aa) Erklärungen zur Veranlagung
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Bei bestimmten Steuerarten muss die Steuer in einem Veranlagungsverfahren durch Steuerbescheid (§ 155 AO) festgesetzt werden. Das betrifft überwiegend die Ertragsteuern wie Einkommensteuer, Körperschaftsteuer oder Gewerbesteuer (beim Finanzamt als Gewerbesteuermessbescheid). Diese Veranlagungsverfahren werden gespeist durch die Informationen des Steuerpflichtigen in seiner Steuererklärung, die teils exklusiv, teils aber auch beim Finanzamt schon aus anderen Quellen (elektronisch) vorhanden sind.[29] Dies dient der Beschleunigung des Veranlagungsverfahrens, aber auch dem Abgleich mit den vom Steuerpflichtigen gegebenen Informationen. Bei Differenzen kann der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten (z.B. § 93 Abs. 1 AO) zur Aufklärung aufgefordert werden. Im Zweifel wird das Finanzamt aber auf die von dritter Seite elektronisch übermittelten Informationen zurückgreifen, weil die als valide gelten.
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Der Umfang der in der Steuererklärungen zu liefernden Informationen, die wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen zu machen sind (§ 150 Abs. 2 AO), ist erheblich, weil die Angaben auf den verschiedensten amtlichen Vordrucken mit konkret gestellten Fragen (insbesondere dem sog. Mantelbogen mit einer Vielzahl von Anlagen) zu machen sind. Der Erklärung sind zusätzlich weitere Unterlagen beizufügen wie Anlagenverzeichnis, Einnahme-Überschuss-Rechnung, Verzeichnis der geringwertigen Wirtschaftsgüter (GWG) und viele weitere.
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Die Nichtabgabe einer abzugebenden Steuererklärung[30] auch noch nach dem gesetzlich bestimmten Abgabetermin (grundsätzlich der 31.5. des Folgejahres) kann einerseits steuerliche Sanktionen auslösen wie z.B. einen Verspätungszuschlag zur festgesetzten Steuer in Höhe von maximal 10 % (und maximal 25 000 EUR). Andererseits kann dadurch aber auch das Versuchsstadium einer Steuerhinterziehung beginnen, wenn tatsächlich ein Steuerbetrag festzusetzen ist, der aufgrund der ausstehenden Erklärung nicht festgesetzt wird. Steuerhinterziehung ist auch die Verkürzung auf Zeit, § 370 Abs. 4 S. 1 AO. Dieser Versuch wird zur vollendeten Steuerhinterziehung, wenn die Steuer nicht bis zum 30.9. des übernächsten Jahres festgesetzt werden kann. Das ist der Zeitpunkt, zu dem die überwiegende Mehrzahl aller Steuerfälle (also auch der säumige Nichterklärer) nach dem gewöhnlichen Ablauf veranlagt sein würden.
bb) Erklärungen für Anmeldesteuern
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Anmeldesteuern wie die Umsatzsteuer, die Lohnsteuer oder die Kapitalertragsteuer werden nicht veranlagt, sondern durch die Anmeldung des Steuerpflichtigen unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt, § 168 S. 1 AO. Der Steuerpflichtige erstellt somit seinen eigenen Steuerbescheid. Sollte sich aus der Anmeldung eine Erstattung oder Vergütung ergeben, gilt dies erst, wenn das Finanzamt formlos zustimmt, § 168 S. 2 AO.
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Der Umfang der in den Anmeldungen zu übermittelnden Informationen ist deutlich geringer als bei den Veranlagungssteuern. Zwar bestehen erhebliche Aufzeichnungspflichten für viele weitere Informationen, die jedoch von der Finanzverwaltung erst im Rahmen einer Prüfung oder Nachschau abgefragt werden können. Andererseits sind die Zeitpunkte für die Abgabe von Anmeldungen sehr viel zeitnäher und häufiger (monatlich, quartalsweise) als bei den Veranlagungssteuern.
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In den Anmeldeverfahren werden den Steuerpflichtigen erheblich mehr Pflichten und mehr Verantwortung aufgebürdet als im Veranlagungsverfahren. Strafrechtlich äußert sich das u.a. dadurch, dass durch das bloße Verstreichen lassen der gesetzlichen Anmeldepflicht eine vollendete Steuerhinterziehung vorliegt, wenn Steuer mit einer positiven Zahllast anzumelden gewesen wäre.
cc) Weitere Anzeigepflichten des Steuerpflichtigen
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Aus den Einzelsteuergesetzen ergeben sich an vielen Stellen weitere Anzeige- und Meldepflichten des Steuerpflichtigen, aus denen die Finanzverwaltung Informationen schöpfen kann und deren Verletzung häufig bußgeldbewehrt (§ 379 AO) ist.
