Eine Zurechnung der Stimmrechte auf den Darlehensgeber erfolgt in beiden Fällen nur dann, wenn der Darlehensgeber nach der vertraglichen Regelung weiterhin Einfluss auf die Stimmrechtsausübung nehmen kann.[74] In diesem Fall hält der Darlehensnehmer die Wertpapiere „für Rechnung“ des Darlehensgeber i.S.v. § 34 Abs. 1 Nr. 2 WpHG.[75] In diesen Fallkonstellationen stellt die BaFin darauf ab, ob der Darlehensnehmer im Einzelfall die Aktien noch hält und ob sich aus den vertraglichen Bedingungen des Wertpapierdarlehens eine Möglichkeit zur Einflussnahme für den Darlehensgeber auf die Stimmrechtsausübung ergibt. Das ist nur der Fall, wenn die Parteien entweder ausdrücklich oder konkludent ein Weisungsrecht in Bezug auf die Stimmrechtsausübung vereinbart haben oder das Wertpapierdarlehen tatsächlich für den Darlehensgeber eine Zurechnung gem. § 34 Abs. 1 Nr. 2 WpHG begründet.[76] Ein bloßer Wechsel auf Ebene des Darlehensgebers vom unmittelbaren (Aktionär) zum mittelbaren (Darlehensgeber) Halten und umkehrt löst keine Mitteilungspflicht für den Darlehensgeber aus. Endet hingegen die Möglichkeit zur Einflussnahme seitens des Darlehensgebers – sei es aufgrund der Ausgestaltung der Leihe mit darlehensweiser Hingabe der Aktien, sei es aufgrund Weiterveräußerung der Aktien im Rahmen der Ketten-Wertpapierleihe – ist bei Schwellenberührung bzw. -unterschreitung eine entsprechende Mitteilung erforderlich.[77] Gleiches gilt bei Schwellenberührung oder -überschreitung im Falle der Rückgewähr der – nicht zugerechneten – Aktien. Der Darlehensnehmer seinerseits hat etwaige Schwellenberührungen nach § 33 Abs. 1 WpHG als Aktionär wegen des Eigentumserwerbs – und im Falle der Darlehensrückgewährung wegen des damit verbundenen Verlusts des Eigentums – mitzuteilen.[78]
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In Betracht kommt außerdem aufgrund des schuldrechtlichen Rückübertragungsanspruchs des Darlehensgebers in der Regel eine Meldepflicht aus § 38 WpHG (Erwerb von Instrumenten).[79] In Konzernsachverhalten ließ die BaFin entgegen der grundsätzlichen Kumulierungspflicht aus § 39 WpHG bislang die Annahme nur eines Rückübertragungsanspruchs zu, wenn innerhalb eines Konzerns ein Wertpapierdarlehen zwischen den verschiedenen Konzernunternehmen nur weitergereicht wird und dabei die so zwischen den betroffenen Konzernunternehmen entstandenen, einzelnen Wertpapierdarlehensgeschäfte faktisch als ein einziges Wertpapierdarlehensgeschäft des Konzerns anzusehen sind. Diese Annahme dürfte auch heute noch gelten, setzt aber voraus, dass die einzelnen Wertpapierdarlehensgeschäfte voneinander in ihrem Bestand abhängen. Dazu muss nach den Vereinbarungen oder dem gemeinsamen Verständnis der Parteien sichergestellt sein, dass die Rückübertragung der Aktien vom „Endentleiher“ oder die Rückforderung der Aktien eines Verleihers die Fälligkeit der übrigen Rückübertragungsansprüche auslöst und bewirkt, dass die Kette der Wertpapierdarlehensgeschäfte im Ganzen und innerhalb eines Tages rückabgewickelt wird. Die Wertpapierdarlehen müssen also im Wesentlichen denselben Inhalt aufweisen. Weitere Voraussetzung ist dabei, dass die Beteiligten die Wertpapierdarlehenskette von anderen (Wertpapierdarlehens-)Geschäften mit dem gleichen Basiswert unterscheiden können und vor allem eine Verrechnung (Netting) von gegenseitigen Ansprüchen hieraus nicht stattfindet.[80]
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Für die sog. Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) im Rahmen von Börsengängen werden in der Praxis ebenfalls Wertpapierleihverträge abgeschlossen, für welche die vorstehenden Ausführungen grundsätzlich entsprechend gelten.[81]Emissionsunternehmen oder Emissionskonsortien sind jedoch unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 WpHG von den Meldepflichten im Rahmen von Mehrzuteilungsoptionen befreit (vgl. dazu Rn. 155). Je nach Ausgestaltung der Wertpapierleihe wird der Wegfall der Zurechnung in diesen Fällen in der Regel im Zeitpunkt der Platzierung eintreten. Ein Ende der Zurechnung ist aber auch zu einem früheren Zeitpunkt möglich, wenn nämlich die Altaktionäre den Konsortialbanken mittels der Wertpapierleihe Aktien zur Verfügung stellen, welche die Konsortialbanken zur Erfüllung der Zeichnungsaufträge schon vor der Eintragung der Kapitalerhöhung einsetzen.[82]
