Uschi Ballboa

MidlifePunks


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welche aus?“ „Lenk mal nicht ab jetzt“, dann kurze Pause, „wo sind die Brötchen denn?“ „Woher soll ich das wissen?“, frage ich, „ich koche heute Kaffee“. Um es kurz zu machen: Er hat sie im Laden liegen gelassen und musste nochmal wieder los. So konnte ich die Kaffee-Session alleine beenden. Geht doch. Übrigens konnte ich es mir dann doch nicht verkneifen, dass Bällchen noch mal leicht in die Höhe zu treiben. „Siehste! So schmeckt der richtig“, er nickt energisch und bestätigt dabei mehr seinen Glauben als mich. Dass das Bällchen dann doch minimal über der Fünf war, schmeckt er also nicht mal raus und auch die Spucke scheint er mittlerweile vergessen zu haben. Immer diese Heiß-Dreher. Diese Eigenschaft sollte er dringend auf ihre Notwendigkeit überprüfen oder ein Lied darüber machen. Was weiß denn ich, ich bin ja hier nicht der Profi.

      Flieg nicht so hoch mein kleiner Freund

      „Hey du Sack, lass mich SOFORT wieder rein!“ Ich stehe für mich selbst überraschend nackt vor unserer Haustür und weiß nicht ob es gerade jetzt eine gute Idee ist, hier überhaupt so einen Lärm zu machen, wenn ich es nicht anstrebe entdeckt zu werden. Ich tipple von einem Fuß auf den anderen und versuche, mit bloßen Händen so viel wie möglich von meinem Körper zu bedecken. Dabei spähe ich ständig durch die Glasscheibe, die ich am liebsten kaputt hauen würde. Ich kann gar nicht richtig nachvollziehen, wie ich hier gelandet bin. Ich wollte eigentlich nur unter die Dusche gehen und musste vorher nochmal eben Pipi machen. „Von Pipi machen hast du nichts gesagt“, weist mich Rio zurecht, als er hektisch ins Badezimmer stürzt. Das stimmt, denn ich habe gesagt, „ich geh jetzt gleich duschen“, damit er die Möglichkeit hat, vorher selbst aufs Töpfchen zu gehen. Dass ich alles in Reihenfolge genau anmelden muss, war mir neu und daher antworte ich auch augenrollend: „Oh sorry, na klar! Ist ja gar kein Problem. Ich kann ja auch eben draußen pinkeln.“ Ich ließ mich liebevoll vom Klo ziehen und in den Flur drücken. Der Weg zur Haustür war dann nicht mehr weit und ehe ich mich versah, ging die Haustür schon wieder zu. Und nun stehe ich nackend vor der Tür. Sowas hat man nun von sowas. Nach gefühlten Stunden höre ich seine Stimme, „bist du auch schon fertig?“ und die Tür öffnet sich wieder. Ich springe gerade noch rechtzeitig in unsere Wohnung bevor Frau Meier von nebenan sich wie üblich um diese Uhrzeit auf den Weg zum Postkasten macht. Die Tür haue ich hinter mir zu, die Glasscheibe wackelt verdächtig und ich frage ihn erst mal, was er denn für einen beschissenen Auftrag an diesem Morgen hat. „Wieso? Du hast doch gesagt, du kannst auch draußen pinkeln.“ „Meinst du nicht, dass du es da als Mann einfacher hättest?“ „Ich musste aber wirklich dringend ganz groß“, sagt er. Das ist natürlich ein Argument, wenn auch in der Tat ein ganz beschissenes. Ich werde sicherheitshalber eine Outdoor-Fußmatte besorgen. Man weiß ja nie, was einem mit Rio passiert.

      Den Rest des Tages habe ich nicht mehr mit ihm gesprochen. Er hat es ein paar Mal versucht, weil er wohl im Nachhinein festzustellen, dass er es womöglich doch ein wenig übertrieben haben könnte. Aber mehr als „Geh doch kacken!“ wollte einfach nicht aus mir heraus. Solche Späße kann er mit Muckern machen, aber nicht mit mir.

      „Haben wir uns wieder lieb?“, fragt er am nächsten Morgen. „Kommt drauf an“, sage ich, „kannst du dich denn so entschuldigen, dass ich dir auch glaube, dass sowas nicht nochmal vorkommt?“ „Ich glaub schon“, meint er. Ich warte einen Moment, bevor ich nachhake „Und? Willste auch?“ „Ich entschuldige mich hochoffiziell bei dir und verspreche hiermit, dass ich dich niemals wieder nackt vor die Tür stelle“, er deutet eine Verbeugung an und sieht mir fest in die Augen. Ich überlege, ob ich das wirklich glauben kann. Die halbe Verbeugung dazu lässt mich zögern. „Vielleicht kann ich das ja irgendwie wieder gut machen“, versucht er nachzulegen. Jetzt wird es spannend. „Wie soll das denn gehen?“, frage ich. „Ich könnte dir doch bei deiner Weiber-Band helfen“, seine Hände wedeln vor Begeisterung auf und ab, „ich bin ein toller Bandcoach!“ Boah, bitte nicht. Das soll doch mein männerfreies Hobby werden.

