Die Zahl der Stimmrechte des Meldepflichtigen ergibt sich zum einen aus den von ihm direkt gehaltenen Aktien, zum anderen aus etwaigen nach § 34 WpHG zugerechneten Stimmrechten. Dabei ist unerheblich, ob die Stimmrechte ausgeübt werden können oder nicht (abstrakte Betrachtungsweise). Folglich sind Stimmrechte aus Aktien, die beispielsweise einem vorübergehenden Stimmverlust aus § 44 WpHG unterworfen sind, mitzuzählen.[32] Ebenso bleiben selbstverständlich Stimmverbote, die sich auf einzelne Beschlussgegenstände beschränken (§ 136 AktG), bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt, da sie diesen im Grundsatz unberührt lassen.[33]
2. Zurechnung von Stimmrechtsanteilen, § 34 WpHG
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Mitteilungspflichtig gem. § 33 Abs. 1 WpHG ist derjenige, dessen Stimmrechte an der Gesellschaft die dort genannten Schwellenwerte berühren. Aus dem in § 8 Abs. 5 AktG manifestierten Abspaltungsverbot sowie dem Wortlaut des § 33 Abs. 3 WpHG ist zu schließen, dass § 33 Abs. 1 WpHG sich auf Stimmrechte bezieht, die dem Meldepflichtigen aus ihm gehörenden Anteilen zustehen, m.a.W. auf Stimmrechte aus direkt gehaltenen Aktien. Darüber hinaus enthält § 34 WpHG eine Reihe von Zurechnungstatbeständen. Sofern dem Meldepflichtigen Stimmrechte aus direkt gehaltenen Aktien zustehen und ihm weitere Stimmrechte über § 34 WpHG zugerechnet werden, ist für eine mitteilungspflichtige Schwellenberührung die Summe der Stimmrechte maßgeblich, da zugerechnete Stimmrechte den Stimmrechten des Meldepflichtigen gleichstehen.[34] Zurechnungen erfolgen also auch dann, wenn die unmittelbar gehaltenen Aktien und/oder die über § 34 WpHG zugerechneten Aktien (für sich genommen jeweils) weniger als 3 % der Stimmrechte (geringster Schwellenwert) verkörpern, sofern sie in Summe eine der maßgeblichen Schwellen berühren. Umgekehrt sind Fallkonstellationen denkbar, in denen mehrere der Zurechnungstatbestände in § 34 WpHG erfüllt sind; in diesen Fällen werden die Stimmrechte bei der Zurechnung selbstverständlich nur einfach berücksichtigt.[35]
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Auch wenn in der Mitteilung anzugeben ist, ob der Meldepflichtige die Aktien direkt hält oder ob sie ihm gem. § 34 WpHG zugerechnet werden, ergibt sich keine gesonderte Mitteilungspflicht, wenn ein Wechsel von Stimmrechten beispielsweise aus direkt gehaltenen Aktien auf zugerechnete Stimmrechte stattfindet oder umgekehrt.[36] Eine Änderung des Zurechnungstatbestandes löst ebenfalls keine Mitteilungspflicht aus. Der Zurechnungstatbestand ist in der Meldung der Stimmrechte nicht mehr anzugeben.[37] Die Angabe, dass Stimmrechte zugerechnet werden, erfolgt durch Eintragung der zugerechneten Stimmrechte in der Spalte 7.a. des zu verwendenden Meldeformulars.[38]
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Bei Vorliegen eines oder mehrerer der Tatbestände des § 34 WpHG werden dem Meldepflichtigen die von anderen Personen gehaltenen Stimmrechte zugerechnet. Durch die Zurechnung werden für Zwecke der §§ 33 ff. WpHG Stimmrechte aus Aktien, die anderen gehören, im Ergebnis wie Stimmrechte aus dem Meldepflichtigen gehörenden Aktien behandelt, wie dies auch bei § 30 WpÜG der Fall ist.[39] M.a.W. wird aufgrund von § 34 WpHG derjenige, dem Stimmrechte eines anderen zugerechnet werden, im Rahmen von § 33 WpHG so gestellt, als ob ihm die stimmberechtigten Aktien selbst gehören.[40] Ebenso wenig wie bei der Mitteilungspflicht des Aktionärs kommt es bei den Tatbeständen des § 34 WpHG darauf an, ob der Meldepflichtige die beim ihm gesetzlich vermutete Einflussnahmemöglichkeit auf den Emittenten tatsächlich ausübt oder ausüben kann.[41]
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Werden Stimmrechte einem Meldepflichtigen über § 34 WpHG zugerechnet, so bleibt gleichwohl auch der Aktionär unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 WpHG mitteilungspflichtig. Es gilt der Grundsatz der doppelten Meldepflicht.[42]
