Peter Empt

Hull Storys


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ersten Termin hatte der Notar nicht einmal Notiz von ihm genommen. Robert amüsierte das stocksteife Gehabe des Notars.

      Auf dem Tisch lagen vier schwarze Mappen, auch standen Tee und Snacks bereit.

      Susan eröffnete, indem sie nochmals den Zweck des Gespräches nannte. Der Notar bat um gemeinsame Sichtung der vier gleichen Unterlagen. In präziser Juristensprache las er die in Schriftform gebrachten Vereinbarungen von Montag. Robert war diese Juristensprache fremd. Er schaute fragend Dick an. Dick nickte zustimmend und Robert vertraute ihm. Der Notar bat um Unterschriften und die unterzeichneten Dokumente erhielten das Notarsiegel.

      Robert fragte: „Muss ich an dem Testamentseröffnungstermin am Freitag noch teilnehmen?“

      Der Notar verneinte, bedankte sich und verließ den Raum und das Haus.

      Das folgende Schweigen überbrückte Dick, indem er in aller Ruhe drei Tassen Tee einschenkte.

      Er fragte: „Ist es o. k., wenn ich jetzt Bal Johnson, den Geschäftsführer der „Hull-Travel-Shipping“, dazurufe?

      Susan nickte zustimmend, sagte: „Ihr entschuldigt mich bitte, ich habe Anschlusstermie!“ Sie entfernte sich.

      Dick erklärte: „Wir besichtigen das Haus und die Wohnung gemeinsam mit Bal. Der hat hier die Funktion des Hausherrn!“

      Bal Johnson betrat den Raum, Alter etwa vierzig Jahre, große, athletische Figur, im Ganzen sehr gepflegt. Robert fand ihn sympathisch.

      Dick stellte Robert vor: „Kapitän mit langer Seeerfahrung, ehemals Schiffskonstrukteur bei der DF-Werft, geboren und aufgewachsen in Hull-Country, beste Revierkenntnisse!“

      Beeindruckt schaute Bal Robert an. Er stellte sich selbst vor: „Bal Johnson, verheiratet, zwei Kinder, Nautikstudium und Wirtschaftsstudium, zwei Jahre praktische Seeerfahrung als Dritter Offizier auf einer Großfähre. Sechs Jahre Leitung des Kundenmanagements bei einer Fährrederei. Seit drei Jahren Geschäftsführer der DF Tochterfirma „Hull-Travel-Shipping“!

      Dick erklärte die Firmenphilosophie: „Unsere Motor- und Segelyachten sind technisch High-End-Produkte in Luxusausführungen. Unsere Qualitätsstrategie begleitet den Schiffbau von A bis Z, d. h. bis zur hier stattfindenden Übergabe fertiger Schiffe an den Kunden, und das bedeutet:

      1 Das sorgfältige Einarbeiten des Kunden in die Schiffstechnik.

      2 Das komplette Handling der Schiffe im Fahr- und Liegebetrieb.

      3 Den Kunden die Luxusqualität des Produktes praktisch erfahrbar machen.

      Bal Johnson fuhr fort: „Jedes der drei Übergabekriterien lassen wir durch ein darauf spezialisiertes Team ausführen. Für die Schiffstechnik ist es ein mit dem Produkt vertrauter Ingenieur mit seinem Team. Für das Handling benötigen wir einen Kapitän, der das Produkt kennt und Probefahrten mit den Kunden hier im Revier durchführt. Die Vermittlung der Luxusqualität ist bei uns Aufgabe einer damit vertrauten Mitarbeiterin!“

      Robert fragte: „Sollte ich also zum Einsatz kommen, so beträfe das Kriterium zwei?“

      Ja, bestätigten Dick und Bal: „Für Kriterium zwei ist eine Rundfahrt um Hull-Island für zwei Tage vorgesehen, in der ein Ankermanöver, z. B. in einer Bucht ohne Pier, mit einer Übernachtung auf dem Schiff enthalten ist!“

      „Und wie häufig findet das statt?“, fragte Robert.

      „Etwa zweimal in der Woche, die Käufer bestimmen, an welchen Wochentagen die Fahrteinweisung stattfindet. Allerdings sind davon ausgeschlossen Samstag, Sonntag und Feiertage“, erklärte Bal. „Das Honorar für den Kapitän beträgt 400 Dollar je Einsatztag!“

      „Mit wie viel Kapitänen arbeitet ihr zurzeit?“

      „Derzeit mit zwei Kapitänen. Es gibt Zeiten, in denen wir vier Kapitäne einsetzen müssten!“

      „Wie würde meine Einarbeitung ablaufen?“

      „Sie nehmen an den drei Kriterien einer Schiffübergabe als Zuhörer teil, dann erarbeiten Sie nach ihrer eigenen Vorstellung ein Konzept zu Kriterium zwei. Das besprechen wir und bringen es in eine Gebrauchsform. Als Nächstes erproben Sie ihren Plan mit einem Yachtkäufer in der Praxis, wobei unsere Kollegin für Kriterium drei Sie begleitet und Sie berät!“

      „Das hört sich wirklich gut an. Ich würde es gerne versuchen!“, bestätigte Robert.

