Adharanand Finn

Der Aufstieg der Ultra-Läufer


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dem Death Valley in Kalifornien, liegt. Dann wäre da noch der Barkley Marathon, ein 160-Kilometer-Extremlauf entlang einer unmarkierten Strecke, die durch abgelegene Bergregionen in Tennessee führt – so schwer, dass es in den ersten 25 Jahren nur 10 Teilnehmern gelang, das Rennen überhaupt zu beenden. Oder wie wäre es mit dem längsten Ultra-Lauf der Welt: dem Self Transcendence 3.100-Meilen-Lauf, ein Rundlauf um einen Block des Stadtteils Queens in New York über exakt 4.988 Kilometer.

      Ich suche zwar nach etwas, das mich an meine Grenzen bringt, aber ich bin nicht verrückt. Und ich möchte immer noch laufen können. Man kann 4.900 km nicht nur laufen. Bei Rennen wie dem Barkley Marathon stehen Geist, Wille und Überlebenstechniken im Vordergrund, weniger das Laufen. Natürlich will ich davon auch etwas, doch ich möchte trotzdem noch einigermaßen ein Rennen laufen.

      Noch eine Kategorie in der Welt der Ultra-Läufe, bei der man wirklich laufen kann, sind die meist ebenen Rundkurse über genau abgemessene Distanzen von 100 km, oder Rennen, die über eine bestimmte Zeit gehen, zum Beispiel 24 Stunden. Es gibt Weltmeisterschaften und Weltrekorde für diese Rennen, die dem Marathonlauf wahrscheinlich am ähnlichsten sind.

      Solche Rennen interessieren mich, doch genauso wie Berglaufen sind sie nicht der Grund für den phänomenalen Aufstieg des Ultra-Laufs. Die Starterzahlen dieser Veranstaltungen haben sich gegenüber ihrer Glanzzeit in den 1870er Jahren oder seit den 1950ern und 1980ern kaum geändert.

      Ein interessantes Detail am Rande ist, dass sich diese Ultra-Rundläufe, die heute unter den am wenigsten glamourösen und am wenigsten bekannten Ultra-Laufdisziplinen sind, einst zu den größten Sportevents der Welt zählten.

      Es mag uns heute eher seltsam vorkommen, doch im 19. Jahrhundert war Laufen ein unglaublich populärer Sport, der riesige Mengen an Zusehern anzog, die die Wettkämpfer bei Sechstagerennen auf den engen Hallenlaufbahnen in London oder dem Madison Square Garden in New York anfeuerten. Die Sieger konnten hochdotierte Preise im Wert von bis zu mehreren hunderttausend Euro mit nach Hause nehmen, während sich die Reichen und Schönen der damaligen Zeit unter den Pöbel mischten, der kam, um sich zu betrinken, zu wetten und Spaß zu haben.

      Die Popularität des Sports war teilweise auch dem Amerikaner Edward Payson Weston geschuldet. Alles begann im Jahre 1861, als Weston aufgrund einer verlorenen Wette 725 Kilometer zu Fuß von Bosten bis nach Washington innerhalb von 10 Tagen zurücklegte, damit er dem Amtsantritt von Präsident Abraham Lincoln beiwohnen konnte.

      Als die Kunde dieser Ausdauerleistung bekannt wurde, weckte das die Neugier der Menschen, die entlang der Strecke lebten, und sie strömten in Massen herbei und säumten die Straßen, nur um zu sehen, wie Weston durch ihren Ort marschierte.

      Motiviert von dieser Reaktion begann er während der folgenden Jahre immer herausforderndere Strecken zurückzulegen. Dazu schien er auch ein richtiger Showman zu sein – manchmal blies er sogar auf einem Horn, während er ging, oder marschierte rückwärts, um seine Zuseher zu unterhalten. In den 1870er Jahren war Westons Ruhm als Langstreckengeher so weit angewachsen, dass er an einem Punkt angelangt war, an dem er entschied, Geld damit zu verdienen, indem er seine Darbietung nach innen verlegte, wo er Eintritt von den Leuten verlangen konnte. Damit legte er den Grundstein für einen Begeisterungssturm für Sechstagerennen – die längste Zeit, die man gehen oder laufen konnte, ohne dabei gegen das Gebot des heiligen Sabbats zu verstoßen. Über die folgenden Jahre hielt er eine Reihe spannender und sehr beliebter Head-to-Head-Rennen mit Daniel O’Leary, einem Amerikaner irischer Abstammung, ab.

      Die Zeit der Sechstagerennen erreichte 1878 ihren Höhepunkt, als sich der britische Adelige Sir John Astley dazu entschloss, fünf internationale Rennen zu sponsern, bei denen es ein äußerst lukratives Preisgeld und einen Meisterschaftsgürtel in Gold und Silber mit der Inschrift Long Distance Champion of the World, also Langstreckenweltmeister, zu gewinnen gab.