Im Einzelnen: (und nicht abschließend):
– | Anzeigepflicht über Gründung und Erwerb von ausländischen Betrieben und Betriebsstätten sowie die Beteiligung an ausländischen Personen- und Kapitalgesellschaften, § 138 Abs. 2 AO. Die Verletzung dieser Pflicht ist ausdrücklich bußgeldbewehrt, § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO; |
– | Anzeige einer land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Erwerbstätigkeit, § 138 Abs. 1 AO; |
– | Anzeige der Betriebseröffnung, wenn in dem Betrieb verbrauchssteuerpflichtige Waren gewonnen, hergestellt oder verbraucht werden sollen, § 139 AO; |
– | Übermittlung der wegen einer geplanten Investition gebildeten Investitionsabzugsbeträge nach § 7g Abs. 1 S. 2 Nr. 2 EStG. |
– | weitere siehe Einzelsteuergesetze. |
dd) Informationsgewinnung durch Prüfung und Nachschau
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Weit über die Erklärungspflichten hinaus geht der Umfang der aufzeichnungspflichtigen Vorgänge, die der Steuerpflichtige in seiner Buchhaltung oder anderen Aufzeichnungen festhalten muss und die Gegenstand von steuerlichen Prüfungen und Nachschauen sein können.
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Die steuerliche Informationsgewinnung folgt der Überlegung, dass eine Aufzeichnungspflicht stets auch eine Aufbewahrungspflicht begründet, weil sie sonst sinnlos wäre. Alles was aufzubewahren ist, unterliegt auch der Vorlagepflicht, weil sonst die Aufbewahrung keinen Sinn machen würde. Dies gilt mit den Einschränkungen, dass entweder die ursprüngliche Aufzeichnungspflicht gesetzlich vorgeschrieben ist (daraus folgen dann die beiden anderen Pflichten) oder – bei freiwilligen Aufzeichnungen – diese zum Verständnis der steuerlich vorzulegenden Unterlagen notwendig und deswegen vorzulegen sind.
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Die Aufzeichnungspflichten können aus den verschiedensten Gesetzen herrühren und sind auch für Zwecke der Besteuerung vorzulegen, wenn sie steuerliche Relevanz haben, § 140 AO. Im Mittelpunkt steht die handelsrechtliche Buchführungspflicht nach §§ 238 ff. HGB. Weitere Aufzeichnungspflichten ergeben sich aber beispielsweise aus der Gewerbeordnung, dem Apothekengesetz, dem Waffengesetz, der Betriebsordnung für Kraftfahrzeuge (im Taxi-Bereich), dem Geldwäschegesetz und weiteren Einzelgesetzen. Der Betriebsprüfer kann und wird danach fragen, wenn er eine steuerliche Relevanz sieht. Die Verweigerung dieser Unterlagen kann im Einzelfall die Anwendung von Zwangsmitteln der AO (§§ 328 ff. AO) nach sich ziehen oder im Rechtsbehelfsverfahren bis zur Klage führen.
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Besondere Bedeutung erlangt die Herausgabe von elektronischen Aufzeichnungen nach § 147 Abs. 6 AO, weil diese ganz neue Auswertemöglichkeiten mit Hilfe spezieller Prüfungsprogramme erlauben. Alle Aufzeichnungen mit steuerlicher Relevanz, die der Steuerpflichtige elektronisch aufzeichnet, hat er auch elektronisch aufzubewahren und auf Verlangen in elektronisch auswertbarer Form vorzulegen. Es gelten im Grunde dieselben Regeln wie bei der Aufbewahrung von Papier. Der Unterschied besteht darin, dass Papier ohne weiteres zehn Jahre lang (§ 147 Abs. 3 AO) lesbar bleibt, während bei elektronischen Aufzeichnungen dies nicht sicher ist. Es stellt in der Praxis einen deutlich höheren Aufwand dar, die entsprechenden Datenträger zu konservieren, umzukopieren auf neue Speichermedien oder die entsprechende „alte“ EDV-Anlage vorzuhalten, mit der die alten Dateien noch lesbar gemacht werden können.
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