Uschi Ballboa

MidlifePunks


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ich auf vier: Sockenschublade, Wäscheständer, Dreckwäschekorb oder auch gerne mal lecker verstaubt in Einzelausführung unterm Bett. Suchen hasst er ungefähr genauso sehr wie Warten, daher fragt er immer sofort mich, wenn etwas nicht an seinem Platz liegt. Es sind ja schließlich auch wir Frauen, die immer alles umräumen müssen, so dass man nichts wiederfindet. Mir wird sogar von Zeit zu Zeit unterstellt, ich würde Dinge absichtlich verstecken. Natürlich, das ist doch mein allerliebstes Hobby. Wenn ich abends aus dem Büro nachhause komme, dann fange ich sofort damit an. Aber als allererstes ziehe ich meine Schuhe aus und stelle sie in den Weg anstatt in den Schuhschrank. Wenn alles versteckt ist, muss ich nur noch warten bis er nachhause kommt. Sobald ich den Schlüssel im Schloss höre, stürme ich ins Bad und blockiere erst mal das Klo. Das absolviere ich, seiner Meinung nach, mit purer Absicht. Und wenn er sich da so drüber aufregt, klingt es, als würde ich das Tag für Tag veranstalten. Klar, ich habe ja auch sonst nichts anderes vor, als Rio langfristig mit einem ausgeklügelten Plan zu desensibilisieren, was Stolpern, Suchen und Warten angeht. Ich hatte mal eine Freundin, die mir allen Ernstes verklickert hat, dass ihr Mann ihr Hobby geworden ist und sie deswegen nur noch sehr wenig Zeit für mich haben wird. Was habe ich mich bei diesem Satz erschrocken. Wer will denn sowas? Wenn man Evje Van Dampen glaubt, dann ist Liebe = Arbeit + Arbeit + Arbeit. Und ich bin der Meinung, dass man bei viel Arbeit unbedingt ein ausgleichendes Hobby haben sollte. Wer also die Arbeit zum Hobby macht, ist selber schuld. Ich mach da jedenfalls nicht mit. Aber ein richtiges Hobby könnte ich zurzeit wirklich gut gebrauchen. Am besten regelmäßig, komplett männerfrei und mit einer ordentlichen Schippe Spaß. Die kommt sowieso immer zu kurz.

      „Mach doch eine Weiberband auf“, schlägt Rio vor. Er nun wieder. Was für bescheuerte Ideen der Mann manchmal hat: ich kann weder singen noch ein Instrument spielen. Außerdem weiß er doch, dass ich in der fünften Klasse beim Vorsingen direkt wieder aus dem Chor geflogen bin. Für ihn scheint das allerdings kein Hinderungsgrund zu sein. „Wieso rollst du mit den Augen? Denk‘ doch mal kreativ: Schon mal was von Punk gehört?“ Wird ja immer besser die ganze Nummer. Ich soll also mal kreativ denken, als ob mir das sonst völlig abgeht. Könnte ich es, würde ich jetzt an dieser Stelle die Provokations-Braue rausholen. „Super Idee“, rufe ich, „dann können wir ja demnächst gemeinsam auf Tour gehen!“

      Zu meinem nächsten Geburtstag habe ich dann prompt einen E-Bass samt Verstärker bekommen. Mit Ironie hat er’s ja so gar nicht. Sieht aber sehr cool aus, das Teil und steht seitdem in der Ecke. „Und wie läuft’s?“, fragt er so etwa zwei Wochen später beim Sonntags-Frühstück. Ich lasse die Zeitung sinken und gucke ihn an. „Womit?“, mir ist nicht klar worauf er hinaus will. „Na, mit Bass und Band natürlich.“ „Ich frühstücke gerade und lese Zeitung“, mache ich klar, um meine Ruhe zu haben. Ich hasse es, wenn er mich noch vor Ende des ersten Kaffees ausfragt. „Das sehe ich, aber das war nicht meine Frage“, lässt er nicht locker. „Läuft prima“, versuche ich die Sache für den Moment einfach mal abzukürzen. „Ach ja? Das ist ja toll. Wo probt ihr denn?“ „Was?“, ich war schon wieder im Artikel versunken. Ist aber auch wirklich spannend zu lesen, warum und wie sich Leute Fett aus dem Hintern ins Gesicht spritzen lassen, um die Falten wieder rauszudrücken. Sachen gibt’s. „Wo ihr probt?“, hakt er nach. „Wieso wir?“, eine Frage jagt heute Morgen die nächste, “Ich und mein Bass, oder wie?“ Ich verstehe nur noch Bahnhof. Was will der von mir? „Du und deine Band, hör mir doch mal zu!“, seine Stimme wird schärfer und die Braue zuckt auch schon wieder sehr verdächtig. Ich lege die Zeitung weg. „Ich hab‘ noch keine Band“, sage ich betont ruhig und schaue ihn an. „Ich denke es läuft prima?“, wundert er sich. „Tut’s ja auch“, versuche ich mich rauszureden, „Ich bin aber noch in der mentalen Vorbereitungsphase.“ Dabei bemühe ich mich um einen richtig ernsthaften Künstler-Gesichtsausdruck, der wohl auch Wirkung zeigt. „Ja Mensch Uschi, dann sag das doch gleich und lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.“ Ich will überhaupt nicht, dass mir irgendjemand irgendwas aus der Nase zieht. Ist ja ekelig. Weitere Fragen hat er nicht. Zumindest jetzt nicht.

