zu verstehen, damit Sie Ihrer Diagnose nicht mehr Gewicht geben, als sie verdient: Diagnosen beruhen oft eher auf den äußeren Wirkungen von Behandlungen und historischen Beobachtungen als auf den biochemischen Prozessen, die diesen Krankheiten zugrundeliegen. Je tiefer wir in das Verständnis von Krankheitsprozessen und Behandlungen eindringen, desto mehr kommt es zu einer Neueinstufung von Krankheiten, zu einer Anpassung der Behandlungen und oft sogar zur „Geburt“ neuer Krankheiten. Manchmal werden aus einer Krankheit zwei oder mehrere verschmelzen zu einer einzigen.
Weil jedoch nicht alle Informationen hierfür herangezogen werden und das Ganze auch darauf beruht, dass wir Menschen die Dinge benennen wollen, könnte man argumentieren, dass diese Klassifizierungen hauptsächlich semantischer Natur sind, dass es also nur darum geht, „dem Kind einen passenden Namen“ zu geben. Wir Ärzte klassifizieren Krankheiten nun seit Hunderten von Jahren auf der Basis von körperlichen Untersuchungen und Laborergebnissen, und wir tun das, weil wir sowohl klinische Forschung betreiben wollen, um zu verstehen, wie Krankheiten im Laufe der Zeit fortschreiten, als auch, um bessere Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Das alles ist zwar Wissenschaft von hoher Qualität, aber es ist eben nicht alles.
Die Durchführung wissenschaftlicher Studien über Krankheiten folgt einem genauen Forschungsprotokoll. Es gibt immer eine eng definierte Patientengruppe und eine engmaschig kontrollierte Intervention (vorzugsweise ein Arzneimittel oder ein sehr spezifisches Verfahren, damit die leichte Reproduzierbarkeit gewährleistet ist), dadurch sind nicht so viele Variablen zu untersuchen. Auch scheinen die Ergebnisse konkreter und objektiver zu sein, aber ob das tatsächlich so ist, bleibt fraglich. Die Studie ist auf diese Weise einfacher durchzuführen und zu analysieren, und es ist leichter festzustellen, ob die Intervention sinnvoll ist oder nicht, doch die Wirksamkeit eines beliebigen Medikaments zur Linderung von Symptomen hat nicht unbedingt etwas mit der tatsächlichen Fehlsteuerung der biochemischen Reaktionswege zu tun, die der Ausgangspunkt vieler Ihrer Symptome sind.
Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Die Bezeichnungen, die wir den meisten chronischen Erkrankungen zuerst verliehen haben, sind das Ergebnis von Beobachtungen, die gemacht wurden, bevor man die biochemischen Prozesse der einzelnen Zelle wissenschaftlich erkannt und verstanden hatte. Das Gesundheitsministerium (NIH, National Institutes of Health) und die pharmazeutische Industrie geben Milliarden von Dollar für die Erforschung von Krankheitssymptomen und ihrer Beherrschung durch Medikamente aus. Im Gegensatz dazu fließt jedoch nur wenig Geld in die Erforschung der Möglichkeiten, wie man durch die Wahl des Lebensstils zu optimaler Gesundheit und Vitalität gelangt, obwohl aufgrund dessen die biochemischen Prozesse besser funktionieren und folglich die Menschen gesünder sind.
Das mag widersinnig klingen. Mir erscheint das definitiv so.
Zum Glück beginnen wir, die aus dem Lot geratenen biochemischen Reaktionswege zu verstehen, die zu den Defekten führen und damit diagnoseübergreifend am Anfang vieler chronischer Symptome stehen.
Ich glaube, dass sich dadurch letztendlich die Diagnosestellung bei allen Krankheiten verändern wird. Obwohl die Wissenschaft nun im Begriff ist aufzudecken, wie diese defekten Reaktionswege die biochemischen Prozesse der Zellen stören und zu Krankheiten führen, richten sich die meisten Schulmediziner leider immer noch nach den traditionellen, auf Symptomen beruhenden Krankheitsmodellen, anstatt sich mit der Wurzel des Problems zu beschäftigen. Diese veralteten Methoden beherrschen den Behandlungsstandard. Infolgedessen konzentrieren sich die meisten Schulmediziner auf Symptome, die sich durch Medikamente oder Operationen bessern lassen, anstatt zu versuchen, ihren Patienten durch Optimierung der biochemischen zellulären Prozesse mithilfe einer zuträglichen Lebensweise zu mehr Gesundheit und Vitalität zu verhelfen.
