Adharanand Finn

Der Aufstieg der Ultra-Läufer


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Bilder des Sonnenaufgangs, Gipfel, die durch die Wolken brechen, desto fester wird mein Entschluss, einen weiteren Ultra-Marathon zu laufen, nämlich genau diesen hier.

      So gehe ich also online, um mich anzumelden. Und hier beginnt der eigentliche Spaß.

      Der UTMB ist so beliebt, dass man sich nicht einfach so anmelden kann. Nein, zuerst muss man sich dafür qualifizieren, indem man drei andere Ultras, die als Qualifikationsrennen gelten, läuft. Und selbst wenn man diese bewältigt hat, garantiert das nur die Teilnahme an der Rennlotterie – bei der man in etwa eine Chance von eins zu drei hat, einen Startplatz im Rennen zu ergattern.

      Der UTMB gibt eine Liste mit Rennen aus, die als Qualifikationsrennen anerkannt sind. Die Überlegung dahinter ist die, dass man sicherstellen will, dass nur ernsthaft vorbereitete Läufer an den Start gehen. Doch dieses recht vernünftig erscheinende Ziel scheint irgendwann im Laufe der Zeit verloren gegangen zu sein, und was übrig blieb, ist ein höchst umstrittenes System.

      Das Problem, das viele Läufer und Veranstalter mit diesem System haben, ist, dass Rennveranstalter, die ihr Rennen auf der UTMB-Liste für Qualifikationsrennen sehen wollen, nicht etwa spezielle Sicherheitstests bestehen müssen oder einen Beweis dafür liefern müssen, dass ihre Strecke genauso fordernd und anstrengend ist, wie sie es sagen, oder dass es sicher wäre oder dass die Rennleitung gewissenhafte und vertrauenswürdige Arbeit leistet. Nein, man muss den UTMB-Veranstaltern nur einen bestimmten Geldbetrag dafür bezahlen.

      „Es geht nicht länger darum, die entsprechende Erfahrung zu garantieren, sondern mehr um die Einnahmen und den Versuch, Trail-Läufe in Europa zu monopolisieren und zu kontrollieren“, sagt Lindley Chambers, Vorsitzender des britischen Trail-Running-Verbandes (TRA), der definitiv kein Freund dieses Systems ist.

      Ein Renndirektor, der sich geweigert hatte, Geld dafür zu bezahlen, dass seine Veranstaltung UTMB-Punkte bekommt – und der hier nicht genannt werden möchte – erklärt, wie es zu dieser Situation kam. „Als die UTMB-Betreiber das erste Mal ein Punktesystem einführten, war fast jeder Ultra-Veranstalter im UK an Bord“, sagt er. „Viele dieser tollen Rennen, die sich auch gut alleine vermarkten konnten, waren plötzlich zu ‚Qualifikationsrennen‘ geworden und warben nun auch nur mehr damit, Qualifikationsrennen zu sein, anstatt ihre eigenen Stärken und Vorzüge anzupreisen.“

      Dann, als diese Rennen einmal von UTMB-Punkten abhängig waren, um Läufer anzulocken, führten die UTMB-Betreiber eine Gebühr ein. „Diese Gebühr war gerade einmal gering genug, dass sie von den anderen Rennveranstaltern bezahlt wurde, um ihre Teilnehmerzahlen zu halten, aber hoch genug, dass man, wenn man alle Rennen weltweit addiert, auf eine recht hübsche Summe Geld kommt.“

      Wenn Rennen dafür zahlen, Punkte zu erhalten, dann zahlen sie de facto für eine Mitgliedschaft im Internationalen Trail Running Verband (ITRA), der von sich behauptet, eine unabhängige, nichtkommerzielle Einrichtung zu sein, die für das Wohl des Sports arbeitet. Die ITRA vergibt dann die UTMB-Punkte.

      In der wilden Welt der Online-Ultra-Sportforen bringen nur wenige Dinge das Blut von Renndirektoren so zum Kochen, wie das UTMB-Punktesystem. Ein kürzlich verfasstes, typisches Posting las sich folgendermaßen: „Ich würde mir lieber die Augen mit einem Löffel auskratzen, als dem UTMB Geld für Punkte für meine Rennen zu zahlen.“

      Doch nicht alle sind der gleichen Meinung. Viele Rennveranstalter sagen, sie zahlen die Gebühr gerne, um Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die Punkte sammeln wollen, zufrieden zu stellen und außerdem würde sich die Gebühr aufgrund der höheren Teilnehmerzahlen sowieso von alleine zahlen.

      Nic Tinworth erzählt, er begann Punkte für seine Rennen in Hong Kong anzubieten, da die Leute einfach immer wieder danach fragten. „Es schien so, als ob die Läufer ihre Rennen speziell nach der Anzahl der Punkte auswählten.“

      Ein Problem für Läufer, die am UTMB teilnehmen wollen, sind Rennen, die in vergangenen Jahren auf der Liste standen, dann jedoch gestrichen werden, da die jährliche Gebühr nicht bezahlt wurde. Das führt dazu, dass Athleten, die erwarten Punkte zu machen, nach dem Rennen plötzlich damit konfrontiert sind, dass sie nicht qualifiziert sind.