      Drei Wochen später sind wir zu einem Geburtstag eingeladen. Wir konnten auch tatsächlich beide gemeinsam hingehen, da gig-freies Wochenende. Ich freu mich riesig, denn das ist doch eher selten der Fall. „Bist du soweit?“, die Badezimmertür fliegt auf, während ich mir gerade die Haare mache. „Nur noch die Haare, Pipi machen und los“, antworte ich. Er macht ein komisches Geräusch und schließt die Tür. „Fünf Minuten“, schreie ich ihm hinterher. Wieso muss er immer so einen Stress machen? Das macht er grundsätzlich, egal, ob wir noch gut in der Zeit liegen, wie es heute der Fall ist, oder nicht. Ich bin im Laufe der Jahre generell dazu übergegangen, einfach immer auf den letzten Drücker fertig zu werden. Dann hat er wenigstens einen Grund mich zu hetzen. Wir sitzen, nachdem wir natürlich mehr als überpünktlich angekommen sind, ganz gemütlich bei Kerzenschein in großer Runde im Lokal und haben gerade angefangen zu essen. Es ist ein wirklich tolles Ambiente, und ich genieße den Abend sehr. Bis zu dem Moment, als Rio links neben mir sich offenbar spontan entschließt, die vorübergehende Stille während des allgemeinen Suppenlöffelns mit leichter Konversation etwas füllen zu wollen: „Wisst ihr schon das Neuste? Uschi gründet ‘ne Weiber-Punk-Band!“ Er beantwortet seine Fragen auch gerne selbst, wenn kein anderer schnell genug ist. Ich verschlucke mich mächtig an einem Mettbällchen, fange würgend an zu husten und verspüre dabei fast so etwas wie Dankbarkeit, dass ich gerade nichts sagen kann. „Echt?“, die Runde ist erstaunt und lässt die Löffel sinken. „Jepp“, über-nimmt Rio für mich und es klingt fast ein bisschen stolz. „Uschi, ich wusste gar nicht, dass du ein Instrument spielst“, kommt Gero betont erstaunt um die Ecke. Noch während ich überlege, wie ich da nun rauskomme, antwortet Rio schon wieder für mich, obwohl ich das Bällchen mittlerweile längst in die richtige Röhre bugsiert habe und für mich selbst hätte antworten können:

      „Sie ist ja im Moment auch noch in der mentalen Vorbereitungsphase, stimmt doch Uschi, oder?“ Verflucht. Brennt der? Ich glaube, das Bällchen will nun wieder hoch und raus. „Jetzt sag doch mal“, lässt er nicht locker, aber dazu sage ich aktuell mal gar nix und gucke nur. Und zwar zornig entgeistert in Rios Richtung. „Toll!“, die Runde freut sich mit Rio und scheint meinen Blick anders zu deuten, „Wann können wir euch denn mal sehen?“ „Ich sag Bescheid“, mehr fällt mir dazu im Moment nicht ein und hoffe, das Thema ist vom Tisch.

      „Kann ich auch mitmachen?“, erwischt mich dann zu fortgeschrittener Stunde doch noch diese fast schon hinterhältige Frage von Gertrud. Ich stehe an der Theke und drehe mich um. „Was kannste denn spielen?“, gebe ich den Ball zurück. Ich habe mir für heute Abend fest vorgenommen, mich nicht mehr verrückt machen zu lassen. Dabei sollen mir Kurze helfen. Die ersten beiden habe ich schon vernichtet. „Was ist denn noch über?“ Ich mag Gertrud, aber manchmal ist sie echt eine blöde Kuh. „Bass ist schon besetzt“, ich merke, wie sich der Kräuterschnaps wärmend ausbreitet und entscheide einfach mal, ein bisschen mit zu spielen. Man muss es sich schon selber lustig machen.

      „Dann mach ich Gitarre, ja?“ Gertrud ist total aufgeregt. „Kannste das denn?“, ich erinnere mich nur ganz dunkel, dass sie mal in jungen Jahren am Lagerfeuer eine alte Klampfe in der Hand hatte. Aber wie das geklungen hat, kann ich nicht mehr sagen. Wenn‘s gut gewesen wäre, bin ich mir sicher, hätte ich mich erinnert. „Kann ich auf jeden Fall so gut wie du Bass.“ Potzblitz, das nenne ich mal eine spontane Antwort. „Na dann“, sage ich, „bist du natürlich dabei!“ und ordere zwei weitere Kurze damit wir das begießen können. Sie fängt an zu jauchzen, dreht sich wie ein Brummkreisel und als sie Gero entdeckt, stürmt sie auf ihn zu. Vom Drehen hat sie leichte Richtungsprobleme und entscheidet sich daher, mittig im Lokal stehen zu bleiben und es einfach allen zu verkünden „Ich bin jetzt Gitarristin in Uschi’s Band!“ Den Rest des Abends höre ich Gertrud zu, wie sie schon mal anfängt, alles durch zu planen, obwohl noch gar nichts da ist, was man planen könnte. „Also, du dann Bass, ich Gitarre. Dann brauchen wir noch Schlagzeug und Gesang wäre ja auch ganz gut, was meinste?“

      „Genau“, mehr brauche ich den ganzen Abend nicht zu sagen. Dieses einfache Wort macht sie sehr glücklich und ich will ihr die Stimmung nicht verderben. Daher spare ich es mir folgende Überlegungen mit ihr zu teilen, überhaupt mal vorausgesetzt, dass wir noch drei weitere Weiber für die geplante Besetzung finden: Wo bekommen wir die restlichen Instrumente her? Wer bringt