Geräte, die frühere Technologien ersetzen und unser Leben verbessern sollen, haben zunehmend negative Auswirkungen auf unseren zirkadianen Rhythmus. Unsere innere Uhr wird immer noch durch helles Licht am Abend und begrenztem Zugang zu natürlichem Licht am Tag gestört. Wir sind evolutionstechnisch noch nicht so weit, dass sich unsere inneren Uhren an die Realität der modernen Welt angepasst hätten, und leiden daher wie unsere im extremen Norden lebenden Vorväter oder unsere heutigen nordischen Verwandten. Unabhängig davon, ob wir wirklich Schichtarbeit leisten oder einfach nur wie Schichtarbeiter leben, kann die ständige Lichtbelastung am Abend zu Störungen der inneren Uhr führen, die uns am Schlafen hindern und Hungergefühle wecken.
Gesundes Licht ist nicht das gleiche wie helles Licht
Wir können nicht zurück ins Mittelalter reisen, um dort eine lange, dunkle Nacht zu erleben, aber wenn wir wissen, wie stark Licht unsere innere Uhr beeinflusst, können wir es vielleicht für unsere Gesundheit nutzen. Als ich mein Graduiertenstudium begann, hatte ich viele Fragen: Ich wollte ganz genau wissen, wie Licht unsere innere Uhr beeinflusst. Warum hält es uns wach, wenn wir nachts auf einen Computer-Bildschirm starren, und warum benötigen wir am Morgen offensichtlich wesentlich mehr Licht, um aufmerksam zu bleiben? Gibt es eine Lichtfarbe, die unsere innere Uhr stärker beeinflusst als andere?
Wenn wir herausfänden, wie die Helligkeit und Farbe von Licht unsere innere Uhr zu verschiedenen Tageszeiten beeinflusst, könnten wir Licht zur Unterstützung unserer Gesundheit einsetzen. Sie wissen vielleicht, dass die Haut hellem Sonnenlicht ausgesetzt sein muss, um Vitamin D herstellen zu können, und doch hat dies nichts mit unserer inneren Uhr zu tun, denn sie wird allein durch das in die Augen einfallende Licht beeinflusst. Schauen wir uns also an, wie unsere Augen arbeiten.
Das menschliche Auge funktioniert im Grunde genommen wie eine Kamera. Es verfügt über Millionen von Stäbchen und Zapfen, die die Details eines Bildes in hoher Auflösung aufnehmen und die Informationen dann über lange, kabelähnliche Nervenzellen an das Gehirn senden. Die Netzhaut, das lichtempfindliche Gewebe auf der Rückseite unserer Augen, enthält mehrere Millionen von Stäbchen- und Zapfensensoren. Lichtstrahlen gelangen über Hornhaut, Pupille und Linse auf unsere Netzhaut, die dann die Lichtstrahlen in Impulse verwandelt, die durch den Sehnerv zum Gehirn geleitet werden. Dort werden sie zu den Bildern, die wir sehen. Wenn Stäbchen und Zapfen absterben, verlieren wir die Fähigkeit zu sehen, wie dies teilweise bei angeborener Blindheit der Fall ist.
Doch selbst Blinde verfügen über innere Uhren, die durch Licht beeinflusst werden. Erstaunlicherweise können viele blinde Menschen Licht „spüren“ und berichten, dass sie beim Gehen ins Sonnenlicht fühlen, wie Helligkeit in ihr Auge gelangt. Auch die Pupillen eines blinden Menschen verengen sich bei hellem Licht und weiten sich wieder, wenn die Person ein Gebäude betritt. Solche blinden Menschen können ebenso wie einige blinde Tiere ihre Schlaf- und Aufwachzeiten an jahreszeitliche Veränderungen der Tageslänge anpassen.
Das moderne Leben im Haus unterbricht zirkadiane Rhythmen und macht uns anfällig für verschiedene Hirnerkrankungen.
Das oben beschriebene Phänomen wurde im frühen 20. Jahrhundert entdeckt, und nahezu 80 Jahre lang glaubten die meisten Wissenschaftler, dass blinde Menschen immer noch über eine ausreichende Menge an funktionierenden Stäbchen und Zapfen verfügten, um ihnen ein Gefühl für Licht zu geben. Mit hohem Aufwand in den 1990er-Jahren durchgeführte Versuche ergaben jedoch, dass es einen schwer fassbaren Lichtsensor in den Augen gibt, von dem wir zuvor nichts wussten.32–34 Im Jahr 2002 entdeckten drei Forschergruppen, einschließlich meiner eigenen, unabhängig voneinander ein lichtempfindliches Protein außerhalb der Stäbchen und Zapfen, das tatsächlich der Lichtsensor ist, der den täglichen Schlaf-Wach-Rhythmus regelt.35–38 Dieses lichtempfindliche Protein trägt den Namen Melanopsin.39 Von den 100 000 neuralen Zellen der Netzhaut, die Lichtinformationen an das Gehirn weitergeben, enthalten nur 5 000 Melanopsin. Zapfen und Stäbchen können unsere innere Uhr ebenfalls beeinflussen, aber nur in Abwesenheit von Melanopsin, und wenn sie es tun, sind sie nicht so effektiv. Deshalb können blinde Menschen, deren Zapfen und Stäbchen nicht mehr funktionieren, die aber noch über intakte Netzhautzellen verfügen, Licht immer noch wahrnehmen. Aber es sind so wenige Zellen, dass sie nicht ausreichen, um ein Abbild der Außenwelt zu liefern.