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Gesetzlich nur unzureichend geregelt ist die Frage einer sog. Kettenzurechnung. Es stellt sich also die Frage, ob jeder Zurechnungstatbestand des § 34 WpHG abschließend zur Anwendung gelangt (Einzelzurechnung) oder ob die Stimmrechte aus bestimmten Aktien hintereinander zugerechnet werden, wenn mehrere Zurechnungssachverhalte durch wenigstens eine Person als Bindeglied aneinander gekoppelt sind (Kettenzurechnung). Als Beispiele werden in der Literatur genannt Stimmrechte aus Aktien, an denen zugunsten eines Tochterunternehmens des Meldepflichtigen ein Nießbrauch bestellt ist, oder Stimmrechte aus Aktien, die durch einen Treuhänder gehalten werden, der an einer Verhaltensabstimmung (Acting in Concert) mit weiteren Personen teilnimmt.[43] Gesetzlich geregelt ist die Kettenzurechnung nur in § 34 Abs. 1 S. 2 und S. 3 WpHG für die Zurechnung von Stimmrechten von Tochterunternehmen. Hiernach werden Stimmrechte, die den Tochterunternehmen nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2–8 WpHG zugerechnet werden, auch dem Meldepflichtigen über § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG in voller Höhe zugerechnet. Zum anderen werden bei einem Acting in Concert dem Meldepflichtigen nicht nur die Stimmrechte des Dritten zugerechnet, mit dem er sein Verhalten abstimmt, sondern auch die Stimmrechte, die dem Dritten nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2–8 WpHG zugerechnet werden.[44] Auch wenn aus der ausdrücklichen Normierung der Kettenzurechnung in zwei Fällen systematisch geschlossen werden könnte, dass eine Kettenzurechnung in den anderen Zurechnungsfällen nicht erfolgt, geht die wohl h.M. aufgrund des Sinns und Zwecks der gesetzlichen Regelung von einer weitergehenden Kettenzurechnung aus, soweit der Meldepflichtige Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte hat.[45] Als Beispiel einer Kettenzurechnung wird überwiegend die Kettentreuhand (Stimmrechte werden einem Treuhänder in seiner Funktion als Treuhänder zugerechnet) genannt.[46]
a) Stimmrechte von Tochterunternehmen
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§ 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG begründet die Zurechnung von Stimmrechten eines Tochterunternehmens. Eine Legaldefinition des Begriffs des Tochterunternehmens findet sich in § 35 WpHG. Tochterunternehmen sind hiernach Unternehmen, die als Tochterunternehmen i.S.v. § 290 HGB gelten oder auf die ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann. Auf die Rechtsform oder den Sitz kommt es nicht an, sodass als Tochterunternehmen auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Betracht kommt, die nur Aktien hält oder nur als Zwischenholding Einfluss vermittelt.[47] Personenhandelsgesellschaften sind damit erst recht erfasst. Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S.v. § 2 Abs. 10 WpHG, die die Finanzportfolioverwaltung (§ 2 Abs. 8 S. 1 Nr. 7 WpHG) betreiben, gelten allerdings unter den in § 35 Abs. 2 WpHG bestimmten Voraussetzungen nicht als Tochterunternehmen, sodass die von ihnen gehaltenen Stimmrechte nicht nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG zugerechnet werden.
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Tochterunternehmen i.S.v. § 290 HGB sind Unternehmen, auf welche das Mutterunternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Von einem beherrschenden Einfluss ist in den Fällen des § 290 Abs. 2 HGB stets auszugehen, so dass Tochterunternehmen sind:
– | Unternehmen, bei denen dem Meldepflichtigen – direkt oder indirekt – die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht,[48] |
– | Unternehmen, bei denen dem Meldepflichtigen – direkt oder indirekt – das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und er gleichzeitig Gesellschafter ist,[49] |
– | Unternehmen, bei denen dem Meldepflichtigen – direkt oder indirekt – das Recht zusteht, die Finanz- und Geschäftspolitik aufgrund eines mit diesem Unternehmen geschlossenen Beherrschungsvertrags oder aufgrund einer Satzungsbestimmung auszuüben,[50] |
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Unternehmen, die zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Meldepflichtigen dient (Zweckgesellschaft) und bei denen der Meldepflichtige bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen trägt,[51] daneben bestimmte
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