Markus Brinkmann

Tax Compliance


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als das Eskalationsprinzip des § 93 Abs. 1 S. 3 AO für die Steuerfahndung nicht gilt. Während der Finanzbeamte normalerweise Dritte erst dann um Auskunft ersuchen kann, wenn die Nachfrage beim Steuerpflichtigen ohne Erfolg geblieben oder voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird, kann der Beamte der Steuerfahndung sich mit einem Auskunftsersuchen unmittelbar und primär an Dritte wenden. Gleiches gilt für Vorlageverlangen von Urkunden (§ 97 Abs. 1 S. 3 AO). Darüber hinaus sind die steuerlichen Befugnisse von Beamten der Steuerfahndung die Gleichen wie die aller anderen Finanzbeamten.

      bb) Strafprozessuale Befugnisse

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      Die strafrechtlichen Kompetenzen der Steuerfahndung ergeben sich aus §§ 404, 399 Abs. 2 S. 2 AO: danach können die Steuerfahnder als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO)

Steuerstraftaten erforschen und alle Maßnahmen zur Verhütung der Verdunkelung der Sache durchführen (§ 163 Abs. 1 StPO) sowie Ermittlungen aller Art im Rahmen der Zuständigkeit und auf Weisung der Staatsanwaltschaft durchführen, § 161 Abs. 1 StPO
kurzfristige Observationen durchführen, § 163 StPO Langfristige Observationen (mehr als 24 h) bedürfen der richterlichen Erlaubnis, § 163 f StPO oder der Genehmigung der Staatsanwaltschaft, § 100h StPO.
Durchsuchungen durchführen aufgrund richterlicher Durchsuchungsanordnung, §§ 102, 103 StPO.

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      Ausnahme: Es besteht Gefahr im Verzug

Sicherstellung von Beweismitteln und Beschlagnahme aufgrund richterlichen Beschlusses, §§ 102, 103 StPO
Durchsichtsrecht von Papieren und Daten des von der Durchsuchung Betroffenen, § 404 S. 2 AO, § 110 Abs. 1 und Abs. 3 StPO
Durchführung von Vernehmungen von Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen, § 163a StPO
Automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 24c KWG
Festnahme des Störers einer Durchsuchung, § 164 StPO, Nr. 63 Abs. 6 AStBV
Sicherstellung von Gegenständen, die dem Verfall oder der Einziehung unterliegen, §§ 94, 98 Abs. 1, 111b, 111e StPO
Identitätsfeststellung des einer Steuerstraftat Verdächtigen, § 127 Abs. 2, 163b Abs. 1 StPO, die auch beim unverdächtigen Dritten zulässig ist (unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes grundsätzlich möglich), § 163b Abs. 2 StPO

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      Bei Gefahr im Verzug:

Anordnung von Durchsuchung, Beschlagnahme oder sonstigen Maßnahmen, um die Verdunklung der Sache zu verhindern, ohne richterlichen Beschluss, § 399 Abs. 2 S. 2 AO
Vorläufige Festnahme, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen, § 127 Abs. 2 StPO, Nr. 73 Abs. 1 und 2 AStBV (ebenfalls ohne richterlichen Beschluss).

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      Sonderfälle:

Bei bandenmäßiger Umsatzsteuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Nr. 5 AO ist der Einsatz verdeckter Ermittler möglich, § 110a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO
In diesen Deliktsfall ist auch eine Überwachung des Fernmeldeverkehrs (TKÜ) möglich. § 100a Abs. 2 Nr. 2a StPO
Sogar ein Lauschangriff ist zulässig in besonders schweren Fällen der Geldwäsche (§ 261 Abs. 4 StGB), wenn eine bandenmäßige Umsatzsteuerhinterziehung als Vortat vorliegt.

      Und zuletzt:

Sonderrechte im Straßenverkehr, soweit es der Ermittlungszweck erfordert, § 35 StVO.

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      Wenngleich dieser Katalog der Rechte der Steuerfahndung lang erscheint, darf doch nicht verkannt werden, dass es sich grundsätzlich um die normalen Rechte eines jeden Finanzbeamten und eines jeden Kriminalbeamten der Polizei handelt, die sich lediglich wegen der gesetzlich so bestimmten Doppelfunktion der Steuerfahndung in dieser Ermittlungsbehörde kumulieren. Die Verstärkungen der Rechte in § 208 Abs. 1 S. 3 AO und § 110 Abs. 1 StPO sind demgegenüber marginal.

      cc) Befugnisse bei gemeinsamen Prüfungen

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      Wenn die Steuerfahndung mit anderen Prüfungsdiensten (Betriebsprüfung, Umsatzsteuer-Sonderprüfung) oder mit anderen Ermittlungsbehörden (z.B. Polizei, Zoll) bei der Ermittlungen eines Falles zusammenarbeitet und dazu eine gemeinsame Ermittlungsgruppe gebildet wird, was insbesondere bei deliktsübergreifenden Großverfahren notwendig werden kann, richten sich die Aufgaben und Befugnisse nach den vorstehend geschilderten Grundsätzen. Die Tätigkeit in der gemeinsamen Ermittlungsgruppe führt nicht zu einer Ausweitung von Befugnissen etwa in Form einer „Kompetenz-Leihe“ vom anderen Dienst oder der anderen Ermittlungsbehörde.

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      Eine Zusammenarbeit von Steuerfahndung und Betriebsprüfung kommt insbesondere in Betracht, wenn sich anlässlich einer Betriebsprüfung ein strafrechtlicher Anfangsverdacht ergibt, der nach Lage der Dinge nur im Strafverfahren ermittelt werden kann. Wenn die Betriebsprüfung schon weit fortgeschritten ist, ist die komplette Übernahme des Falles durch die Steuerfahndung oft nicht sinnvoll und von den Betriebsprüfungsstellen auch nicht gewollt, weil dann einerseits die bisher geleistete Prüfungstätigkeit in der Statistik der Betriebsprüfung nicht erfasst wird und andererseits sich der Steuerfahnder nochmal in bereits geprüfte Sachverhalte einarbeiten muss. In diesen Fällen bietet sich eine sog. Kombi–Prüfung an, bei der der steuerliche Bericht gemeinsam vom Betriebsprüfer und vom Steuerfahnder erstellt wird, während der strafrechtliche Bericht alleine vom Steuerfahnder verfasst wird. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der gemeinsame steuerliche Bericht deutlich zwischen den jeweiligen Ermittlungsteilen differenzieren muss, damit der den Bericht auswertende Innendienstsachbearbeiter erkennen kann, welche Besteuerungsgrundlagen sich aufgrund einer Steuerhinterziehung ergeben (→ dann möglicherweise zehnjährige Festsetzungsverjährung gem. § 169 Abs. 2 S. 2 AO) und welches die rein steuerlichen Feststellungen (keine Steuerhinterziehung) sind (→ dann vierjährige Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO). Entsprechendes gilt für die Feststellung von Steuerordnungswidrigkeiten und die dann geltende fünfjährige Festsetzungsfrist.

      dd) Parallelität der Verfahren

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