Krankheitskeimen umzugehen, und ist immun gegen die in der freien Wildbahn auftauchenden Krankheitskeime. Manchmal muss parallel eine Passivimpfung durchgeführt werden, bei der den gefährdeten Personen Antikörper in Form von Seren appliziert werden. So dient z. B. bei der Tetanusimpfung nach akuter Gefährdung die Passivimpfung dazu, eine akute Infektion zu verhindern. Die parallel durchgeführte Aktivimpfung triggert das Immunsystem, um einer späteren nochmaligen Tetanusinfektion vorzubeugen.
Chronische Erkrankungen: Das chronisch kranke Kind muss sich über lange Zeit mit den Folgen seiner Schwierigkeiten und Krankheiten auseinander setzen und daran adaptieren – sinngemäß Ähnliches gilt auch für sein familiäres Umfeld. Dabei sind in diesem psychosozialen Adaptationsprozess Krankheitsbedingungen, Entwicklungsdimensionen, die Reaktionen der sozialen Umwelt sowie das familiäre Reaktionsgefüge von ausschlaggebender Bedeutung.
Psychosomatische Störungen: Eine weitere Kategorie kindlicher Erkrankungen besteht in psychosomatischen Störungen des Kindesalters. Als Beispiel wird in Kap. 9 die Enuresis aufgeführt. Einem psychosomatischen Symptom liegt oft eine enge Wechselwirkung zwischen psychischer Störung oder Not und körperlicher Manifestation zugrunde. Dabei sind einseitige Schuld- und Kausalitätszuweisungen fehl am Platze.
So kann beispielsweise im Einzelfalle die Adipositas als Folge einer Deprivation oder Depression und als Versuch, orale Lustbefriedigung anstelle anderer tragfähiger Frustrationsbewältigungsstrategien zu finden, gesehen werden. Andererseits führt die Adipositas mit den damit verbundenen möglichen Stigmatisierungen, Hänseleien oder Isolierungstendenzen und Insuffizienzgefühlen reziprok wiederum oft zu vermehrtem depressivem Rückzug. Dies kann in einer Endlosschleife erneute orale Lustbefriedigung zur Folge haben. Körperliche und seelische Dimensionen verstärken sich also in einem zirkulären Prozess. Es gibt psychosomatische Störungen, bei denen eher die körperliche Dimension, andere, bei denen eher die seelische Dimension im Vordergrund steht.
Psychische Krankheiten: Psychische Krankheiten im Kindes- und Jugendalter sind von zunehmender Bedeutung und betreffen Medizin wie Heilpädagogik gleichermaßen: Depressionen und Angstsyndrome beispielsweise sind zweifellos Krankheiten des Kindes- bzw. Jugendalters, jedoch manifestieren sie sich vorwiegend auf der seelischen Ebene. Näheres hierzu in Kap. 9.
Behinderungen: Auf Behinderungen im Kindes- und Jugendalter wird in den folgenden Kapiteln detailliert eingegangen. Als exemplarische Beispiele werden u. a. Autismus und geistige Behinderung beschrieben.
Parasitäre Erkrankungen: Für die Pädagogik sind parasitäre Krankheiten insofern von einer gewissen Bedeutung, als sie einerseits epidemiologisch, andererseits hinsichtlich ihrer psychosozialen Stigmatisierung belastend sein können.
So können beispielsweise Juckreiz, zerkratzte Stellen und weiß anhaftende Strukturen an den Haaren Hinweise auf einen Befall mit Kopfläusen sein. In einem solchen Fall müssen nicht nur die Haare hinsichtlich des Befalls mit Läusen, sondern auch der Nissen, der oft fest anhaftenden Eier behandelt werden.
Auch die Krätzmilbe geht mit außerordentlich starkem Juckreiz, vor allem nachts und in Wärme, einher. Kratzspuren an den Händen, insbesondere in den Fingerzwischenräumen, sind charakteristisch, ebenso Milbengänge in diesem Bereich. Krätzmilben verbreiten sich vor allem bei Körperkontakt sowie engem Zusammenleben und einem Nichttrennen der Wäsche. Dies erfordert u. a. eine ausreichend lange Behandlung der Betroffenen, aber auch das Abkochen der Wäsche bzw. Spezialbehandlung nichtkochbarer Wäsche. Falls erforderlich, muss das gesamte familiäre Umfeld behandelt werden.
An diesen beiden Beispielen (zu nennen wären noch weitere, wie z. B. der Befall mit Flöhen) zeigt sich, dass parasitäre Erkrankungen häufig dann auftauchen, wenn Menschen auf engstem Raum zusammenleben. Zwar können mangelhafte hygienische Verhältnisse solchen Erkrankungen Vorschub leisten, doch muss dies keineswegs zwangsläufig der Fall sein. Kinder können sich auch auf einem Kindergeburtstag mit einem der eben genannten Erreger infizieren und der Befall von Kopfläusen oder Krätzmilben ist keineswegs zwangsläufig mit sozial schwierigen Verhältnissen gekoppelt.
