Ulrich Winterfeld

Da staunt selbst Amor


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oder doch lieber brav bleiben?

      Endlich ist das Liebesleben eines Tieres (fast) vollständig erforscht, das selbst sexaktiven menschlichen Wesen Hochachtung abnötigen sollte. Der possierliche Präriehund, der inzwischen aus Nordamerika zu uns gewandert ist, wiegt 800–1400 g und wird bis zu 35 cm groß. Er lebt gerne in der Gemeinschaft mit bis zu über 100 000 ArtgenossInnen in komplizierten Höhlensystemen.

      Ein männlicher Präriehund schläft im Winter bis zu einem halben Jahr, und er muss auch ausgeruht sein, denn er betreut drei bis vier Weibchen. Diese sind nur fünf Stunden im Jahr begattungsfähig – hoffentlich nicht alle auf einmal! Daher frisst sich das Präriehund-Männchen vorher ordentlich Kraft an, seine Hoden vergrößern sich. Die Weibchen signalisieren ihre Paarungsbereitschaft damit, dass ihre Vagina um das Dreifache feuerrot anschwillt.

      Nach dem Begattungsakt – leider unter Tage – verplombt das Männchen die Vagina des Weibchens mit einem Saft, der sofort gerinnt. Was macht das Weibchen? Es reißt sich die Plombe raus, weil vielleicht noch drei Stunden Begattungszeit bleiben und etwas Besseres als der eigene Herdenführer kommen könnte.

      Da weiß man, dass die Nachkommenschaft gesichert ist, es sei denn, ein böses Nachbarweibchen (vielleicht eine neidische Stiefschwester?) bringt die Brut ihrer lieben Mitbewohnerin um. Ein bei den Präriehunddamen übliches Verhalten.

      Nicht nur der Sex der Präriehunde ist beneidenswert, sie sind neben den Bonobos die einzigen Tiere, die sich mit einem Zungenkuss begrüßen. Wenn sie sich nach dem Kuss angewidert schütteln, muss es jemand aus einer anderen Sippe gewesen sein, was ja auch bei den Menschen vorkommen soll.

      Und noch eine Besonderheit: Der Präriehund macht Luftsprünge, die sog. Jump-Yips, allerdings nicht aus Freude, sondern um Angreifer zu verwirren. Oft springen die Tier in Gruppen als La-Ola-Welle (kennen wir vom Fußball), wenn der gerade als Ausguck tätige Artgenosse durch ein ausgesprochen differenziertes Bellen Entfernung, Größe und Art des herannahenden Feindes gemeldet hat. Feindliche Klapperschlangen sollen von den Sprüngen schon so nervös geworden sein, dass sie (ohne Beute) flüchteten.

      In seiner US-Heimat ist der Präriehund allerdings nicht so beliebt, was daran liegen mag, dass schon tapfere Sheriffs zu Pferde in einem Höhlensystem dieser netten Tiere komplett versunken sind, vielleicht während diese gerade beim massenhaften Begatten und Versiegeln waren.

      Das sind Zahlen: 14,7 Mio. Katzen, 10,1 Mio. Hunde, 5,2 Mio. Kleintiere (z. B. Hasen) und 4,0 Mio. Ziervögel bevölkern die deutschen Haushalte. Insbesondere Hunde sind im Trend. Züchter können sich vor der Nachfrage nicht mehr retten. Denn: Hunde verbessern – nach wissenschaftlichen Untersuchungen, die allerdings von der Heimtierindustrie finanziert wurden – durch regelmäßige Spaziergänge die Kondition und das Immunsystem, sie erfüllen soziale und emotionale Bedürfnisse, sie sind dankbar im Gegensatz zu manch menschlichem Partner. Und beim Kuscheln mit dem Hund wird das Glückhormon Oxytocin ausgeschüttet.

      Vertreter anderer Kulturkreise (zum Beispiel Afrikaner) können nicht verstehen, warum in Deutschland Hunde nicht nur in der Wohnung ihrer Besitzer leben, sondern sogar mit ihnen in einem Bett schlafen, verwöhnt, umsorgt und geherzt werden.

      Störend wirkt da auch ein bekannter Sexualwissenschaftler, der in seinem vor Kurzem erschienenen Buch auf einen bereits 2005 veröffentlichten Essay über den Umgang mit Haustieren verweist. Er verstieg sich schon damals zu der These einer „Diversifizierung der Intimbeziehungen“ (oho!) und kam zu dem Schluss, dass man hier schon getrost von einer „Kultursodomie“ sprechen könne. Das Tier als (Liebes-?)Partner könne man im Haus „halten“, im Freien „anleinen“ und auf Gedeih und Verderb „besitzen“. Einen Traum, den vielleicht einige von uns auch für ihren menschlichen Partner hegen. Von der Fürsorge und Fütterung ganz zu schweigen. Müssen wir fürchten, dass ein Verhältnis mit einem Tier irgendwann als Lebenspartnerschaft öffentlich und rechtlich anerkannt wird?

