Schmerz nicht länger ertragen, es verdrängt und verleugnet ihn und damit auch die Gefühle für die Eltern. Nach außen wirkt das Kind zwar wieder aufgeschlossener, und es versucht sein Bestes aus der Situation zu machen. Häufig ist jedoch zu beobachten, dass die Kinder in dieser Situation von ihren Eltern keine Notiz mehr zu nehmen scheinen und sich nicht mehr für sie interessieren – sie haben die Trauer verdrängt. Es handelt sich hier nicht um einen Adaptationsvorgang, sondern um eine ernste seelische Krise der Kinder. Um Verhaltensstörungen, Angstneurosen und seelischen Hospitalismus zu vermeiden, ist also ein intensiver und tragfähiger Kontakt zwischen Eltern und Kindern vonnöten.
Krankenhaus-pädagogik
Pädagogen sollten Eltern die dafür notwendige Hilfe geben. Das fängt bei Beratung auch in finanzieller und arbeitsrechtlicher Hinsicht an, geht weiter über systemische Familienberatung und Familientherapie (auch gesunde Geschwisterkinder sind hierbei mit einzubeziehen) und führt schließlich zu psychoedukativen Gesprächen. Bei diesen werden Eltern über die kindlichen Adap-tations- und Verarbeitungsmöglichkeiten körperlicher Krankheit informiert. Der Krankenhauspädagogik kommt darüber hinaus auch eine pädagogisch-therapeutische Aufgabe in Bezug auf die kranken Kinder zu. Diese können häufig erst im Spiel, in der Zeichnung, in der Musik und bei anderen kreativen Gestaltungsmöglichkeiten über ihre Ängste, Nöte und Sorgen berichten.
Neben den quasi therapeutischen Aktivitäten ist die Hauptaufgabe eines krankenhauspädagogischen Dienstes aber die, Kindern auch bei längerem Krankenhausaufenthalt ein adäquates Umfeld zu geben, das ihre kindliche Entwicklung ermöglicht und perpetuiert. Auch kranke Kinder sind nicht in erster Linie Patienten, sondern Kinder. Einerseits ist unbestreitbar, dass die primäre Aufgabe eines Krankenhauses in Diagnostik, Therapie und Pflege besteht. Das Primat ärztlicher und pflegerischer Tätigkeit soll nicht bestritten werden. Andererseits ist als „dritte Säule“ der Begleitung kranker Kinder auch die Pädagogik vonnöten. Ihr muss ein neben dem medizinisch-pflegerischen Aspekt ausreichendes räumliches, zeitliches und personelles Gewicht zugestanden werden.
Im Zusammenhang mit Krankheit und Behinderung, insbesondere aber im heilpädagogischen Diskurs, gilt es, auch ethische Fragestellungen zu beachten. Dabei versteht man unter dem griechischen Begriff des „Ethos“ die Gewohnheit, die Sitte und den Brauch, im weiteren Sinne auch das Bestreben, auf der Grundlage von Überlegung und Einsicht in einer Situation das erforderliche Gute zu tun (Dederich, in: Greving 2007, 211). Nun ist dieses Bemühen zweifellos als ein Prozess anzusehen, der in soziokulturelle Rahmenbedingungen eingebettet und bisweilen einem Erosionsprozess ausgeliefert ist. Somit ist es sinnvoll, ethische Grundsätze zu untersuchen, zu reflektieren und moralisches Handeln zu begründen, was der Kern der „Ethik“ ist. nach Dederich sind in der gegenwärtigen Behindertenpädagogik ethische Fragestellungen aus drei Gründen von Bedeutung:
Zum einen sind dies Gründe systematischer Art, weil sich Heilpädagogik mit Fragen ihrer eigenen Legitimation und ihres Selbstverständnisses beschäftigen muss, wenn sie den ihr anvertrauten Klienten ein gutes, gelingendes und teilhabendes Leben (unter anderem durch Bildungsangebote und Gesundheitsversorgung) ermöglichen will. Zum Zweiten führen gravierende gesellschaftliche Veränderungen durch Fortschritte in den Naturwissenschaften, insbesondere der Biomedizin, zu neuen ethischen Herausforderungen, auf die gleich noch näher eingegangen wird. Und drittens führen soziokulturelle Entwicklungen zu Lebenswirklichkeiten, die unmittelbar Inklusion und Exklusion beeinflussen und im Rahmen der sogenannten „Utilitarismusdiskussion“ ebenfalls ethische Fragestellungen aufwerfen. Dederich nennt eine Reihe von Problemen und Erfahrungsfeldern, die mit besonderen ethischen Herausforderungen verbunden sind:
1.Die sogenannte „optionale Geburt“, die sich aus Möglichkeiten (und Gefahren) von Gentechnologie, Pränataldiagnostik, Präimplantationsdiagnostik sowie Fertisilationstechnologie ergeben.
2.Die Möglichkeit von „Spätabtreibungen“ hat zu heftigen Diskussionen (Stichwort: Kind als „Schaden“) geführt.