Stigmatisierung
Dennoch kann der Befall mit diesen Krankheitserregern sozial in besonderer Weise stigmatisierend sein – insbesondere deswegen, weil die Kinder erst dann wieder in den Schulunterricht kommen dürfen, wenn eine Heilung durch den Kinderarzt bzw. das Gesundheitsamt bestätigt wurde. Aufgabe einer möglicherweise stattfindenden begleitenden Pädagogik ist hier nicht nur die hygienischen Maßnahmen, sondern auch die potenziellen sozialen Stigmatisierungsphänomene sowie die individuellen seelischen Kränkungen zu kennen und empathisch aufzuarbeiten.
Das Kind im Krankenhaus
Schließlich soll noch kurz auf das Kind im Krankenhaus eingegangen werden. Kinder können zum einen wegen kurzfristiger und temporärer Störungen (z. B. Operationen) in ein Krankenhaus eingewiesen werden. So dramatisch dieses Geschehen im Erleben von Kindern und Eltern ist, so schnell ist es unter günstigen Bedingungen aber auch erledigt und verarbeitet. Anders sieht es aus, wenn Kinder beispielsweise aufgrund einer Krebserkrankung über lange Zeit, mitunter Monate oder sogar Jahre, immer wieder einmal ins Krankenhaus müssen und dieses fast schon zum „zweiten Zuhause“ wird. Meist ist das Kind im Krankenhaus einer großen Anzahl ihm unbekannter Funktionsträger und Menschen ausgesetzt und kann dies nur schwer in sein Erleben integrieren. Das Krankenhaus ist eine Welt mit Instrumenten, Geräten und Operationssälen, endlos langen Gängen, vielfach sich gleichenden Türen, eigenartigen Gerüchen, vielen fremden Menschen unbekannter Herkunft und noch unbekannterer Kleidung. Diese ist dem Kind oft sehr fremd und lässt es sich nach einer vertrauten Umgebung sehnen. Die Krankenhaus-atmosphäre kann das Kind verwirren und schwer überschaubar sein.
Mit Hilfe der Eltern ist es leichter, diesen Zustand zu ertragen und sich auf die Begegnung mit neuen Menschen einzulassen. Die Verunsicherung schreitet fort, wenn Kinder in fremden Umgebungen und von fremden Menschen mit Untersuchungen und Maßnahmen konfrontiert werden, die sie als bedrohlich empfinden. Untersuchungen, Spritzen, Fieber messen, Verband wechseln und präoperative Vorgänge können zu Ängsten, mitunter auch zu Schmerzen führen. Unzählige, insbesondere ungewohnte Dinge verunsichern das Kind und müssen von geduldigen und verständnisvollen Eltern und Pädagogen aufgefangen oder bearbeitet werden. Trennung von den Eltern kann den Stress zusätzlich erhöhen, weswegen die Anwesenheit der Eltern so weit wie möglich von Nutzen ist. Die fremde Umgebung bedarf vertrauter Bezugspersonen, ausreichender Vorbereitungszeit, bekannter Gesichter etc.
Fremde Pflegepersonen sollten von den Eltern vorgestellt und positiv konnotiert werden. Wechselnde Pflegepersonen könnten durch Gruppenpflege oder ein Bezugspflegesystem ergänzt werden. Unverständliche Signale oder medizinische Fachsprache bedürfen der Übersetzung in eine kindgemäße Sprache, die von dem Kind auch verstanden werden kann, wobei auf die oben schon genannte Symbolik einzugehen ist. Auch die Nahrung und der Tagesablauf können als ungewohnt und unbekannt klassifiziert werden. Ähnliches gilt für Erziehungsstil u. a. Anforderungen, die im positiven Falle von Krankenschwestern, pädagogischem Personal und Eltern gemeinsam abgesprochen werden. Auch sollten alle beteiligten Erwachsenen auf noch nicht verstandene Krankheitsphantasien, Ängste und inadäquate kindliche Auseinandersetzungen mit dem unbekannten Geschehen eingehen können. Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sind ebenfalls Faktoren, auf die Erwachsene Rücksicht nehmen sollten.
Hospitalisierung
Eine längerfristige Trennung von Kindern und ihren Eltern kann im Rahmen eines stationären Aufenthaltes zu schweren seelischen Hospitalisierungsschäden führen. Diese sind zunächst durch eine Phase des Protestes gekennzeichnet – Kinder protes-tieren energisch, lautstark und mitunter wütend gegen diese Trennung –, werden dann aber von einer Phase der Verzweiflung und schließlich der Verleugnung abgelöst. Deshalb ist es besonders wichtig, Eltern und Kindern viel gemeinsame Zeit zu ermöglichen. Geschieht dies nicht, kann in einer zweiten Phase der Verzweiflung das Kind zwar äußerlich ruhiger werden, zeigt allerdings zunehmende Apathie und Monotonie, hat wenig Interesse an der Umwelt und verfällt schließlich in eine