Um zu verstehen, wie dieser Lichtsensor funktioniert, verwendeten wir für unsere Versuche Mäuse, denen entweder das Melanopsin-Gen fehlte oder die Melanopsin-Zellen, auch wenn ihre Augen ansonsten vollkommen normal arbeiteten: Sie konnten gut sehen und sich zurechtfinden. Wenn das Gen aus Mäusen herausgezüchtet wird, bleiben die Zellen am Leben. Werden jedoch zusätzlich auch die Zellen entfernt, endet damit die Genexpression. Wird das Melanopsin-Gen entfernt, kann die Lichtinformation immer noch durch die Melanopsin-Zellen in das Gehirn der Maus gelangen. Sind die Zellen ebenfalls nicht mehr vorhanden, besteht keine Verbindung mehr zwischen dem Auge und der inneren Uhr des Gehirns.
Mäuse wachen normalweise am Abend auf (sie sind nachtaktiv) und schlafen tagsüber. Wenn sie über keine Melanopsin-Zellen verfügen, können sie Licht und Dunkelheit nicht spüren. Trotzdem behielten diese Mäuse einen normalen Rhythmus bei, auch wenn sie in konstanter Dunkelheit gehalten wurden – sie schliefen zu den gleichen Zeiten und waren aktiv wie andere Mäuse auch, und zwar in einem Zyklus von 23 Stunden und 45 Minuten. Die melanopsinfreien Mäuse hatten allerdings größere Schwierigkeiten, sich an die kleine Zeitveränderung anzupassen, die in jeder Woche eintritt. Während die normalen Mäuse ihre Schlaf- und Wachzeiten innerhalb einer Woche wieder an den Hell-Dunkel-Zyklus anpassen konnten, benötigten die Mäuse ohne Melanopsin-Gen dazu einen ganzen Monat oder länger. Außerdem erstarren normale Mäuse genau wie Rehwild, wenn sie nachts helles Licht sehen, was bei den Mäusen ohne Melanopsin-Gen nicht der Fall war. Sie liefen einfach weiterhin normal herum, da das Licht in der Nacht auf Mäuse, die weder über das Melanopsin-Gen noch die entsprechenden Zellen verfügten, keinen Einfluss hatte.
Da Mäuse und Menschen größtenteils die gleichen Gene besitzen, einschließlich des Melanopsin-Gens, haben Versuche mit Mäusen durchaus auch eine Aussagekraft für die innere Uhr des Menschen. Sie lassen darauf schließen, dass Melanopsin die Zirkadian-Uhr des Menschen, unsere Schlafzyklen und die Melatonin-Produktion beeinflussen kann. Unsere nächste Frage war daher, welche Art von Licht Melanopsin am stärksten oder am wenigsten aktiviert, um so zu wissen, welches Licht zu welcher Tageszeit für unsere innere Uhr optimal ist.
Das sichtbare Licht beinhaltet alle Farben des Regenbogens, wobei jede Farbe eine andere Wellenlänge hat. Rot hat die größte Wellenlänge, Violett die kürzeste. Wenn alle Wellen zusammen gesehen werden, ergeben sie weißes Licht oder Sonnenlicht. Die verschiedenen Farben in diesem weißen Licht aktivieren drei verschiedene Arten des Proteins Opsin (rot, grün und blau), die dann wiederum diese Farben einzeln und kollektiv (als weißes Licht) erkennen. Das Melanopsin-Protein ist größtenteils empfänglich für blaues Licht und weniger empfänglich für rotes. Wenn Melanopsin durch die Wahrnehmung von blauem Licht aktiviert wird, sendet es ein Signal an unser Gehirn, dass Licht vorhanden ist, und dieses reagiert dann so, als sei es Tag, ganz gleich, welche Zeit es wirklich ist. Wenn Sie nachts durch einen Supermarkt gehen, nimmt das Melanopsin das Deckenlicht wahr und Ihr Gehirn denkt, dass es Tag ist und sie wach sein sollten.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten zwei gleich helle Glühbirnen. Eine davon gibt blaues Licht ab und die andere orangefarbenes. Wenn Sie mitten in der Nacht die orangefarbene Glühbirne anschalten, aktiviert das Licht Opsine in den grünen Zapfen (das Opsin in den grünen Zapfen kann ein wenig orangefarbenes Licht wahrnehmen, da es im Regenbogenspektrum in der Nähe von Grün liegt). Ihr Gehirn kann nun erkennen, was sich im Raum befindet. Schalten Sie andererseits das blaue Licht ein, werden die blauen Zapfen aktiviert und sie können ebenfalls erkennen, was sich im Raum befindet, allerdings mit einem Unterschied: Melanopsin-Zellen werden durch orangefarbenes Licht kaum aktiviert und senden dem Gehirn daher weiterhin die Botschaft, dass es Nacht ist, wohingegen das blaue Licht als Tageslicht wahrgenommen wird. Wenn Sie also eine Stunde bei orangefarbenem Licht verbringen, gerät Ihre innere Uhr kaum aus dem Takt, während eine Stunde bei blauem Licht ihre innere Uhr