3.Mit der eben schon genannten Reproduktionstechnologie und der damit ggf. verbundenen Selektion entflammte eine erneute Kontroverse um eugenische Fragestellungen, also der „Auswahl von erhaltens- und schützenswertem Leben“.
4.Solche eugenischen Fragestellungen finden sich auch, wenn es um Dauer und Umfang lebenserhaltender bzw. lebensverlängernder Maßnahmen (auch bei Menschen mit schweren Behinderungen oder z. B. im Wachkoma) geht.
5.Genereller stellt sich die Frage der Eugenik bei der Stamm-zellforschung und beim therapeutischen sowie reproduktiven Klonen bzw. der sogenannten „verbrauchenden“ Embryonenforschung.
6.In einer Reihe von eugenischen, aber auch anderen bioethischen Überlegungen findet sich zunehmend auch eine Untersuchung von Nutzen und Kosten im Rahmen ökonomisierender Bemühungen, was meist als „Utilitarismus“, also dem größtmöglichen Nutzen für eine größtmögliche Anzahl von Menschen, bezeichnet wird.
7.Auch wenn es darum geht, die unveräußerliche Person eines Menschen in ihrer Einzigartigkeit zu sehen, deren Menschenrechte und Menschenwürde es zu betonen und zu erhalten gilt, ist man auf ethische Diskurse angewiesen. Dabei geht es, wie Dederich richtig betont, „keineswegs nur um medizinische Spezialprobleme, sondern um eine viel grundsätzlichere Ebene, nämlich um das Verhältnis unserer Gesellschaft zu (von ihr selbst produzierten) Randgruppen und Minderheiten – zu denjenigen, die als anders, abweichend, nicht passend etc. eingestuft werden. In dieser Hinsicht verweisen die Pläne der „Bioethik“ auf ein sozialethisches Grundproblem, nämlich auf das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren behinderten Mitgliedern.“ (Dederich in Greving 2007, 215).
8.Ethik kann also auch als Schutzbereich, als eine Antwort auf potenzielle Gefährdungen behinderter und als Minderheit erlebter Menschen gesehen werden. Hierbei geht es um die Anerkennung von Vielfalt und Differenz und die Erkenntnis, dass der Mensch in seiner Sensibilität und Verwundbarkeit und Endlichkeit einmalig und einzigartig ist, so dass jeder Mensch (nicht nur der behinderte Mensch) auf unser aller Verantwortung für andere Menschen verweist. Mit dem Verzicht auf eine Negativbewertung von Behinderung und der Anerkennung von Vielfalt und Differenz geht letztlich auch eine Inklusion einher, also die Erkenntnis, dass auch behinderte Menschen konstituierende Mitglieder der Sozietät sind.
Kurz soll noch wegen der Bedeutung im gegenwärtigen Diskurs auf die Begriffe „Euthanasie“ und „Eugenik“ eingegangen werden.
Euthanasie
Euthanasie (gr.: eu = gut, thanos = Tod) meint einen „schmerzlosen und würdigen“ Tod. Belastet ist dieser Begriff durch Diskussionen Ende des 19. sowie des gesamten 20. Jahrhunderts, bei denen Euthanasie mit der Tötung schwer bzw. unheilbar Erkrankter einherging. Wurde zunächst straffrei die Tötung von Menschen auf deren eigenes Verlangen diskutiert, so ging es später auch um die Tötung von Menschen, die sich aufgrund schwerer Verletzungen oder Behinderungen hierzu nicht (mehr) äußern konnten (Neugeborene mit schweren Behinderungen, Komapatienten). Insbesondere im verbrecherischen System des Nationalsozialismus werden eugenische mit euthanasie-bezogenen Aspekten verbunden, was zunächst zu einem theoretischen, menschenverachtenden Diskurs (Stichworte: „Nutzlose Esser, Ballastexistenzen“) führte. Bald darauf jedoch wurden diese Menschen in großer Zahl ermordet. Rezente Diskussionen zur Straffreiheit des Tötens auf Verlangen oder zur sog. Sterbehilfe (nicht zu verwechseln mit Sterbebegleitung, s. u.) differenzieren zwischen aktiver Sterbehilfe (dem Töten auf Verlangen), passiver Sterbehilfe (dem Abbruch oder der Unterlassung lebenserhaltender Maßnahmen) sowie indirekter Sterbehilfe (beispielsweise der Gabe von Schmerzmitteln mit der unbeabsichtigten Nebenwirkung des schnelleren Todeseintritts). Auf diese sehr komplexe Diskussion, auch im Zusammenhang und ggf. in Abgrenzung von Patientenverfügungen, ebenso wie beispielsweise die Rechtslage in den Niederlanden oder in der Schweiz, kann hier nicht näher eingegangen werden – es wird auf den ausgezeichneten Übersichtsaufsatz von Michael Wund (in Greving 2007, 24ff.) hingewiesen. Darin wird u. a. auch auf die Gefahr der Ausweitung der passiven Sterbehilfe, beispielsweise bei Menschen mit schwerer geistiger Behinderung, im Wachkoma oder bei Demenzerkrankungen