      „O. k.“, sagte Bal. „Wann können Sie anfangen?“

      Robert: „Sofort!“

      Sie tauschten Rufnummern und vereinbarten, dass Bal sich meldet, wenn ein Durchlauf gestartet werden kann.

      Dick schlug vor, jetzt das Haus und die Wohnung zu besichtigen.

      Zur Besichtigung der Wohnung verließen sie das Haus durch den Haupteingang am Westbay Boulevard und gingen zur Rückseite des Hauses, dort, wo Roberts Dinghy am Pier lag. An der Rückseite des historischen Hauses befand sich ein vollkommen verglaster Anbau, der eine Haustüre, einen Flur, einen Treppenaufgang und einen Fahrstuhl enthielt. Mit dem Fahrstuhl fuhren sie in das Dachgeschoß. Alle Gläser des Anbaus waren verspiegelt, sodass man von außen nicht hereinsehen, aber von innen hinaussehen konnte.

      Im Dachgeschoß führte eine Wohnungstüre in eine geräumige Diele, die durch ein Oberlicht mit Tageslicht durchflutet war. Es gab zwei Schlafzimmer, ein Badezimmer, eine Einzeltoilette, einen Küchenraum und einen Wohnraum mit Balkon.

      Robert staunte! Die Wohnung war komplett eingerichtet mit Möbeln und Accessoires im Jugendstil. Im Vergleich zu den Wohnverhältnissen in Boganson-Cottage handelte es sich hier um eine luxuriös ausgestattete Wohnung.

      Verwundert fragte Robert: „Gehört die Einrichtung zur Wohnung?“

      Dick bestätigte: „Ja, soviel ich weiß, wurde die Wohnung von deinen Eltern eingerichtet. Dein Grandpa hat, als deine Eltern nicht zurückkehrten, angeordnet, die Wohnung unberührt zu verschließen!“

      Robert dachte: „Wie war es möglich, dass seine doch mittellosen Eltern eine solch luxuriöse Wohnungseinrichtung finanzieren konnten?“ Aber das wollte er in Gegenwart der beiden Männer nicht erörtern.

      Dick händigte Robert die Wohnungsschlüssel aus. Sie verabschiedeten sich.

      12.

      Robert fuhr mit seinem Dinghy zum nächsten Termin bei den „Hull-City-Rollers“.

      Er steuerte das Dinghy zurück in den C1, von dort kurz in den Central-Channel und dann in den Circle. Es war etwa 13 Uhr, nicht genügend Zeit, um noch einmal bei Antonio im Amiral vorbeizuschauen.

      Er fuhr weiter in den East-Channel bis Middle-East. An der Nordseite des Kanals breitete sich der UNI-Campus aus. Er sah keinen freien Liegeplatz für sein Dinghy. An der Südseite des Kanals gab es freie Liegeplätze. Dort legte er an, wechselte seine Kleidung aus der mitgebrachten Sporttasche, nahm den Gitarrenkasten und ging zu Fuß über die Channelbrücke zur Nordseite. Die freie Durchfahrthöhe an allen Brücken des East-Channel betrug acht Meter. Oben auf der Brücke hatte er eine gute Übersicht auf die Ausdehnung des UNI-Campus nach Norden zur Abbruchkante.

      Im Zentralgebäude der UNI erkundigte er sich nach der Musikfakultät. Dort angekommen, ließ er sich den Weg zum Musikübungsraum erklären. Auf einem der Flure traf er auf Kim Harvester. Sie erkannte ihn sofort, als er sie ansprach. Sie begrüßte ihn freudig: „Schön, dass du da bist. Die anderen sind auch schon eingetroffen, sodass wir gleich loslegen können!“

      Im Übungsraum begrüßten ihn die Rollers mit Faustdrücken. Ein Junge, den Robert nicht in der Rollers-Formation am vergangenen Samstag gesehen hatte, wurde ihm vorgestellt: „Pete Hamilton, 17 Jahre, Schüler!“ Die Rollers arbeiteten daran, Pete zum Bassisten auszubilden. Das nahm Robert erleichtert zur Kenntnis, denn mit ihm, der Vater einiger Bandmitglieder hätte sein können, würde die Jugendband ein Imageproblem bekommen.

      Robert nahm seine Bassgitarre aus dem Kasten. Die beiden Bandgitarristen