      „Wir haben ja noch nicht mal einen Namen!“, versuche ich das Thema zu vertagen, weil ich ihm ja auch nicht sagen will, dass ich da so gar keinen Bock drauf habe. „Ja und? Wo ist das Problem? Meine eigene Band, die ich noch nicht mal in Aussicht habe, hat auch noch keinen Namen und trotzdem mache ich Musik“, argumentiert er. Ich gehe mal davon aus, dass er offenbar wirklich ein tiefes Bedürfnis hat, was wieder gut machen zu wollen. „Das ist schon so gut wie geregelt“, weiß ich mich elegant aus der Affäre zu ziehen.

      „Ach?“, nun ist er verwundert, „was denn genau?“ „Fast alles eigentlich“, lüge ich und fühle mich ein bisschen schlecht, „trotzdem Danke für dein Angebot. Ich gebe es den Mädels weiter und wenn wir doch eine Hilfe brauchen, sagen wir Bescheid.“ Ich bin innerlich wohl doch noch ein bisschen sauer, obwohl es eigentlich ganz nett von ihm ist. „Und wie geht’s euch?“, will Gertrud wissen, als sie das nächste Mal anruft und wir einen neuen Termin für die Weiberband ausmachen wollen. Ich überlege kurz, ob ich das wirklich erzählen soll und entscheide mich für: „Geht so, wir hatten ein paar Probleme mit unserer Haustür.“

      „Uschi and the G.Points”, haue ich raus, als die Weiberband erneut zusammensitzt, um einen Namen zu finden. „Boah nee, dann doch lieber Menstru-Action“, Gloria ist immer für eine Überraschung gut. Erst dagegen und jetzt doch dafür. Auch der Rest der Bande scheint nicht sonderlich glücklich. Verstehe ich gar nicht, ist doch ein prima Name! Außerdem ist da ein cooles ‚and the’ drin. Alle sitzen mit dem üblichen Sektchen in der Hand und gucken mich erwartungsvoll an. Wenn mich auf der Arbeit Kollegen so angucken, dann weiß ich, ich sollte am besten jetzt selbst eine Entscheidung fällen, damit das Rumgeeiere endlich ein Ende findet. „Dem G.Punkt wird doch generell viel zu wenig Beachtung geschenkt“, nehme ich neuen Anlauf, „und wir haben alle einen.“ „Meinen hat noch keiner gefunden“, berichtet Gabby. Alle lachen. „Okay“, lasse ich mich breit schlagen, „dann vertagen wir das noch mal.“ Die Meute ist bockig. Das mit dem Durchsetzen lief bei mir auch schon mal besser. „Was haben wir noch auf dem Zettel?“, frage ich? Gertrud rattert runter. Jede sollte sich darum kümmern, jemanden zu finden, der einem auf dem zugeteilten Instrument was beibringt, damit wir irgendwann zusammen spielen können. Das gestaltet sich offenbar schwieriger als gedacht, denn die angesprochenen Profis zweifeln offenbar sehr stark an der Umsetzbarkeit unseres Plans. Sowas frustriert. „Für dich ist das ja auch ganz einfach du hast ja zumindest schon jemanden“, stellt Gerda fest. „Wen denn?“, ich bin erstaunt. „Rio natürlich“, ach ja klar – ich habe ja einen Musiker zuhause, der sich mit sechs Saiten auskennt. Da sollten vier Saiten wirklich kein Problem darstellen. „Stimmt ja! Dann kann er mir doch auch helfen“, frohlockt Gertrud, „fragst du ihn mal?“ Jetzt muss ich also doch damit rauskommen, dass Rio seine Hilfe bereits angeboten hat. Aber die haben ja keine Ahnung, was da auf sie zukommt. Ich sehe uns vor meinem inneren Auge schon alle nackt vor einem Proberaum stehen, weil wir nicht schnell genug waren. „Wir wollen Rio! Wir wollen Rio!“, die Mädels sind komplett von der Rolle und wischen all meine Bedenken vom Tisch. Es ist also beschlossene Sache, dass Rio unser Bandcoach sein soll. Oh Gott! Ich bin schon jetzt kurz davor wieder auszusteigen.

      „Die sind doch richtig scheiße – alle beide!“, meckert Rio unzufrieden, als er die Treppe runter ins Wohnzimmer kommt. Er arbeitet an zwei neuen Liedern gleichzeitig und keins der beiden stellt ihn zufrieden. Ich bin gerade vom Bandtreffen nachhause gekommen. „Lass mal hören“, sage ich, während ich mir die Jacke ausziehe und meine von Gertrud gefertigte Band-Auftragsliste erst mal neben dem Telefon ablege. Ich höre mir beide Lieder an und finde sie sensationell. Nicht nur die Musik, sondern auch die Texte. Sowas würde ich auch gerne mit den Mädels machen. „Den Dreck haue ich in die Tonne“, scheint ihn meine Meinung gar nicht zu interessieren, „ich bin eh mehr der englische Typ.“ „Neeeeeeein“, schreie ich und haue ihm den Unterarm vom Tisch, bevor er den Lösch-button erreichen kann. Er ist mächtig erschrocken, bin ich doch sonst immer die ruhigere von uns beiden. Puh, gerade noch rechtzeitig. Ich erkläre mein ungestümes Verhalten damit, dass er nun unser Bandcoach sein soll und wir doch prima die Lieder übernehmen könnten, usw. „Wenn ihr so einen Dreck machen wollt, bitteschön.“ Na jetzt mal nicht frech werden, denke ich mir, freue mich aber, dass er die Finger von der Maus lässt. Ich gehe wieder runter, schnappe mir meine Liste und streiche Punkt 2 und 5 (Bandcoach? / Lieder?). So langsam kommt doch Schwung in die