d) Umfang der Betriebsprüfung und Sonderfälle
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Eine Betriebsprüfung wird im Normalfall für drei bereits veranlagte Jahre angeordnet, beginnend mit dem jüngsten Jahr. Es wird die Prüfung der regelmäßig relevanten Steuerarten Einkommensteuer (oder Körperschaftsteuer bei juristischen Personen), Umsatzsteuer und Gewerbesteuer angeordnet. Liegen Anhaltspunkte für steuerlich relevante sonstige Vorgänge vor, kann auch die Prüfung anderer Steuern (z.B. Erbschafts- und Schenkungsteuer) angeordnet werden. Von diesem Grundsystem sind mehrere Abweichungen denkbar und zulässig.
aa) Zeitnahe Betriebsprüfung“
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Als neue Entwicklung ist hier die sog. „Zeitnahe Betriebsprüfung“ (sog. Sofort-BP) nach § 4a BpO[22] zu nennen, bei der ausgewählte Betriebe gegenwartsnah (§ 4a Abs. 1 BpO) für einen oder mehrere Veranlagungszeiträume geprüft werden. Es wird damit die Möglichkeit angestrebt, Betriebe im Ein- oder Zweijahresturnus zu prüfen um dadurch Vorteile für Unternehmen und Verwaltung zu erreichen.
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Unternehmen erreichen durch die Aufnahme in ein „Zeitnahes-Prüfungs-Programm“ viel rascher Planungssicherheit, wenn die steuerliche Würdigung durch die Finanzverwaltung früher als sonst stattfindet. Die Belastung durch die Prüfung selbst vermindert sich, weil sich die zu prüfenden Sachverhalte zeitnah besser nachvollziehen lassen. Im Falle von Mehrergebnissen reduziert sich die Zinsbelastung durch die Vollverzinsung (§ 233a AO) infolge kürzerer Zinsläufe.
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Vor allem soll durch das Instrument der Zeitnahen Betriebsprüfung der Effekt gestoppt werden, dass manche Prüfungen bei Großunternehmen länger dauerten als der dreijährige Prüfungszeitraum. Diese Prüfungen sind dadurch immer mehr in die Vergangenheit gerückt, so dass nicht selten das erste Prüfungsjahr bei Prüfungsbeginn schon mehr als 5 Jahre zurücklag.
bb) Ausdehnung des Prüfungszeitraums
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Eine Ausdehnung des Prüfungszeitraums über den bisherigen Dreijahres – Zeitraum kommt dann in Betracht, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder wenn der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit besteht, § 4 Abs. 2 S. 2 BpO. Im letzteren Fall ist aber zwingend das Steuerstraf- oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten, das dem Verdächtigen zu eröffnen und über die damit verbundenen Folgen er entsprechend zu belehren ist, § 397 Abs. 3 AO. Die Erweiterung des Prüfungszeitraums bedarf bei rein steuerlichen Feststellungen einer neuen Prüfungsanordnung bzw. einer Erweiterungsanordnung. Als eine nicht unerhebliche Änderung der Besteuerungsgrundlage betrachtete der BFH in einer Entscheidung vom 28.4.1988[23] einen Betrag von 1 500 EUR. Dieser Betrag müsste meines Erachtens aktuell mindestens verdreifacht werden. Die Prüfung kann steuerlich bis an die Grenze der Festsetzungsverjährung ausgedehnt werden, so wie sie sich vor der Prüfungsanordnung (ohne Ablaufhemmung) ergeben hat. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO kann nur Wirkung entfalten ab Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung bzw. Erweiterungsanordnung.
cc) Abkürzung der Außenprüfung
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Die Abkürzung der Außenprüfung nach § 4 Abs. 5 BpO ist das Gegenstück zur Ausdehnung der Prüfung. Wenn im Einzelfall (häufig erst nach Prüfungsvorbereitung oder -beginn) die Finanzbehörde eine umfassende Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse nicht für erforderlich hält, kann die Außenprüfung abgekürzt durchgeführt werden (§ 203 AO). Es werden dann nur noch einzelne Besteuerungsgrundlagen eines oder mehrerer Besteuerungszeiträume geprüft.
2. Ermittlungsanlässe der Steuerfahndung
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Bei der Steuerfahndung gibt es keine Prüfungspläne, sondern regelmäßig nur einzelfall- und anlassbezogene Prüfungen. Im steuerstrafrechtlichen Bereich beginnt die eigentliche Tätigkeit der Steuerfahndung erst nach Schöpfung eines Anfangsverdachts. Aber auch im Vorfeld und in rein steuerlichen Tätigkeitsbereichen ist die Tätigkeit der Steuerfahndung üblicherweise nicht systematisch und plangesteuert, sondern hängt von einzelnen Fallmeldungen und Aufgriffen ab.[24]
a) Fallherkunftsfelder
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Ausgangspunkt der Ermittlungen der Steuerfahndung ist der Eingang eines Hinweises auf Steuerhinterziehung. Das können Anzeigen von außen sein, von Privatpersonen wie Ehefrauen und Nachbarn oder von beruflichen Konkurrenten. Es können auch Hinweise anderer Behörden oder Prüfungsersuchen der Staatsanwaltschaft sein. Insgesamt wird der Falleingang für statistische Zwecke in neun Hauptgruppen unterteilt, die jeweils deutlich Unterschiede in Größe und steuerstrafrechtlicher Qualität aufweisen. Der Fallzugang kann stammen von:
– | den Innendiensten der Veranlagungsfinanzämter, wozu auch die Umsatzsteuerstellen der Finanzämter gehören; |
– | den Bußgeld- und Strafsachenstellen, die über ihre Betreuung des Innendienstes vor Ort einen eigenen Falleingang haben, |