      Aufzeichnungen früherer Inkarnationen des Pedestriantismus, wie der Sport damals bezeichnet wurde, reichen bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück. Während diese Rennen, die oft über Distanzen von 1.600 Kilometer reichten, ebenso große Mengen an Zusehern hatten, waren sie jedoch ein Wettgehen, bei denen es Regeln ähnlich dem heutigen Wettkampfgehen gab, etwa wie der Fuß aufzusetzen sei. Ganz im Gegensatz zu den Sechstagerennen der 1870er, die ähnlich dem modernen Ultra-Lauf waren und als „Go-as-you-please“-Rennen (Mach-was-du-willst-) bekannt wurden, in denen die Wettkämpfer gehen, laufen oder rasten konnten, wann sie wollten.

      Die Rennen um den Astley-Belt-Meistergürtel von Sir John Astley wuchsen zu den größten Sportveranstaltungen der damaligen Zeit heran, inklusive Marschkapellen, euphorischer Berichterstattung und beträchtlichen Wetteinsätzen. Das erste der fünf Rennen fand 1878 in der Agricultural Hall in Islington, London, statt, bei dem sich 17 Engländer mit dem aus Irland stammenden O’Leary aus Amerika – Westons altem Rivalen – maßen. O’Leary gewann das Rennen bei dem er eine Gesamtdistanz von 520 Meilen (836 km) zurücklegte.

      Das zweite Astley Belt Rennen wurde noch im gleichen Jahr vor einer Kulisse von mehr als 30.000 Zusehern in New Yorks Madison Square Garden ausgetragen. O’Leary, der Weltmeister, gewann auch dieses Rennen und durfte sich über ein Preisgeld von $ 10.000 (heute etwa 250.000 Dollar oder knapp 220.000 Euro) freuen, sowie über einen Anteil an den Eintrittsgeldern und den Nebenwetten.

      Das dritte Rennen im März 1879, wieder im Madison Square Garden, war mit einem Preisgeld von mehr als $ 20.000 dotiert. Das öffentliche Interesse an dem Wettbewerb war nun schon so groß, dass die neuesten Informationen darüber im Stundentakt in Bars, Friseursalons, Lebensmittelläden und Hotels der Stadt ausgehängt wurden und die New Yorker Zeitungen täglich darüber berichteten.

      Erst im vierten Rennen konnte der große Pionier des Sports, Edward Weston, endlich den inoffiziellen Weltmeistertitel erringen. Nachdem das Rennen wieder nach Islington, London, zurückgekehrt war, gewann der Amerikaner mit einer neuen Weltbestleistung von 885 Kilometern (550 Meilen) über sechs Tage.

      Doch mit Beginn der 1880er Jahre verlor der Sport leider zusehends an Popularität und andere rivalisierende Sportarten erlebten ihren großen Aufstieg. Matthew Algeo, Autor des Buches Pedestrianism: When Watching People Walk Was America’s Favourite Spectator Sport, ist der Meinung, dass vor allem der Aufstieg des Fahrradfahrens eine Schlüsselrolle im Untergang der Sechstagerennen spielte.

      „Sechstage Radrennen nahmen recht schnell den Platz der Gehbewerbe über sechs Tage ein, da sie viel spannender waren“, sagt er mir. „Die Renngeschwindigkeit stieg über Nacht von 6,5 km/h auf über 30 km/h. Und Unfälle waren natürlich auch viel spektakulärer.“

      Trotz schwindender Zuschauerzahlen hörten einige der eingeschworenen Geher nicht damit auf, die Grenzen des physisch Möglichen weiter zu pushen. Der letzte große Kraftakt in der viktorianischen Ära waren die knapp über 1.000 km, die George Littlewood aus Sheffield in einem Sechstagerennen in New York bewältigte. Littlewoods Weltrekord blieb für fabelhafte 96 Jahre bestehen, bis er von der griechischen Ultra-Marathon-Legende Yiannis Kouros 1984 gebrochen wurde. Sieben Jahre später stellte Kouros den derzeitigen Sechs-TageRekord von 1.068 km auf.

      Trotz ihres kurzen Moments im Scheinwerferlicht finden Ultra-Läufe, bei denen Runden auf Flachkursen absolviert werden, heutzutage eher wenig Beachtung. Stattdessen ist die bekannteste Disziplin dieses Sports, die mit dem meisten Drumherum und den größten Stars, der Ultra-Trail-Lauf. Hier findet man die ganz Großen dieses Sports, wie Kilian Jornet und Jim Walmsley, die sich Rennen über bis zu 100 Meilen (160 km) liefern. Im Gegensatz zum Rennen im Oman sind diese Rennen ein einmaliger Kraftakt. Wenn der Startschuss einmal gefallen ist, gewinnt derjenige, der als erster die Ziellinie überquert. Keine Nachmittage in Berberzelten und Plaudereien mit Dino. Nur weiter, weiter, weiter, bis man im Ziel ist.

      Das größte Rennen von allen, quasi die Olympischen Spiele des Trail-Laufs, ist der Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB). Jedes Jahr findet sich in Chamonix in den französischen Alpen die Crème de la Crème des Ultra-Trail zum großen Finale ein, dem Rennen aller Rennen. Gewinnst du hier, gehörst du auf ewig zu den Legenden dieses Sports.

      Die Strecke verläuft über einen beliebten, etwa 172 km langen Wanderweg rund um den Fuß des höchsten Gipfels Westeuropas – zum Teil auch