      Eine Sexualwissenschaftlerin befürchtet gar, dass in Zukunft die quasisexuellen Beziehungen zu Tieren nahtlos in Sex mit Robotern übergehen werden. Das wäre allerdings zumindest für Singles sinnvoll, die ihren Liebling zu Hause z. B. durch häufige Geschäftsreisen oder Urlaube nicht immer hund-, katzen- oder vogelgerecht versorgen können.

      Wer sich Reportagen von Pudel-Klubs ansieht, zu denen gerade Frauen im mittleren Alter ihre Lieblinge mitbringen, wird schnell merken, dass hier die Atmosphäre geradezu sexgeladen ist.

      Daher passt in diesen Zusammenhang sehr gut die folgende Geschichte, die uns ein Leser zugesandt hat.

      Aus dem Schloss derer von Hartleck in Niedersachsen kommen seit über 100 Jahren edle Reitpferde, auf deren Rücken 12 bis 14-jährige Jungamazonen bei Trab und Galopp ihren ersten Orgasmus erleben durften.

      Aufgrund dieser guten Erfahrung und dem zu erwartenden Käuferpotenzial haben sich die Schlossbesitzer seit nunmehr zehn Jahren einem anderen Arbeitsgebiet zugewandt, der Pudelzucht.

      Pudel sind bekanntermaßen überaus gelehrige Tiere. Sie stammen ursprünglich aus Frankreich und wurden dort zum Apportieren von geschossenem Federvieh aus Teichen und Flüssen gezüchtet. Sie haben also von Natur aus keine Angst vor Feuchtgebieten.

      Heute sieht man sie im Zirkus durch brennende Reifen springen, ein trainiertes Risikoverhalten, wie wir es von keiner anderen Hunderasse kennen. Sie sind zutraulich, anschmiegsam, bei guter Pflege (insbesondere Haarpflege) schön anzusehen und – das hat die Neurowissenschaft ergeben – schütten durch innigen Kontakt beim Menschen so hohe Mengen von Glückshormonen aus, wie wir es ansonsten nur bei Kontakten mit Hausschweinen kennen.

      Schon in vorigen Jahrhunderten hielten sich wohlhabende Damen sogenannte „Schoßhunde“, deren Ausbildung allerdings ausschließlich im persönlichen Geschick der jeweiligen Besitzerin lag, mit allen positiven, aber auch negativen Folgen. So schrieb bereits 1784 der Braunschweiger Hofmedicus Eckebrecht Heimbold über die unglückseligen Oberschenkelbisse und deren Behandlung beim weiblichen Geschlechte.

      Heute werden Pudel nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen der Trainingslehre ausgebildet. Neben reinen Tiertrainern haben sich auch ehemalige Trainer von Leistungssportlern für diese Aufgabe qualifiziert. Schließlich wird das gesamte Pudeltraining auf Schloss Hartleck von einem Board of Quality überwacht, dem immerhin ein promovierter Hundepsychologe vorsitzt.

      Die praktische Ausbildung der Vierbeiner beginnt mit aufblasbaren Puppen eines bekannten Erotik-Versandhauses. Für die Spurenlegung zum Ort des Einsatzes hat sich die Sprühsahne GLÜCKLICHES KLEEBLATT

aus dem Hause Knüllermilch bewährt. Die Einsatzfreude, d. h. die Motivation der Tiere, wird durch Videoclips mit glücklichen Pudeln gefördert, und zwar über Minimonitore, die in den Köpfen der Demopuppen installiert werden.

      Leider gibt es unter den Tieren – wie bei Menschen auch – arbeitswütige und faule. Beide sind leider nicht zu gebrauchen, die einen wegen Verletzungsgefahr, die anderen wegen ausbleibender Arbeitsergebnisse. Der mittelmotivierte Pudel muss von Tierdiagnostikern rechtzeitig erkannt werden, um nur die wirklich Geeigneten in dieses kostenintensive Trainingsprogramm aufzunehmen.

      Gegen Aufpreis kann man auch Pudel erwerben, die bereits in Realsituationen geübt haben, zum Bespiel an weiblichen Testpersonen im mittleren Alter, die sich gerne freiwillig und lustvoll an der Ausbildung beteiligen.

      Der Verkauf der ausgebildeten Tiere erfolgt ausschließlich über das Internet – nicht im Darknet! – (www.schossglück.de).

      Je nach Charakter des Tieres gibt es natürlich Preisstufen. Die Übergabe des neuen Lieblings erfolgt – wie beim

      Neuwagen für den Mann – in einer würdigen Zeremonie auf dem Schloss, umrahmt von lustvollen Gesängen des schlosseigenen Pudelchors.

      Die glückliche Käuferin bekommt noch ein Demovideo mit über den Einsatz des Schoßhundes zu Hause und natürlich eine 24-Stunden-Servicenummer, falls