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In allen Fällen der Wertpapierleihe hat der jeweilige Darlehensnehmer den jeweiligen Darlehensgeber über die Weiterveräußerung der entliehenen Wertpapiere – bzw. im Falle der Mehrzuteilungsoption über den Einsatz zur Erfüllung der Zeichnungsaufträge – zu informieren, damit dieser seinen gegebenenfalls eintretenden Mitteilungspflichten wegen Veränderung der Stimmrechtsanteile nachkommen kann.[83]
c) Übertragung als Sicherheit
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Die Zurechnung von Stimmrechten aus Aktien, die einem Dritten als Sicherheit übertragen sind, wird in § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG geregelt. Die gesetzliche Zurechnungsregelung bezieht sich auf die Sicherungsübereignung, alle anderen Sicherheiten sind nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 WpHG zu beurteilen. Sie differenziert danach, ob der Dritte zur Ausübung der Stimmrechte aus diesen Aktien befugt ist und die Absicht bekundet, die Stimmrechte unabhängig von den Weisungen des Meldepflichtigen auszuüben. Bei § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG wurde zur Harmonisierung mit der übernahmerechtlichen Parallelvorschrift der Grundsatz der alternativen Zurechnung (sicherungshalber übertragene Aktien werden entweder nur dem Sicherungsgeber oder nur dem Sicherungsnehmer zugeordnet) aufgegeben.[84] Daher können sowohl den Sicherungsgeber als auch den Sicherungsnehmer hinsichtlich desselben Aktienbestandes Mitteilungspflichten treffen.
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Als Inhaber der sicherungshalber übereigneten Aktien gehören dem Sicherungsnehmer (neuer Aktionär) die Aktien, sodass er eine Stimmrechtsmitteilung nach § 33 Abs. 1 WpHG abzugeben hat, sofern eine entsprechende Schwellenberührung vorliegt.[85] Zudem bleibt der Sicherungsgeber meldepflichtig, weil ihm grundsätzlich die Stimmrechte nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG zugerechnet werden. Etwas anderes gilt jedoch („es sei denn“), wenn der Sicherungsnehmer ausnahmsweise zur Ausübung der Stimmrechte befugt ist und die Absicht bekundet, die Stimmrechte unabhängig von den Weisungen des grundsätzlich Meldepflichtigen (also des Sicherungsgebers) auszuüben. Diese Willensäußerung muss nach außen erkennbar und gegenüber einer relevanten Partei, also entweder dem Emittenten oder aber gegenüber dem Sicherungsgeber erfolgen.[86] Sofern der Sicherungsfall eintritt und der Sicherungsnehmer damit zur Stimmrechtsausübung befugt ist, entfällt die Zurechnung an den Sicherungsgeber, sodass dieser ggf. eine entsprechende Unterschreitung einer Schwelle melden muss. [87]
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Auf die Verpfändung ist § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG nicht anwendbar. Denn hier verbleibt das Eigentum an den mit den Stimmrechten verbundenen Aktien beim Verpfänder. Nur sofern der Pfandgläubiger ausnahmsweise zur Ausübung der Stimmrechte befugt ist, kommt eine Zurechnung nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 WpHG in Betracht.[88] Der Verpfänder bleibt auch in diesem Fall aber Eigentümer, und als solchem bleiben ihm auch die Aktien im Sinne des § 33 Abs. 1 WpHG zugeordnet.
d) Nießbrauch
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Werden an Aktien zugunsten eines Dritten Nießbrauchrechte bestellt, so werden die Stimmrechte nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 WpHG dem Nießbrauchberechtigten zugerechnet. Die Zurechnung tritt mit dinglichem Wirksamwerden der Bestellung des Nießbrauchs an den Aktien gem. §§ 1069, 1081 Abs. 2 BGB ein und entfällt im Zeitpunkt des Erlöschens des Nießbrauchs in Folge seiner rechtsgeschäftlichen Aufhebung oder kraft Gesetzes.[89]
e) Erwerbsrechte
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Kann ein Dritter Aktien durch eine Willenserklärung erwerben, so werden ihm die Stimmrechte aus diesen Aktien gem. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 WpHG zugerechnet. Der Begriff des Erwerbs ist im engeren Sinne zu verstehen und damit im Sinne der Erlangung des Eigentums. Damit werden nur dingliche Erwerbsmöglichkeiten erfasst, also Sachverhalte, aufgrund derer zum Eigentumserwerb der Aktien durch den Meldepflichtigen nur noch dessen Willenserklärung notwendig ist.[90] Gleiches gilt, wenn statt einer Willenserklärung die Kaufpreiszahlung unmittelbar zum Eigentumserwerb führt.[91] Rein schuldrechtliche Vereinbarungen, die einen