Das ist das Tätigkeitsfeld der funktionellen Medizin: Das Aufspüren und Behandeln der Ursachen defekter biochemischer Abläufe durch gründliches Untersuchen der physiologischen Systeme – von der Zelle über die Organe und den ganzen Organismus bis hin zur Behandlung der Probleme an ihrer Wurzel. Diese Vorgehensweise habe ich mir zu eigen gemacht, denn ich glaube, sie ist der einzig vernünftige Weg, um biochemische Funktionsstörungen zu korrigieren, damit Sie wirklich gesund werden – und nicht nur einfach Ihre Symptome mit Medikamenten lindern.
Dennoch hat die Schulmedizin hat weiterhin ihren Platz. Ich stelle immer noch konventionelle Diagnosen und schreibe Rezepte für Medikamente. Das ist in gewissen Grenzen auch nützlich. Doch jetzt gehe ich noch einen Schritt weiter: Ich diagnostiziere das Gesundheitsverhalten, die Toxinexposition, den Stresspegel, die Qualität der Ernährung und den Grad der sportlichen Betätigung eines Menschen. Ich versuche aktiv, meinen Patientinnen und Patienten zu mehr Gesundheit und Vitalität zu verhelfen, indem ich darüber aufkläre, was sie alles selbst tun können. Hier unterscheidet sich meine Vorgehensweise von der rein schulmedizinischen Behandlung und ähnelt mehr dem Modell der funktionellen Medizin. Ich helfe meinen Patientinnen und Patienten, ihre defekten biochemischen Prozesse neu zu regulieren, indem ich ihnen vermittle, wie sie sich anders bewegen und ernähren können. Dann versuchen wir die Belastung durch Umweltgifte zu verringern und das hormonelle Gleichgewicht zu verbessern – und lösen so die biochemischen Knoten, damit die Zellen wieder wie vorgesehen arbeiten können. Dadurch wird auch der Körper in die Lage versetzt, seine Aufgaben wie vorgesehen zu erfüllen.
Das schwebt mir für Sie vor; doch zuerst sollten wir uns damit beschäftigen, was genau in Ihrem Körper aus dem Lot geraten ist. Lassen Sie uns zuerst sowohl aus der Sichtweise der Schulmedizin als auch aus der der funktionellen Medizin einen Blick auf Autoimmunerkrankungen im Allgemeinen und dann auf Multiple Sklerose im Besonderen werfen.
Erfahrungsbericht
Ich bin zertifizierte Ernährungsberaterin und weiß natürlich, welche Rolle die Ernährung für die Gesundheit spielt, aber erst, nachdem bei mir die Diagnose „schubförmig remittierende Multiple Sklerose“ gestellt wurde, begann ich mit Vollwerternährung, insbesondere mit entzündungshemmenden Nahrungsmitteln zu experimentieren, und ich stellte eine Veränderung in meinem Körper fest. Mein erstes Symptom war eine Sehnervenentzündung, eine Optikusneuritis. Danach bekam ich Parästhesien (schmerzhafte Wahrnehmungen aufgrund der gestörten Nervenimpulsübertragung) in meinen Beinen und litt unter schwerer Müdigkeit. Die wurden Füße taub und mein Kurzzeitgedächtnis verschlechterte sich. Als ich von Dr. Terry Wahls hörte, erkannte ich, dass es einen Schritt weiter gehen musste. Ich erhöhte die Menge der von ihr empfohlenen Nahrungsmittel, aß wieder Fisch dazu (bis dahin war ich Vegetarierin) und ließ Gluten sowie Milchprodukte weg. Ich fühlte mich energiereicher und konzentrierter und stellte einen deutlichen Rückgang meiner Symptome fest. Auf der nächsten Stufe ergänzte ich meinen Speiseplan um Grünkohl und andere Nahrungsmittel für das Nervensystem und die Mitochondrien, wie es das Wahls-Programm vorsieht.
Ich fühle mich jetzt besser als vorher. Ich bin so dankbar, dass eine Schulmedizinerin das unterstützt, wovon ich die Ärzte jahrelang zu überzeugen versuchte, dass nämlich die Ernährung langfristig wirksamer ist als Medikamente. Ich sehe voller Dankbarkeit, dass die klinische Forschung das zu bestätigen beginnt, sodass die Ärzteschaft sich von der Glaubwürdigkeit all dessen überzeugen kann, was unser Körper und Geist intuitiv bereits wissen.
Marla B., Ernährungsberaterin
Chicago, Illinois
Was versteht man unter einer Autoimmunerkrankung?
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