      Dieses Szenario trat ein, als der Hardrock 100, einer der bekanntesten Ultra-Läufe in den Vereinigten Staaten, sich dazu entschied, nicht länger Geld dafür zu bezahlen, ein UTMB-Qualifikationsrennen zu sein. Das war vor allem deswegen relevant, da der Superstar dieses Sports und dreifacher Sieger des UTMB, Kilian Jornet, auf die Punkte des Hardrock 100 zählte, um am UTMB teilzunehmen. In den Regeln des UTMB steht klar und deutlich, dass jeder Athlet und jede Athletin Punkte haben muss, auch die absoluten Spitzenathleten. Als die die Betreiber des UTMB nun aber sahen, dass die Veranstalter des Hardrock die Gebühr nicht entrichtet hatten, sandte die ITRA den Organisatoren des Hardrock 100 eine E-Mail, in der der Verband den Betreibern höflich nahelegte, die Gebühr zu bezahlen, damit Jornet in Frankreich starten könne.

      „Wir mochten dieses System einfach nicht und waren der Meinung, dass es etwas respektlos wäre“, meinte David Coblentz, Vorstandspräsident beim Hardrock 100. „Sie kommen nicht einmal vorbei, um deinen Kurs zu begutachten. Du schickst ihnen nur eine GPX-Datei, die sie in einen Algorithmus hochladen und dann geben sie dir Punkte. Das ist eigentlich nur eine andere Art Geld zu machen.“

      Coblentz erklärte weiter, dass die jährliche Gebühr trotzdem zu bezahlen ist, auch wenn sich der Kurs nicht geändert hat und die GPX-Datei dieselbe sei. „Und das ist wirklich nicht akzeptabel.“

      Somit verfassten der Hardrock 100 und noch acht weitere US-Rennen einen offenen Brief, in dem sie ihre Absicht, die Gebühr nicht mehr zu bezahlen, kundtaten und ihre Gründe dafür anführten. In diesem Brief hieß es: „Es ist nicht unsere Absicht, den UTMB/ITRA dafür zu kritisieren, ihre Gewinne maximieren zu wollen, doch ihr ‚Pay-For-Points‘-System trägt rein gar nichts zum Wohl des Sports bei.“

      Die ITRA antwortete in einem eigenen offenen Brief, in dem sie klarstellte, dass sie eine Non-Profit-Organisation sei, dass sie nur versuchen würde, dem Sport bei seiner Entwicklung zu helfen (durch medizinische Forschung, Sicherheitsberatung, Einführung globaler Standards), und dass sie eine vom UTMB unabhängige Einrichtung sei. Doch Hardrock weigerte sich weiterhin einzulenken. „Danach haben wir nichts mehr von ihnen gehört“, sagt Coblentz.

      Trotz der Pattsituation war Jornet in jenem Jahr dann doch am Start des UTMB. Es scheint so, als konnte das größte Rennen in diesem Sport nicht ohne seinen größten Star existieren, und so wurden die Regeln eben ein wenig zurechtgebogen. In ihrem Brief schrieb die ITRA, dass – Gebühr hin oder her – der Verband beschlossen hätte, „das Rennen [Hardrock 100] ausnahmsweise doch im Nachhinein zur Liste der Qualifikationsrennen hinzuzufügen.“

      Dieses ganze Hin und Her sagt doch sehr viel über den Zustand, in dem sich dieser schnell wachsende Sport befindet, aus. Hinter all den tollen Instagram-Einträgen und den großartigen Leistungen der Athleten hat sich eine Art Goldrausch manifestiert, mit Goldsuchern, die um Macht und Kontrolle kämpfen. Genauso wie die ITRA und die großen Rennen haben sich bereits auch multinationale Bekleidungshersteller und Outdoor-Sportausstatter eingefunden und stecken ihre Claims ab, indem sie die größten Veranstaltungen und Top-Athleten und Athletinnen unter Vertrag nehmen und clevere Werbekampagnen produzieren, virale Filmchen mit Männern und Frauen, die durch prächtige Landschaften laufen und irrwitzige Abhänge hinunterrasen. Der Ultra-Marathonsport ist noch immer ein weitgehend unerschlossener und unkontrollierter Markt und es gibt kein Anzeichen dafür, dass sich das Wachstum in absehbarer Zeit verlangsamen wird. Während die LäuferInnen also da draußen durch ein Tal der Schmerzen laufen, sehen andere einen offenen, unbewachten Eingang zu einer Goldmine und beeilen sich, einen Teil dieser Mine für sich zu beanspruchen.

      Trotz allem will ich noch immer den UTMB laufen. Wenige Monate nach dem Interview mit Elisabet, mein Interesse am Ultra-Lauf ist noch immer hellwach, sehe ich mir den Start des Rennens im Internet an. Es ist ein Freitagnachmittag und ich sitze im Londoner Büro. Auf meinem Bildschirm ist der Hauptplatz von Chamonix zu sehen, auf dem sich gerade hunderte von nervös dreinblickenden, berggestählten Männern und